PostScript-Type 1 ist am Ende, was nun?
PostScript Type 1, was ist das?
PostScript-Type 1 (PS1) wurde Mitte der 1980er Jahre von Adobe zusammen mit der Druckerauszeichnungssprache PostScript (PS) eingeführt. Das war eine Sensation und verhalf dem anfangs belächelten Desktop Publishing (DTP) zum Durchbruch. Aufgrund seiner damaligen Stärken war PostScript-Type 1 vor allem im professionellen Bereich gefragt: Apple setzte mit seinen bahnbrechenden Macintosh-Computern auf dieses Format und wurde unter anderem deshalb vom System für Nerds zum Branchenstandard für die grafische Industrie. PostScript-Type 1 war in den Anfängen des DTP das gängigste Fontformat. Mit der kongruierenden TrueType-Technologie (unterstützt von Adobe und Microsoft) folgte ein mehrjähriger »Font War«, bis man sich 1996 auf einen gemeinsamen plattformübergreifenden OpenType-Standard einigte.
Aus heutiger Sicht hat PS1 aber spürbare Nachteile: Es können nur 256 Glyphen pro Font hinterlegt werden – alternative Glyphen-Varianten, umfangreiche Sprachunterstützung, verschiedene Ziffernsätze und »typografische Funktionen« wie in modernen Fonts sind damit nicht (ohne weiteres) möglich. Für den Druck und die Bildschirmdarstellung sind getrennte Dateien erforderlich – damit ein Font auf dem Drucker und auf dem Bildschirm funktioniert, benötigt man also immer mindestens zwei Dateien. Außerdem können Macintosh-Fonts nicht auf Windows-PCs verwendet werden, da PS1-Fonts nicht plattformunabhängig sind.
Seit 1999 entwickelt Adobe keine neuen Type-1-Fonts mehr, die bestehende Bibliothek wurde auf den OpenType-Standard umgestellt. Alle anderen Schriftenhersteller haben inzwischen nachgezogen. Seit Windows Vista unterstützen Windows-PCs keine Type-1-Schriften mehr. Mit der Deaktivierung der Type-1-Fonts durch Adobe folgt nun auch das Aus für macOS-Rechner.
Kürzlich habe ich ein mehr als 20 Jahre altes QuarkXPress-Dokument geöffnet – als die verwendete Schrift aktiviert wurde, öffnete es sich überraschend problemlos. Das hat mich erstaunt, wenn ich bedenke, wie viele Umwälzungen unsere Branche in den letzten Jahrzehnten erlebt hat: vom Handsatz und den verschiedenen Zeilensetz- und Gießmaschinen über Diatype und Linofilm, Linotronic und andere CRT-Belichter bis hin zum Desktop-Publishing mit PostScript, Filmbelichtung und schließlich Digitaldruck und Web-Typografie … Jede Veränderung brachte zunächst oft neue Einschränkungen und Nachteile für Schrift und (Mikro-)Typografie mit sich. Wenn ich aber an die heutigen typografischen Möglichkeiten mit globalem Absatzsetzer, Grep-Stilen, Glyphenvarianten, OT-Funktionen, Variablefonts, Webfonts etc. denke, vermisse ich die alten Zeiten nicht!
Was ist unser Problem?
Auch jetzt, da Adobe die Unterstützung für Type 1-Fonts einstellt, geht Wertvolles verloren. Das oben erwähnte alte QuarkXPress-Dokument war eine Schulungsfolie meines Typografie-Lehrers Joachim Opfer, welche acht verschiedene Garamond-Varianten verglich. Aber auch in Kundenprojekten haben sich PS1-Schriften über die Jahre erhalten. Nach der Einstellung des Supports durch Adobe können solche Dokumente weder bearbeitet noch konvertiert werden.
Es ist unwahrscheinlich, dass alle älteren Type1-Fonts in mindestens gleicher Qualität erneut veröffentlicht werden. Einerseits existieren einige der Schriftenhäuser gar nicht mehr, andererseits stellt sich natürlich auch die Frage, wie wirtschaftlich es ist, zum Teil nicht mehr zeitgemäße Schriften neu aufzulegen und zu vertreiben.
Auch heute noch verwenden Agenturen und Freiberufler die damals relativ teuren Schriften. Kostenlose »Upgrades« auf das neuere OpenType-Format sind bei Schriftenanbietern eher nicht erhältlich.
Was also tun?
Postscript-Type-1-Fonts sind sowohl Kulturgut, als auch Arbeitsmittel. Alte Bleilettern bzw. deren Matrizen für die Nachwelt zu erhalten, ist sicher sinnvoll – hier leistete unser leider im Dezember 2022 verstorbenes Ehrenmitglied Eckehart SchumacherGebler und das von ihm (mit-)gegründete Museum für Druckkunst in Leipzig sowie der Verein für die Schwarze Kunst in Dresden wertvolle Arbeit.
