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PostScript-Type 1 ist am Ende, was nun?

Michael Bundscherer
27. Januar 2023
Wer mit InDesign arbeitet, bekommt seit einigen Monaten einen blauen Hinweis angezeigt: »Adobe stellt Anfang 2023 die Unter­stützung für Type-1-Schriften ein«. Obwohl diese Schriften im System installiert sind, werden sie dann im Schrif­tenmenü nicht mehr angezeigt.

Post­Script Type 1, was ist das?

Post­Script-Type 1 (PS1) wurde Mitte der 1980er Jahre von Adobe zusammen mit der Drucke­r­aus­zeich­nungs­sprache Post­Script (PS) eingeführt. Das war eine Sensation und verhalf dem anfangs belä­chelten Desktop Publishing (DTP) zum Durchbruch. Aufgrund seiner damaligen Stärken war Post­Script-Type 1 vor allem im profes­s­io­nellen Bereich gefragt: Apple setzte mit seinen bahn­­bre­chenden Macintosh-Computern auf dieses Format und wurde unter anderem deshalb vom System für Nerds zum Bran­chen­standard für die grafische Industrie. Post­Script-Type 1 war in den Anfängen des DTP das gängigste Font­format. Mit der kongru­ie­renden TrueType-Tech­nologie (unter­­stützt von Adobe und Microsoft) folgte ein mehr­­jähriger »Font War«, bis man sich 1996 auf einen gemeinsamen platt­for­m­­über­grei­fenden OpenType-Standard einigte.

Aus heutiger Sicht hat PS1 aber spürbare Nachteile: Es können nur 256 Glyphen pro Font hinterlegt werden – alter­native Glyphen-Varianten, umfang­reiche Sprach­un­ter­stützung, verschiedene Ziffernsätze und »typo­gra­fische Funk­tionen« wie in modernen Fonts sind damit nicht (ohne weiteres) möglich. Für den Druck und die Bild­schirm­dar­stellung sind getrennte Dateien erfor­derlich – damit ein Font auf dem Drucker und auf dem Bild­schirm funk­tioniert, benötigt man also immer mindestens zwei Dateien. Außerdem können Macintosh-Fonts nicht auf Windows-PCs verwendet werden, da PS1-Fonts nicht platt­for­m­u­n­ab­hängig sind.

Seit 1999 entwickelt Adobe keine neuen Type-1-Fonts mehr, die bestehende Bibliothek wurde auf den OpenType-Standard umge­stellt. Alle anderen Schrif­ten­her­steller haben inzwischen nach­gezogen. Seit Windows Vista unter­stützen Windows-PCs keine Type-1-Schriften mehr. Mit der Deak­ti­vierung der Type-1-Fonts durch Adobe folgt nun auch das Aus für macOS-Rechner.

Hinweis in InDesign: 22 Type 1-Schriften werden in diesem Dokument demnächst nicht mehr unterstützt.

Kürzlich habe ich ein mehr als 20 Jahre altes QuarkXPress-Dokument geöffnet – als die verwendete Schrift aktiviert wurde, öffnete es sich über­ra­schend problemlos. Das hat mich erstaunt, wenn ich bedenke, wie viele Umwäl­zungen unsere Branche in den letzten Jahr­zehnten erlebt hat: vom Handsatz und den verschiedenen Zeilensetz- und Gieß­ma­schinen über Diatype und Linofilm, Lino­tronic und andere CRT-Belichter bis hin zum Desktop-Publishing mit Post­Script, Film­be­lichtung und schließlich Digi­taldruck und Web-Typo­grafie … Jede Verän­derung brachte zunächst oft neue Einschrän­kungen und Nachteile für Schrift und (Mikro-)Typo­grafie mit sich. Wenn ich aber an die heutigen typo­gra­fischen Möglich­keiten mit globalem Absatz­setzer, Grep-Stilen, Glyphen­va­rianten, OT-Funk­tionen, Vari­a­blefonts, Webfonts etc. denke, vermisse ich die alten Zeiten nicht!

