typographische
zitate
Sprache wird durch Schrift erst schön.
Erik Spiekermann

Typographische
Gesellschaft
München e. V.

Goethe­straße 28 Rgb.
80336 München

info@tgm-online.de
089.7 14 73 33

Buchbesprechung

Schriftstudium in Deutschland

Rudolf Paulus Gorbach
13. Dezember 2011
Für die Geschichte des Blei­satzes im 20. Jahr­hundert ist Leipzig mit seinen engen Verbin­dungen zum graphischen Gewerbe, zu Schrift­gie­ßereien und Buch­verlagen von zentraler Bedeutung.

Hermann Delitsch baute ab 1903 in Leipzig die Schriftlehre auf, wobei er auf Anre­gungen von Edward Johnstone und Rudolf von Larisch zurückgriff. Walter Tiemann gehörte seit 1907 zum Lehr­körper. Gleich­zeitig domi­nierte er zusammen mit Georg Belwe über viele Jahre die Schrift­ge­staltung. Ab 1921 war Schriftkunst Pflichtfach für alle Studie­renden.

Belwe-Antiqua, 1915
Belwe-Antiqua, 1915

In der frühen DDR konnte Albert Kapr, geprägt von F. H. Ernst Schneidler, trotz aller ideo­lo­gischen Probleme eine hervor­ragende typo­gra­fische Ausbildung aufbauen. Mit dem 1955 gegründeten Institut für Buch­ge­staltung verfügte er über ein wesent­liches Instrument zur Entwicklung von Schriften. Seine auch in der Bundes­re­publik viel beachteten Bücher vermit­telten den Eindruck, die DDR sei ein Hort der Buch­qualität.

Anwendung der Faust Antiqua von Albert Kapr in der Verfassung der DDR, 1968
Anwendung der Faust Antiqua von Albert Kapr in der Verfassung der DDR, 1968

Die verein­fachte Schul­aus­gangs­schrift wurde von einer Studentin in der Klasse von Hildegard Korger entwickelt. Das Haupt­au­genmerk lag aber auf dem Erbe der klas­sischen Schriftkunst, was Kapr mit seiner Faust-Antiqua (Abb.) vorantrieb. Da ein ehemaliger Stem­pel­schneider der Typoart Leipzig an der Hoch­schule mita­r­beitete, war der (mühsame) Weg zu praxi­s­taug­lichen Schrift­ent­würfen möglich.

Die inter­na­tional ausge­richtete Arbeit von Kapr hat der Hoch­schule sicher gut getan. Die Assis­tenten betei­ligten sich stark an der Lehre (Volker Küster, Hildegard Korger).

Umschlag: Schrift zeichnen … von Karl Heiz Lange, 1989
Umschlag zu Karl Heiz Lange: Schrift zeichnen … von 1989

In den achtziger Jahren konzen­trierte sich das Institut für Buch­ge­staltung unter der Leitung von Gert Wunderlich zunehmend auf die Buch­ty­po­grafie und auch auf die Biblio­philie.

Nach der Wende kam es ab 1990 zu einer Neuori­en­tierung und 2005 konnte mit Fred Smeijers ein nieder­län­discher Schrift­ge­stalter gewonnen werden, der sich den Anfor­de­rungen der digitalen Schrift­kultur stellt. Neben Reading und Den Haag gibt es also auch in Deut­schland einen Ort, an dem man einen Schwerpunkt auf die Schrift­ge­staltung legen kann.

Maxima von Gerd Wunderlich, ursprünglich 1974
Maxima von Gerd Wunderlich, ursprünglich 1974
Sansa von Fred Smeijers, 2003
Sansa von Fred Smeijers, 2003

Der Textteil des in Deutsch und Englisch verfassten Buches ist typo­grafisch hervor­ragend gestaltet. Die Repro­duktion der authen­tischen Schrift­blätter aus dem Archiv ist ausge­zeichnet.

Eine ausführliche Buch­be­schreibung von Florian Hardwig war ursprünglich auf MyFonts.de zu finden (http://www.myfonts.de/2010/10/ein-jahr­hundert-schrift-und-schrift­un­terricht-in-leipzig/) – diese Seite wurde inzwischen leider gelöscht.

Julia Blume, Fred Smeijers
Ein Jahr­hundert Schrift und Schrift­un­terricht in Leipzig
280 Seiten
davon 175 seitiger Bildteil
240 × 324 mm
Institut für Buchkunst
Leipzig 2010
ISBN 978–3–932865–57–2
39,50 Euro

Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten

Buchbesprechung

Schrift­ge­staltung in Zürich

Rudolf Paulus Gorbach

Warum gestaltet jemand eine neue Schrift, wo es doch unzählige gibt, vor allem neue? Zum Brot­erwerb dient es eher selten. Aber das Entwickeln und Gestalten einer neuen, eigenen Schrift bietet dem Schrift­ge­stalter inter­essante und viel­fältige Erfah­rungen. Rudolf Barmettler von der Zürcher Hoch­schule für Gestaltung berichtet aus seiner umfang­reichen Erfahrung über die Ausbildung von Schrift­ge­staltern und über Aspekte rund um das Thema.

Event

Über das »Neue« in Schrift­­ge­staltung und Typo­­­grafie

Silvia Werfel

Die 23. Typotage waren wie alle ihre Vorgän­ge­rinnen ausgebucht. Ein Zeichen dafür, wie gut solche Infor­mations- und Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tungen ankommen. Zudem ist der äußere Rahmen großartig, nämlich in einem sehr lebendigen Museum für Druckkunst.

Museum für Druckkunst in Leipzig
Branche

Post­Script-Type 1 ist am Ende, was nun?

Michael Bundscherer

Wer mit InDesign arbeitet, bekommt seit einigen Monaten einen blauen Hinweis angezeigt: »Adobe stellt Anfang 2023 die Unter­stützung für Type-1-Schriften ein«. Obwohl diese Schriften im System installiert sind, werden sie dann im Schrif­tenmenü nicht mehr angezeigt.

The End of PostScript Type 1
Branche

Das Ende einer Offizin

Michael Bundscherer

Nach dem Tod des Inhabers Schu­ma­cher­Gebler wurde die renom­mierte Offizin Haag-Drugulin (OHD) geschlossen. Die hoch spezi­a­li­sierten Mita­r­beiter konnten leider nicht weiter­be­schäftigt werden.

Buchbesprechung

Wie die DDR erschien

Rudolf Paulus Gorbach

Das visuelle Bild, das die DDR abgab, wie sie »erschien«, ist Thema eines ausführ­lichen Sach­buches. Den Autor, Andreas Koop, kennt man bereits durch seine Bücher über das CI des Nati­o­nal­so­zi­a­lismus oder über »Schrift und Macht« als ange­wandte Desi­gnfor­schung.

Buchbesprechung

Nachwuchs, Studium und Wert der Typo­grafie

Rudolf Paulus Gorbach

Die Welt der Typo­grafie aus der Sicht junger Designer. Projekte und Interviews mit Studenten und Professoren geben einen tiefen Einblick, wie sich Typo­grafie in der modernen Desi­gnaus­bildung entwickelt und darstellt.