Sollten in diesem Sinne nicht auch alte Type-1-Fonts als Kulturgut erhalten werden? Idealerweise nicht nur in Museen sondern auch durch Nutzer:innen anwendbar. Zumindest in einer Emulationsumgebung? Derzeit sehen wir keine PS1-spezifischen Initiativen, die sich aufgrund der nach wie vor existierenden Lizenzen jedoch auch eher schwierig gestalten würden – anders als für physische Medienformate.
Durch den Wegfall der Schrift als Arbeitsmittel hat man tatsächlich ein Problem. In der Praxis stellt sich daher für viele die Frage: Was mache ich, wenn ich Dokumente oder Kunden habe, die noch veraltete Postscript Type 1-Schriften verwenden?
1. Recherchieren, Bewahren, Archivieren
Beginnen Sie am besten so schnell wie möglich mit einer Bestandsaufnahme: Suchen Sie nach PostScript Type 1-Schriften auf Ihrem Computer und legen Sie diese in einem separaten Ordner ab. Font-Management-Tools können Ihnen bei der Suche helfen. Wir empfehlen auch das InDesign-Start-up-Script warnType1 Fonts von Gregor Fellenz, das kostenlos von Github geladen werden kann. Einmal installiert sammelt es die Namen von PostScript-Type-1-Schriften in einer Textdatei, so dass Sie später nachschlagen können, welche Fonts in Ihren Arbeitsdateien zuletzt problematisch waren.
PDF-Dateien stellen übrigens kein Problem dar. Eingebundene PostScript-Type-1-Schriftarten können weiterhin angezeigt und gedruckt werden. Wahrscheinlich lassen sich diese PDFs sogar als Bild in InDesign platzieren. Sichern Sie daher wichtige Dokumente als hochauflösende Druck-PDFs. Allerdings können diese PDFs dann nicht mehr bearbeitet werden (z.B. in Adobe Illustrator), da auch dort die Schriften »fehlen«.
Natürlich ist es nicht notwendig, neue Versionen von Adobe InDesign zu installieren. Mittel- bis langfristig wird man aber um ein Update nicht herumkommen – sei es, weil wichtige Sicherheitsupdates erscheinen, neue interessante Features veröffentlicht werden oder einfach ein Auftraggeber oder Dienstleister aktuelle InDesign-Daten liefert oder verlangt. Sie können jedoch bei der Installation von InDesign 2023 angeben, dass die alte Programmversion beibehalten werden soll. So können Sie bei Bedarf (übergangsweise) weiterhin PS1-Schriften mit der alten InDesign-Version verwenden.
2. Erneuern der Lizenz für die Schrift
Besitzen Sie keine Ersatz-Schrift kann die selbe Schriftart neu lizenziert werden. Erkundigen Sie sich beim Fonthersteller, welche Möglichkeiten es gibt, die Lizenz zu erweitern. Vielleicht gibt es einen Sonderrabatt für Bestandskunden, vielleicht einen Rabatt beim Kauf mehrerer Lizenzen?
3. Verwenden Sie eine andere Schrift
Sehen Sie die Deaktivierung der Type-1-Schriften durch Adobe als Chance. Wenn Sie oder Ihre Kunden Type-1-Schriften verwenden, dann wahrscheinlich schon seit vielen Jahren. Wie in der Musik oder der Mode hat sich die Welt seitdem weiterentwickelt. Der Zeitgeist hat neue Trends hervorgebracht, Menschen wollen überrascht und zeitgemäß angesprochen werden und auch technisch bieten aktuelle Schriften neue Möglichkeiten. Nie gab es einen besseren Zeitpunkt, um ein Dokument neu zu gestalten oder dem Kunden ein Update seines Corporate Designs schmackhaft zu machen! Wenn Sie die Schrift nicht einfach durch eine Systemschrift ersetzen, sondern mit Ihrer Investition eine unabhängige Schriftmanufaktur unterstützen, schaffen Sie eine Win-Win-Situation: Der Schriftgestalter bekommt den in eine Schrift investierten Aufwand vergütet, der Auftraggeber erhält prägnante, ansprechende Designs, die Kunden des Auftraggebers bekommen etwas Neues und im Idealfall Besseres präsentiert, und Sie können Ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und dadurch zusätzlich bezahlte Aufträge generieren.
4. Schrift konvertieren
»Wenn etwas nicht passt, wird es einfach passend gemacht.« Die erste Überlegung ist oft, ob man einen PS Type-1-Font nicht einfach konvertieren kann, damit sie weiterhin funktioniert. Wie bereits erwähnt, gibt es jedoch rechtliche und technische Hindernisse.