Was ist unser Problem?

Auch jetzt, da Adobe die Unter­stützung für Type 1-Fonts einstellt, geht Wert­volles verloren. Das oben erwähnte alte QuarkXPress-Dokument war eine Schu­lungsfolie meines Typo­grafie-Lehrers Joachim Opfer, welche acht verschiedene Garamond-Varianten verglich. Aber auch in Kunden­pro­jekten haben sich PS1-Schriften über die Jahre erhalten. Nach der Einstellung des Supports durch Adobe können solche Dokumente weder bear­beitet noch konvertiert werden.

Es ist unwahr­scheinlich, dass alle älteren Type1-Fonts in mindestens gleicher Qualität erneut veröf­fentlicht werden. Einerseits exis­tieren einige der Schrif­ten­häuser gar nicht mehr, ande­rerseits stellt sich natürlich auch die Frage, wie wirt­schaftlich es ist, zum Teil nicht mehr zeit­gemäße Schriften neu aufzulegen und zu vertreiben.

Auch heute noch verwenden Agenturen und Frei­be­rufler die damals relativ teuren Schriften. Kostenlose »Upgrades« auf das neuere OpenType-Format sind bei Schrif­te­n­an­bietern eher nicht erhältlich.

Bezier-Outlines: TrueType und PostScript am Beispiel der Myriad Bold

Was also tun?

Post­script-Type-1-Fonts sind sowohl Kulturgut, als auch Arbeits­mittel. Alte Blei­lettern bzw. deren Matrizen für die Nachwelt zu erhalten, ist sicher sinnvoll – hier leistete unser leider im Dezember 2022 verstorbenes Ehren­mitglied Eckehart Schu­ma­cher­Gebler und das von ihm (mit-)gegründete Museum für Druckkunst in Leipzig sowie der Verein für die Schwarze Kunst in Dresden wertvolle Arbeit.

Sollten in diesem Sinne nicht auch alte Type-1-Fonts als Kulturgut erhalten werden? Idea­le­rweise nicht nur in Museen sondern auch durch Nutzer:innen anwendbar. Zumindest in einer Emula­ti­ons­um­gebung? Derzeit sehen wir keine PS1-spezi­fischen Initiativen, die sich aufgrund der nach wie vor exis­tie­renden Lizenzen jedoch auch eher schwierig gestalten würden – anders als für physische Medi­en­formate.

Durch den Wegfall der Schrift als Arbeits­mittel hat man tatsächlich ein Problem. In der Praxis stellt sich daher für viele die Frage: Was mache ich, wenn ich Dokumente oder Kunden habe, die noch veraltete Post­script Type 1-Schriften verwenden?

1. Recher­chieren, Bewahren, Archi­vieren

Beginnen Sie am besten so schnell wie möglich mit einer Bestands­aufnahme: Suchen Sie nach Post­Script Type 1-Schriften auf Ihrem Computer und legen Sie diese in einem separaten Ordner ab. Font-Management-Tools können Ihnen bei der Suche helfen. Wir empfehlen auch das InDesign-Start-up-Script warnType1 Fonts von Gregor Fellenz, das kostenlos von Github geladen werden kann. Einmal installiert sammelt es die Namen von Post­Script-Type-1-Schriften in einer Textdatei, so dass Sie später nach­schlagen können, welche Fonts in Ihren Arbeits­dateien zuletzt proble­matisch waren.

PDF-Dateien stellen übrigens kein Problem dar. Einge­bundene Post­Script-Type-1-Schriftarten können weiterhin angezeigt und gedruckt werden. Wahr­scheinlich lassen sich diese PDFs sogar als Bild in InDesign plat­zieren. Sichern Sie daher wichtige Dokumente als hoch­auf­lösende Druck-PDFs. Allerdings können diese PDFs dann nicht mehr bear­beitet werden (z.B. in Adobe Illus­trator), da auch dort die Schriften »fehlen«.

