Nachwuchs, Studium und Wert der Typografie
Doch eigentlich geht es um den typografischen Nachwuchs und darum, wie Studierende mit Typografie umgehen. Und das wird anhand von Projekten aus den Kapiteln Schrift, Editorial und Experiment aus Ausbildung und Studium der letzten fünf Jahre gezeigt. Für Studierende sind neben den gezeigten, durchaus interessanten Arbeiten vor allem die Kurzinterviews mit den gestaltenden Studierenden spannend und informativ. Gefragt wird nach dem jeweiligen Erwachen des Interesses, nach Typografie als Gestaltungselement, nach der Lieblingsschrift, nach der eigenen Zufriedenheit im Bereich Typografie und nach der Zufriedenheit mit der Hochschule, an der die Studierenden eingeschrieben sind. Insgesamt handelt es sich um sehr engagierte junge Typografen, deren Einstieg in die Praxis Gutes erwarten lässt.
Ein Sonderteil enthält Interviews mit zehn Typografie-Professorinnen und -Professoren. Einige Zitate daraus:
- »In Deutschland hingegen [im Gegensatz zu den Niederlanden] wird ein Kommunikationsdesigner als Dienstleister wahrgenommen, der sich den ökonomischen Erfordernissen unterzuordnen hat. Das ist ziemlich engstirnig und entbehrt jeglichen Esprits und jeglicher Fantasie.«
Heike Grein, Hamburg - »Die Studierenden sollten heute nicht nur alles wissen, sie müssen es auch anwenden können«. Nora Gummert-Hauser, Krefeld.Meinem Lehrer Volker Küster »ist es gelungen, mir eine bestimmte Sichtweise nahezubringen, nämlich dass alles inhaltlich verankert ist und Design-Entscheidungen begründbar sein müssen.«
Jürgen Huber, Berlin - »Wichtig dabei ist zudem, irgendwann ähnliche Schriften anhand ihrer Unterschiede auseinander halten zu können …«
Christian Hanke, Berlin - »Was typografische Fehler oder Satzfehler betrifft, bin ich auch absolut fehlerintolerant und sehr streng.«
Indra Kupferschmid, Saarbrücken - »Ich versuche, Typografie als wichtigen Bestandteil der Allgemeinbildung zu vermitteln, nicht nur als undurchschaubares Fachwissen für Korinthenkacker.«
Jan Rutherford - [Schlechte Typografie] »drückt auch eine gewisse Missachtung der Texte aus. Seltsam, dass die belanglose oder eben einfach nur ungestaltete Typografie einen immer breiteren Raum einnimmt, obwohl es viele ausgefeilte Werkzeuge gibt …«
Bettina Müller, Potsdam - »Daher halte ich es für grundsätzlich gleichgültig, an welcher Stelle man einsteigt; [in die Typografie] wesentlich sind Neugier und Offenheit – über den Studienabschluss hinaus.«
Ulrike Stoltz, Braunschweig - »Der Computer ist kein Zaubergerät. Deshalb ergibt es mehr Sinn, zunächst Gelassenheit in den Werkstätten zu üben, sich mit dem Material vertraut zu machen, und dann die Idee zu digitalisieren«. Rayan Abdullah, Leipzig.
- »Typografie ist kein Nebenfach – es ist ein Gebiet, das alle möglichen Arten von Projekten und Aufgaben begleitet. Letztlich ist die Typografie dafür da, den Leser zu bedienen.«
Dan Reynolds
Nadine Roßa, Andrea Schmidt, Patrick Marc Sommer (Hrsg.):
Typoversity
240 Seiten
Norman Beckmann Verlag, Hamburg 2011
24,90 Euro
ISBN 978–3–939028–25–3
Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten
Schriftgestaltung in Zürich
Warum gestaltet jemand eine neue Schrift, wo es doch unzählige gibt, vor allem neue? Zum Broterwerb dient es eher selten. Aber das Entwickeln und Gestalten einer neuen, eigenen Schrift bietet dem Schriftgestalter interessante und vielfältige Erfahrungen. Rudolf Barmettler von der Zürcher Hochschule für Gestaltung berichtet aus seiner umfangreichen Erfahrung über die Ausbildung von Schriftgestaltern und über Aspekte rund um das Thema.
»Lesbar« in Dortmund
Lesbarkeit – vor allem im Bereich der Wissensvermittlung und der didaktischen Typografie – zeigt bisweilen Mängel. Das Spektrum reicht von der Schrift bis zur Typografie. Um diese Mängel zu benennen und die Qualität als Ganzes zu fördern, hat sich eine Initiative gebildet: die Gruppe »Lesbar, Typografie für die Wissensvermittlung«.
Experimentelle Typografie heute
Typografische Experimente sind für Gestalterinnen und Gestalter sehr reizvoll. Denn dabei verlässt man oft die Funktionen der Typografie und nähert sich sogar der Kunst. Die Frage ist: Wann oder wo beginnt Gestaltung als Experiment? Wo verlässt es die eigentliche Typografie? Und inwiefern kann sie für eine zeitgemäße Designforschung von Nutzen sein?