typographische
zitate
Words have meaning. Type has spirit. The combi­nation is spec­tacular.
Paula Scher

Typographische
Gesellschaft
München e. V.

Goethe­straße 28 Rgb.
80336 München

info@tgm-online.de
089.7 14 73 33

Buchbesprechung

Bleisatz und (Buch)Druck

Rudolf Paulus Gorbach
28. November 2022
Das Handwerk der »Schwarzen Kunst« ist wieder populär geworden. Die Gründe hierfür dürften viel­fältig sein: die Liebe zu einem hand­werk­lichen System, das es so nicht mehr gibt, und die Lust am hand­werk­lichen Machen: Setzen im Handsatz, Seiten umbrechen, Formen schließen, »echt drucken«, Werkstatt riechen.

Heut­zutage gibt es nur noch wenige Experten, die gelernt haben, wie man Bleisatz herstellt. Aber dafür gibt es den Verein für Schwarze Kunst, der erfolgreich Ausbil­dungen im Walz-System anbietet und bereits mehrere Kurse durch­geführt hat. Viele neue Werk­stätten und Druckereien sind entstanden, deren Arbeitsweise jedoch anders ist als die der etablierten biblio­philen Druckereien. Sie haben eine Vorliebe für einzelne Buch­staben aus Blei oder Holz und eine Faszi­nation für alte Tiegel­druck­pressen.

Das hat es seit dem Ende von Bleisatz und Buchdruck um 1970 nicht mehr gegeben: Die Faszination für Satzregale oder gar einen Heidelberger Tiegel greift um sich.

Die Fach­bücher für das grafische Gewerbe, die sich mit Bleisatz und Hochdruck beschäftigen, sind über 60 Jahre alt und auf die komplexe Ausbildung der einzelnen Berufe ihrer Zeit ausge­richtet. Zu mühsam zu lesen und zu detailliert, um sich heute einen Überblick zu verschaffen. Und so ist es eine gute Idee, dass Heike Schnotale, selbst spät gelernte Schrift­setzerin, und Michael Wörgötter, Professor für Typo­grafie mit Wurzeln in der Litho­grafie, das Thema für heutige Bedürfnisse zu einem Buch komponiert haben. Und da ist für die Werk­stattfans alles dabei, was man dazu braucht.

Das Buch beginnt mit der Orga­ni­sation und dem Aufbau einer Satz-Druck-Werkstatt, beschreibt die nötigen Möbel und Geräte und führt in den Bereich der Blei­satz­schrift ein. Etwas Schrift­ge­schichte und die DIN-Klssi­fi­kation werden mit einer Auswahl von gängigen Blei­satz­schriften ergänzt. Das ist wichtig für den kultu­rellen Bezug der Leser. Planvoll geht es dann ans Setzen, wobei ein Modell einer Nach­bildung einer Drucksache von Kurt Schwitters als »Laborratte« funk­tioniert. Die typo­gra­fische Basis wird hier an den Wurzeln, dem Bleisatz, erläutert und in vielen Abbil­dungen gezeigt. Die hand­werk­lichen Techniken um Druck­formen zu bauen (oft bestaunt) samt nötiger Arbeits­hilfen wie Klebeumbruch, aber auch die Basis des Druck­papiers finden Beachtung. Selbst an eine Mini-Einführung zur Farbe wurde gedacht. Setz­ma­schinen, Druck­pressen werden beschrieben. Aber einen Heidel­berger Zylinder kann man deshalb wohl noch nicht ohne weiteres bedienen, obwohl gerade das Kapitel über die Arbeit an der Druck­presse alle Arbeits­schritte (sogar die Zurichtung per Hand­aus­schnitt) enthält. Und schließlich wird auch das Finale einer Drucksache, die buch­bin­de­rische Vera­r­beitung oder das Fertig­machen beschrieben.

Das Text-Bild-Buch ist sehr lebendig gestaltet, gesetzt in der Genzsch-Antiqua von Lazydog (Schrift­mi­schung mit der Univers), allerdings sinn­vol­lerweise digital, also nicht im Bleisatz. Und das Buch ist informativ für alle, die die Techniken der Schwarzen Kunst verstehen wollen. Als ehemaliger Buch­drucker kommen bei mir viele Erin­ne­rungen hoch. Es war damals oft mühsam, aber im Rückblick auch schön.

Heike Schnotale, Michael Wörgötter
Bleisatz
Ein Werk­stattbuch
160 × 240 mm
319 Seiten
Ganz­pappband
Rheinwerk Design, Bonn 2022
ISBN 978–3–8362–8770–8
39,90 Euro

Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten

Buchbesprechung

Gemischter Satz: gemischte Schriften

Rudolf Paulus Gorbach

Das Mischen von Schriften ist schwierig. Die Typo­grafie kommt hier an ihre Grenzen. Hier herrschen – statt Fach­wissen und Können — Lust an Deko­rativen. Ich persönlich gehöre allerdings zu der Gruppe von Typo­grafen, die sehr selten Schriften zusam­men­bringen. Umso inter­es­santer finde ich das vorliegende Buch von Philipp Stamm.

Das Buch »Schrifttypen verstehen kombinieren«
Buchbesprechung

Buch­ge­staltung in Deut­schland

Michael Bundscherer

Schon mehrmals haben wir Titel der Buchreihe »Ästhetik des Buches« im Wallstein Verlag hier im Blog rezensiert – es ist also kein Geheimnis, dass wir von dieser recht angetan sind.

»Buchgestaltung in Deutschland« von Silvia Werfel
Buchbesprechung

Checkliste für optimale Schrift

Rudolf Paulus Gorbach
Michael Bundscherer

Bücher zum Thema Schrift gibt es nicht wenige. Möchte sich ein neues Werk vom Rest abheben, muss es mehr bieten, als Fach­be­griffe bebildert zu erklären. Mit »Schrift. Wahl und Mischung«, einem fast 1.660 Gramm schweren Buch – das man so beispielsweise auch als kleines schwarzes Podest verwenden könnte – ist nun ein weiteres erschienen. Kann dieses Buch Neues bieten?