typographische
zitate
Gestaltung, die allen gut gefällt, ist wirkungslos.
Jochen Rädeker, tgm-Vortrag am 14.2.2012

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Buchbesprechung

Schriftstudium in Deutschland

Rudolf Paulus Gorbach
13. Dezember 2011
Für die Geschichte des Blei­satzes im 20. Jahr­hundert ist Leipzig mit seinen engen Verbin­dungen zum graphischen Gewerbe, zu Schrift­gie­ßereien und Buch­verlagen von zentraler Bedeutung.

Hermann Delitsch baute ab 1903 in Leipzig die Schriftlehre auf, wobei er auf Anre­gungen von Edward Johnstone und Rudolf von Larisch zurückgriff. Walter Tiemann gehörte seit 1907 zum Lehr­körper. Gleich­zeitig domi­nierte er zusammen mit Georg Belwe über viele Jahre die Schrift­ge­staltung. Ab 1921 war Schriftkunst Pflichtfach für alle Studie­renden.

Belwe-Antiqua, 1915
Belwe-Antiqua, 1915

In der frühen DDR konnte Albert Kapr, geprägt von F. H. Ernst Schneidler, trotz aller ideo­lo­gischen Probleme eine hervor­ragende typo­gra­fische Ausbildung aufbauen. Mit dem 1955 gegründeten Institut für Buch­ge­staltung verfügte er über ein wesent­liches Instrument zur Entwicklung von Schriften. Seine auch in der Bundes­re­publik viel beachteten Bücher vermit­telten den Eindruck, die DDR sei ein Hort der Buch­qualität.

Anwendung der Faust Antiqua von Albert Kapr in der Verfassung der DDR, 1968
Anwendung der Faust Antiqua von Albert Kapr in der Verfassung der DDR, 1968

Die verein­fachte Schul­aus­gangs­schrift wurde von einer Studentin in der Klasse von Hildegard Korger entwickelt. Das Haupt­au­genmerk lag aber auf dem Erbe der klas­sischen Schriftkunst, was Kapr mit seiner Faust-Antiqua (Abb.) vorantrieb. Da ein ehemaliger Stem­pel­schneider der Typoart Leipzig an der Hoch­schule mita­r­beitete, war der (mühsame) Weg zu praxi­s­taug­lichen Schrift­ent­würfen möglich.

Die inter­na­tional ausge­richtete Arbeit von Kapr hat der Hoch­schule sicher gut getan. Die Assis­tenten betei­ligten sich stark an der Lehre (Volker Küster, Hildegard Korger).

Umschlag: Schrift zeichnen … von Karl Heiz Lange, 1989
Umschlag zu Karl Heiz Lange: Schrift zeichnen … von 1989

In den achtziger Jahren konzen­trierte sich das Institut für Buch­ge­staltung unter der Leitung von Gert Wunderlich zunehmend auf die Buch­ty­po­grafie und auch auf die Biblio­philie.

Nach der Wende kam es ab 1990 zu einer Neuori­en­tierung und 2005 konnte mit Fred Smeijers ein nieder­län­discher Schrift­ge­stalter gewonnen werden, der sich den Anfor­de­rungen der digitalen Schrift­kultur stellt. Neben Reading und Den Haag gibt es also auch in Deut­schland einen Ort, an dem man einen Schwerpunkt auf die Schrift­ge­staltung legen kann.

Maxima von Gerd Wunderlich, ursprünglich 1974
Maxima von Gerd Wunderlich, ursprünglich 1974
Sansa von Fred Smeijers, 2003
Sansa von Fred Smeijers, 2003

Der Textteil des in Deutsch und Englisch verfassten Buches ist typo­grafisch hervor­ragend gestaltet. Die Repro­duktion der authen­tischen Schrift­blätter aus dem Archiv ist ausge­zeichnet.

Eine ausführliche Buch­be­schreibung von Florian Hardwig war ursprünglich auf MyFonts.de zu finden (http://www.myfonts.de/2010/10/ein-jahr­hundert-schrift-und-schrift­un­terricht-in-leipzig/) – diese Seite wurde inzwischen leider gelöscht.

Julia Blume, Fred Smeijers
Ein Jahr­hundert Schrift und Schrift­un­terricht in Leipzig
280 Seiten
davon 175 seitiger Bildteil
240 × 324 mm
Institut für Buchkunst
Leipzig 2010
ISBN 978–3–932865–57–2
39,50 Euro

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