typographische
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90 percent of design is typo­graphy. And the other 90 percent is whitespace.
Jeffrey Zeldman

Typographische
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Menschen

In Erinnerung an ESG

Michael Bundscherer
23. Dezember 2022
Heute erreichte uns die traurige Nachricht, dass Eckehart Schu­ma­cher­Gebler, unser Ehren­mitglied und lang­jähriger Förderer, von uns gegangen ist. Seine Leiden­schaft für Schrift und Druck war ansteckend und hat viele von uns inspiriert.

Nach seiner Ausbildung zum Drucker und dem Studium an der Hoch­schule für Grafisches Gewerbe München übernahm ESG Anfang der 1960er-Jahre von seiner Mutter die Druckerei. Diese erweiterte er in den folgenden Jahren durch eine gut ausge­stattete Layout­setzerei.

Schon damals galt sein Interesse den Buch­staben. Eine neue Schrift war für Druckereien seinerseits eine teure Anschaffung. Damit Grafiker dennoch ermutigt werden, die viel­fältigen Schriften der Berthold-Bibliothek zu verwenden, gab es in jeder großen Stadt eine Layout­setzerei, welche alle beworbenen Schriftarten zur Verfügung hatte. Das Typo­studio Schu­ma­cher­Gebler war eine dieser Setzereien. Mit Linotype gab es später eine ähnliche Verein­barung (weshalb unter anderem 1988 das Linotype-Schrift­mus­terbuch auch in kleinerer Auflage mit einem Schu­ma­cher­Gebler-Umschlag produziert wurde). Dadurch hatte Schu­ma­cher­Gebler nicht nur die schönsten Schriftarten bei sich direkt vor Ort, auch wirt­schaftlich erwies sich dieser Schachzug für seine Layout­setzerei als positiv. Schnell war das Typo­studio Schu­ma­cher­Gebler eines der renom­mier­testen deutschen Setzereien.

Die Qualität eines Druck­stücks wird aber nicht alleine durch die Gestalt der verwendeten Lettern bestimmt. Auch die dahin­ter­stehende Technik war wichtig. Die meisten großen Hersteller hatten jedoch geschlossene Systeme – die Schriften wurden für die eigenen Druck- und Satz­systeme herge­stellt, Platt­form­kom­pa­ti­bilität war nicht erwünscht. So hatte Berthold (unter anderem dank Günter Gerhard Lange) im Fotosatz zunächst die besseren Schriften, Linotype jedoch die besseren Belichter. Ideal wäre es gewesen, wenn man die Vorteile beider Welten vereinen könnte. Um Möglich­keiten hierzu zu erkunden, gründete sich die PentaCom-Gruppe (Alster-Lichtsatz, TypoSatz Bauer, Repro-Satz Georg Dürmeyer, Englersatz, Hesz Satz Repro, von Oertzen, Schu­ma­cher­Gebler und Typopress Zürich), was von Berthold und Linotype recht kritisch beäugt wurde.

Seine große Liebe jedoch war das Monotype-System – verständlich, wenn man eine komplexe mecha­nische Monotype Setz- und Gieß­ma­schine in Aktion sieht. ESG wurde von einigen daher auch »Mister Monotype« genannt. Überhaupt waren die histo­rischen Lettern aus Blei seine Passion. Aus dem Stegreif konnte er mehr­stündige Vorträge halten, etwa zum Wett­streit zwischen Giam­battista Bodoni und Firmin Didot und deren Einfluss auf die Entstehung klas­si­zis­tischer Druck­schriften in Deut­schland oder zu den Vorzüge verschiedener Fraktur-Schriften, etwa der Walbaum-Fraktur oder der Zentenar Fraktur. Man hatte den Eindruck, ESG kenne schlicht alle Schriften. Auf seiner Suche nach Original-Lettern fand er immer wieder neue Schätze, die er unter anderem in seiner seit 1974 jährlich erschei­nenden Buchreihe »Bibliothek SG« zeigte (Werke klas­sischer Autoren, gesetzt im Monotype-Bleisatz mit zum Thema passender Schrift, im Buchdruck gedruckt, ergänzt um eine ausführliche Besprechung der jeweiligen Schrift von ESG).

Nach der Wende erwarb Schu­ma­cher­Gebler von der Treuhand die Leipziger Druckerei Offizin Haag-Drugulin (Teil des VEB Druckerei Anderson Nexö). Die vielen von ESG gesam­melten histo­rischen Setz- und Druck­ma­schinen waren das Fundament für das von ihm 1994 am ehemaligen Standort der Druckerei in der Leipziger Nonnen­straße gegründete Museum für Druckkunst. Nach seinem Ausscheiden in Leipzig folgte der Umzug der Offizin Haag-Drugulin als Sammlung und Betrieb nach Dresden. Der von ESG erworbene Bestand der VEB Typoart war 2013 der Grundstock für den Verein für die Schwarze Kunst. Ebenfalls 2013 wurde Eckehart Schu­ma­cher­Gebler als Hono­ra­r­pro­fessor für Druckkunst an der Hoch­schule der Bildenden Künste Saar berufen.

Auch in der Typo­gra­phischen Gesell­schaft München enga­gierte sich Eckehart Schu­ma­cher­Gebler sehr nach­haltig. In seiner Druckerei und/oder Setzerei entstanden einige der schönsten Druck­stücke des Vereins (Johannes Tzschichhold – Iwan Tschichold – Jan Tschichold von 1976, Hermann Virl von 1980, Buchil­lus­tration – heute von 1984, Wie man liest von 1984, Schnurriges von 1987, Fest­vortrag: Zum 100jährigen Bestehen der Typo­gra­phischen Gesell­schaft München von 1990 und Programm-Bücher sowie Einla­dungen der tgm). Auch als fach­kundiger Redner bril­lierte Schu­ma­cher­Gebler.

Es versteht sich von selbst, dass ESG (spätestens) am 14. April 2019 die Ehren­mit­glied­schaft der Typo­gra­phischen Gesell­schaft München e.V. verliehen bekommen musste.

Wir sind dankbar für alles, was er für uns und unsere Branche getan hat und werden ihn sehr vermissen. Eckehart Schu­ma­cher­Gebler ist am 17. Dezember 2022 im Alter von 88 Jahren verstorben.

Vielen Dank an Gerd Fleischmann für die Redi­gierung dieses Textes.

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