Das Ende einer Offizin
Eckehart SchumacherGebler (ESG) hatte den 1829 in Leipzig gegründeten Betrieb nach der Wende übernommen und zuletzt zehn Jahre in Dresden geführt – nicht als Museumswerkstatt, sondern als Handwerksbetrieb. Sein Ziel war es, diesen Kulturschatz und die damit verbundenen Fertigkeiten zu erhalten und weiterzugeben.
Das Herzstück der OHD war zum einem das historische typografische Material, das ESG in über sechzig Jahren weitgehend privat zusammengetragen, gepflegt und eingesetzt hatte: Es besteht aus einzigartigen Schriften- und Matrizenschätzen, funktionstüchtigen Monotype- und Buchdruckmaschinen – darunter die letzten erhaltenen Schriftbestände der Reichsdruckerei mit über 150 verschiedenen Bleisatzschriften sowie über zwei Millionen seltener Gussmatrizen der Firma Monotype, die Ende des 19. Jahrhunderts den Maschinensatz revolutionierte, und vielen weiteren wertvollen Schmuckbuchstaben und Ornamenten.
Zum anderen bestand es vor allem aus dem hier versammelten, inzwischen extrem raren Wissen. Das Team der OHD bestand aus hoch motivierten, in den historischen Techniken ausgebildeten Mitarbeitern. Dazu gehören Max Lotze, der jüngste Monotypegießer Deutschlands, die Schriftsetzerin und Monotypetasterin Heike Schnotale, der Drucker Albrecht Günther und die Setzerin Ute Finger. Die Mitarbeiter wären auch in der Lage gewesen, andere auszubilden und so traditionelle Handwerksberufe wie Schriftsetzer, Monotype-Taster, -Gießer und Buchdrucker weiter zu erhalten.
Druck und Typografie sind seit Jahrhunderten ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Kultur und Wissensgesellschaft. In vielen Ländern wird der Bewahrung des typografischen Erbes große Bedeutung beigemessen: So werden in Frankreich »Maîtres d’Arts« ernannt, um die handwerkliche Meisterschaft in Schrift und Druck zu ehren und zu bewahren. In Deutschland, das dank der Innovationskraft und Kunstfertigkeit von Johannes Gutenberg (Erfinder des modernen Buchdrucks), Albrecht Dürer (Meister des Bilderdrucks), Friedrich Koenig (Erfinder der Schnellpresse) und Aloys Senefelder (Erfinder der Lithografie) als Mutterland der Druckkunst gilt, gibt es jedoch keine vergleichbare staatliche Institution, die sich um die Bewahrung des typografischen Erbes kümmert.
Leider ist es offenbar äußerst schwierig, Bund und Länder für die Rettung solch bedeutender Einrichtungen zu gewinnen: Die Schriftgießerei Rainer Gerstenberg in Darmstadt konnte nicht gerettet werden, das Weltmuseum der Druckkunst in Mainz kämpft um jeden Cent und auch die Druckwerkstatt p98a von Erik Spiekermann ist von der Schließung bedroht.
Da die Erben von Eckehart SchumacherGebler den traditionsreichen Betrieb nicht weiterführen können, war nun auch die Offizin Haag-Drugulin und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Mögliche Lösungen wie eine Beteiligung der genossenschaftlich organisierten Büchergilde Gutenberg oder ein genossenschaftliches Konzept für die Offizin schienen jedoch nicht möglich. So wurde der Betrieb Anfang 2023 eingestellt, die Werkstatt vor Ort aufgelöst und die Beschäftigten nicht weiterbeschäftigt. Um Schaden zu verhindern, wurde zwischenzeitlich das Inventar unter Denkmalschutz gestellt. Den engagierten Mitarbeitern ist es zu verdanken, dass ein Teil des Materials aus dem Außenlager in die Räume der OHD gebracht und so gesichert werden konnte.
Im März 2023 fand ein erstes Treffen mit Vertretern der Erbengemeinschaft, Mitarbeitern des Denkmalamtes und der seit Februar amtierenden Direktorin des Museums für Druckkunst, Dr. Katharina Walter, statt. Es wurde vereinbart, dass alle Komplettgussschriften sowie die gesamte Monotype-Maschinerie und die Matrizenbestände an das 1994 ebenfalls von SchumacherGebler gegründete Museum für Druckkunst in Leipzig (teilweise zurück-)gegeben werden. Bis Ende August 2023 sollen diese Exponate nun denkmalgerecht in Leipzig untergebracht werden.
Auch wenn das Engagement des Museums für Druckkunst in Leipzig nicht zu unterschätzen ist – ein Museum ist keine Offizin. Mit der Auflösung der OHD ist eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten für die Ausbildung des typografischen Nachwuchses verloren gegangen. Ohne Ausbildung, ohne die Weitergabe des Wissens an die jüngere Generation, hat der historische Buchdruck keine Zukunft. Mit der gescheiterten Rettung dieses Unternehmens geht auch die Chance verloren, ein kulturelles Erbe für kommende Generationen zu erhalten.
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