Natürlich ist es nicht notwendig, neue Versionen von Adobe InDesign zu instal­lieren. Mittel- bis lang­fristig wird man aber um ein Update nicht herum­kommen – sei es, weil wichtige Sicher­heits­updates erscheinen, neue inter­essante Features veröf­fentlicht werden oder einfach ein Auftraggeber oder Dienst­leister aktuelle InDesign-Daten liefert oder verlangt. Sie können jedoch bei der Instal­lation von InDesign 2023 angeben, dass die alte Programm­version beibe­halten werden soll. So können Sie bei Bedarf (über­g­angsweise) weiterhin PS1-Schriften mit der alten InDesign-Version verwenden.

2. Erneuern der Lizenz für die Schrift

Besitzen Sie keine Ersatz-Schrift kann die selbe Schriftart neu lizenziert werden. Erkundigen Sie sich beim Fonther­steller, welche Möglich­keiten es gibt, die Lizenz zu erweitern. Viel­leicht gibt es einen Sonder­rabatt für Bestands­kunden, viel­leicht einen Rabatt beim Kauf mehrerer Lizenzen?

3. Verwenden Sie eine andere Schrift

Sehen Sie die Deak­ti­vierung der Type-1-Schriften durch Adobe als Chance. Wenn Sie oder Ihre Kunden Type-1-Schriften verwenden, dann wahr­scheinlich schon seit vielen Jahren. Wie in der Musik oder der Mode hat sich die Welt seitdem weiter­ent­wickelt. Der Zeitgeist hat neue Trends hervor­ge­bracht, Menschen wollen über­rascht und zeitgemäß ange­sprochen werden und auch technisch bieten aktuelle Schriften neue Möglich­keiten. Nie gab es einen besseren Zeitpunkt, um ein Dokument neu zu gestalten oder dem Kunden ein Update seines Corporate Designs schmackhaft zu machen! Wenn Sie die Schrift nicht einfach durch eine System­schrift ersetzen, sondern mit Ihrer Inves­tition eine unab­hängige Schrift­ma­nu­faktur unter­stützen, schaffen Sie eine Win-Win-Situation: Der Schrift­ge­stalter bekommt den in eine Schrift inves­tierten Aufwand vergütet, der Auftraggeber erhält prägnante, anspre­chende Designs, die Kunden des Auftrag­gebers bekommen etwas Neues und im Idealfall Besseres präsentiert, und Sie können Ihre Fähig­keiten unter Beweis stellen und dadurch zusätzlich bezahlte Aufträge gene­rieren.

4. Schrift konver­tieren

»Wenn etwas nicht passt, wird es einfach passend gemacht.« Die erste Über­legung ist oft, ob man einen PS Type-1-Font nicht einfach konver­tieren kann, damit sie weiterhin funk­tioniert. Wie bereits erwähnt, gibt es jedoch rechtliche und tech­nische Hindernisse.

Rechtliche Hürden: Norma­le­rweise kauft man keine Schriften, sondern man erwirbt Nutzungs­rechte. Beim Erwerb stimmen Sie den in der EULA (End User License Agreement) defi­nierten Lizenz­ver­ein­ba­rungen zu. Diese doku­men­tieren, was mit der Schrift gemacht werden darf; Modi­fi­ka­tionen und Konver­tie­rungen in andere Formate sind hier häufig ausge­schlossen: »You May not modify, adapt, translate, reverse engineer, decompile, disas­semble, alter or otherwise copy the font software …«. Werden PS-Fonts zudem in ein Webformat (z. B. WOFF2) konvertiert, ändert sich der Nutzungs­umfang zusätzlich. Hierfür muss in der Regel eine separate Lizenz abge­schlossen werden. Mögli­cherweise gibt es noch (sehr) alte Lizenz­verträge, die eine Konver­tierung nicht verbieten – wir haben aber noch keinen gesehen.