Rechtliche Hürden: Normalerweise kauft man keine Schriften, sondern man erwirbt Nutzungsrechte. Beim Erwerb stimmen Sie den in der EULA (End User License Agreement) definierten Lizenzvereinbarungen zu. Diese dokumentieren, was mit der Schrift gemacht werden darf; Modifikationen und Konvertierungen in andere Formate sind hier häufig ausgeschlossen: »You May not modify, adapt, translate, reverse engineer, decompile, disassemble, alter or otherwise copy the font software …«. Werden PS-Fonts zudem in ein Webformat (z. B. WOFF2) konvertiert, ändert sich der Nutzungsumfang zusätzlich. Hierfür muss in der Regel eine separate Lizenz abgeschlossen werden. Möglicherweise gibt es noch (sehr) alte Lizenzverträge, die eine Konvertierung nicht verbieten – wir haben aber noch keinen gesehen.
Allerdings: Inwieweit Schriften tatsächlich als »Software« angesehen werden können oder ob vor Gericht die nötige Schöpfungshöhe einer Schrift anerkannt wird (siehe u.a. Grundsatzurteil »Candida-Schrift« des BGH von 1958 und Fonts als Computerprogramm vom LG Köln im Jahr 2000), ist nicht unumstritten. Wir trauen uns nicht zu, diese Frage juristisch zu bewerten. Unser Bauchgefühl sagt uns aber: Wer sich nicht an die Lizenzbestimmungen hält, ist – vorsichtig formuliert – rechtlich nicht auf der sicheren Seite. Eine moralische Diskussion ersparen wir uns an dieser Stelle.
Technische Hürden: TrueType-Outlines werden mit quadratischen Bézier Splines beschrieben, PostScript-basierte Formate benutzen dagegen kubische Bézierkurven. Aufgrund dieser grundlegenden Unterschiede kann PostScript nicht eins-zu-eins in TrueType konvertiert werden. Obwohl die Konvertierungsfehler minimal sind, ist es natürlich besser, das Pfadformat bei der Konvertierung nicht zu ändern. Außerdem kann es zu deutlich sichtbaren Problemen beim Hinting (Bildschirmdarstellung) kommen oder das Kerning kann bei der Konvertierung verloren gehen. Eine OpenType-Datei kann sowohl TrueType- als auch PostScript-Outlines enthalten, entsprechend haben OpenType-Fonts entweder die Dateiendung OTF oder TTF (hier kommt es oft zu Verwechslungen: als TTF-Fonts werden sowohl alte TrueType-Fonts als auch OpenType-Fonts bezeichnet). Ein alter Mac/PC PostScript Type 1-Font kann verlustfrei in »OpenType CFF« konvertiert werden, ein alter Mac/PC TTF-Font in »OpenType TTF«.
Eine solche Konvertierung kann mit jedem professionellen Font-Editor (Glyphs, Fontlab, RoboFont, FontForge) durchgeführt werden. Es gibt aber auch Webanwendungen und spezielle Hilfsprogramme (TransType 4, FontXChange).
5. Ersetzen
Noch ein paar Tipps aus der typografischen Praxis: Wenn Sie in Ihren Dokument- und Vorlagendateien eine neue Schrift verwenden (die gleiche als OTF oder eine andere), überprüfen Sie nach dem Ersetzen unbedingt den gesamten betroffenen Text – selbst wenn die neue Schrift den gleichen Namen trägt. Beispielsweise können beim Ersetzen einer Schrift einzelne Glyphen oder das Kerning verändert worden sein. Dadurch können sich Silbentrennungen ändern oder es kann sogar Übersatztext entstehen. Manchmal unterscheidet sich auch die Position der Buchstaben innerhalb eines Textrahmens von der vorherigen Version. Wenn Sie ein PDF der alten Datei haben, ist der Vorher-Nachher-Vergleich vielleicht etwas einfacher.
Zum Schluss speichern Sie Ihr Projekt unter einem neuen Namen ab. Auf diese Weise geht die Originaldatei nicht verloren und Sie können später bei Problemen darauf zurückgreifen.
Fazit
Werden Sie jetzt aktiv: Finden Sie Ihre PostScript-Type-1-Schriftarten und Dokumente, die solche Schriften verwenden. Welche dieser Dokumente benötigen Sie später evtl. noch einmal? Sichern Sie diese Dokumente als Druck-PDFs und Recherchieren Sie alternative Open-Type-Schriften für eine Aktualisierung. Sprechen Sie rechtzeitig mit Ihren Auftraggebern über diese Problematik und schlagen Sie Lösungen vor.
Vielen Dank für den fachlichen Input zu diesem Beitrag an unsere Font-Experten Oliver Linke und Kai Büschl sowie an Michael Lange für das Lektorat.
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