Schriftstudium in Deutschland
Hermann Delitsch baute ab 1903 in Leipzig die Schriftlehre auf, wobei er auf Anregungen von Edward Johnstone und Rudolf von Larisch zurückgriff. Walter Tiemann gehörte seit 1907 zum Lehrkörper. Gleichzeitig dominierte er zusammen mit Georg Belwe über viele Jahre die Schriftgestaltung. Ab 1921 war Schriftkunst Pflichtfach für alle Studierenden.
In der frühen DDR konnte Albert Kapr, geprägt von F. H. Ernst Schneidler, trotz aller ideologischen Probleme eine hervorragende typografische Ausbildung aufbauen. Mit dem 1955 gegründeten Institut für Buchgestaltung verfügte er über ein wesentliches Instrument zur Entwicklung von Schriften. Seine auch in der Bundesrepublik viel beachteten Bücher vermittelten den Eindruck, die DDR sei ein Hort der Buchqualität.
Die vereinfachte Schulausgangsschrift wurde von einer Studentin in der Klasse von Hildegard Korger entwickelt. Das Hauptaugenmerk lag aber auf dem Erbe der klassischen Schriftkunst, was Kapr mit seiner Faust-Antiqua (Abb.) vorantrieb. Da ein ehemaliger Stempelschneider der Typoart Leipzig an der Hochschule mitarbeitete, war der (mühsame) Weg zu praxistauglichen Schriftentwürfen möglich.
Die international ausgerichtete Arbeit von Kapr hat der Hochschule sicher gut getan. Die Assistenten beteiligten sich stark an der Lehre (Volker Küster, Hildegard Korger).
In den achtziger Jahren konzentrierte sich das Institut für Buchgestaltung unter der Leitung von Gert Wunderlich zunehmend auf die Buchtypografie und auch auf die Bibliophilie.
Nach der Wende kam es ab 1990 zu einer Neuorientierung und 2005 konnte mit Fred Smeijers ein niederländischer Schriftgestalter gewonnen werden, der sich den Anforderungen der digitalen Schriftkultur stellt. Neben Reading und Den Haag gibt es also auch in Deutschland einen Ort, an dem man einen Schwerpunkt auf die Schriftgestaltung legen kann.
Der Textteil des in Deutsch und Englisch verfassten Buches ist typografisch hervorragend gestaltet. Die Reproduktion der authentischen Schriftblätter aus dem Archiv ist ausgezeichnet.
Eine ausführliche Buchbeschreibung von Florian Hardwig war ursprünglich auf MyFonts.de zu finden (http://www.myfonts.de/2010/10/ein-jahrhundert-schrift-und-schriftunterricht-in-leipzig/) – diese Seite wurde inzwischen leider gelöscht.
Julia Blume, Fred Smeijers
Ein Jahrhundert Schrift und Schriftunterricht in Leipzig
280 Seiten
davon 175 seitiger Bildteil
240 × 324 mm
Institut für Buchkunst
Leipzig 2010
ISBN 978–3–932865–57–2
39,50 Euro
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