Allerdings: Inwieweit Schriften tatsächlich als »Software« angesehen werden können oder ob vor Gericht die nötige Schöp­fungshöhe einer Schrift anerkannt wird (siehe u.a. Grund­satz­urteil »Candida-Schrift« des BGH von 1958 und Fonts als Compu­ter­programm vom LG Köln im Jahr 2000), ist nicht unum­stritten. Wir trauen uns nicht zu, diese Frage juristisch zu bewerten. Unser Bauch­gefühl sagt uns aber: Wer sich nicht an die Lizenz­be­stim­mungen hält, ist – vorsichtig formuliert – rechtlich nicht auf der sicheren Seite. Eine mora­lische Diskussion ersparen wir uns an dieser Stelle.

Tech­nische Hürden: TrueType-Outlines werden mit quadra­tischen Bézier Splines beschrieben, Post­Script-basierte Formate benutzen dagegen kubische Bézier­kurven. Aufgrund dieser grund­le­genden Unter­schiede kann Post­Script nicht eins-zu-eins in TrueType konvertiert werden. Obwohl die Konver­tie­rungs­fehler minimal sind, ist es natürlich besser, das Pfad­format bei der Konver­tierung nicht zu ändern. Außerdem kann es zu deutlich sichtbaren Problemen beim Hinting (Bild­schirm­dar­stellung) kommen oder das Kerning kann bei der Konver­tierung verloren gehen. Eine OpenType-Datei kann sowohl TrueType- als auch Post­Script-Outlines enthalten, entsprechend haben OpenType-Fonts entweder die Datei­endung OTF oder TTF (hier kommt es oft zu Verwechs­lungen: als TTF-Fonts werden sowohl alte TrueType-Fonts als auch OpenType-Fonts bezeichnet). Ein alter Mac/PC Post­Script Type 1-Font kann verlustfrei in »OpenType CFF« konvertiert werden, ein alter Mac/PC TTF-Font in »OpenType TTF«.

Eine solche Konver­tierung kann mit jedem profes­si­o­nellen Font-Editor (Glyphs, Fontlab, RoboFont, FontForge) durch­geführt werden. Es gibt aber auch Weban­wen­dungen und spezielle Hilfs­pro­gramme (TransType 4, FontX­Change).

5. Ersetzen

Noch ein paar Tipps aus der typo­gra­fischen Praxis: Wenn Sie in Ihren Dokument- und Vorla­gen­dateien eine neue Schrift verwenden (die gleiche als OTF oder eine andere), über­prüfen Sie nach dem Ersetzen unbedingt den gesamten betroffenen Text – selbst wenn die neue Schrift den gleichen Namen trägt. Beispielsweise können beim Ersetzen einer Schrift einzelne Glyphen oder das Kerning verändert worden sein. Dadurch können sich Silben­tren­nungen ändern oder es kann sogar Über­satztext entstehen. Manchmal unter­scheidet sich auch die Position der Buch­staben innerhalb eines Text­rahmens von der vorherigen Version. Wenn Sie ein PDF der alten Datei haben, ist der Vorher-Nachher-Vergleich viel­leicht etwas einfacher.

Zum Schluss speichern Sie Ihr Projekt unter einem neuen Namen ab. Auf diese Weise geht die Origi­naldatei nicht verloren und Sie können später bei Problemen darauf zurück­greifen.

Fazit

Werden Sie jetzt aktiv: Finden Sie Ihre Post­Script-Type-1-Schriftarten und Dokumente, die solche Schriften verwenden. Welche dieser Dokumente benötigen Sie später evtl. noch einmal? Sichern Sie diese Dokumente als Druck-PDFs und Recher­chieren Sie alter­native Open-Type-Schriften für eine Aktu­a­li­sierung. Sprechen Sie recht­zeitig mit Ihren Auftrag­gebern über diese Problematik und schlagen Sie Lösungen vor.

Vielen Dank für den fachlichen Input zu diesem Beitrag an unsere Font-Experten Oliver Linke und Kai Büschl sowie an Michael Lange für das Lektorat.

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