Erinnerung an ESG – Meister und Hüter der Druckkunst
Nach seiner Ausbildung zum Drucker und dem Studium an der Hochschule für Grafisches Gewerbe München übernahm ESG Anfang der 1960er-Jahre von seiner Mutter die Druckerei. Diese erweiterte er in den folgenden Jahren durch eine gut ausgestattete Layoutsetzerei.
Schon damals galt sein Interesse den Buchstaben. Eine neue Schrift war für Druckereien seinerseits eine teure Anschaffung. Damit Grafiker dennoch ermutigt werden, die vielfältigen Schriften der Berthold-Bibliothek zu verwenden, gab es in jeder großen Stadt eine Layoutsetzerei, welche alle beworbenen Schriftarten zur Verfügung hatte. Das Typostudio SchumacherGebler war eine dieser Setzereien. Mit Linotype gab es später eine ähnliche Vereinbarung (weshalb unter anderem 1988 das Linotype-Schriftmusterbuch auch in kleinerer Auflage mit einem SchumacherGebler-Umschlag produziert wurde). Dadurch hatte SchumacherGebler nicht nur die schönsten Schriftarten bei sich direkt vor Ort, auch wirtschaftlich erwies sich dieser Schachzug für seine Layoutsetzerei als positiv. Schnell war das Typostudio SchumacherGebler eines der renommiertesten deutschen Setzereien.
Die Qualität eines Druckstücks wird aber nicht alleine durch die Gestalt der verwendeten Lettern bestimmt. Auch die dahinterstehende Technik war wichtig. Die meisten großen Hersteller hatten jedoch geschlossene Systeme – die Schriften wurden für die eigenen Druck- und Satzsysteme hergestellt, Plattformkompatibilität war nicht erwünscht. So hatte Berthold (unter anderem dank Günter Gerhard Lange) im Fotosatz zunächst die besseren Schriften, Linotype jedoch die besseren Belichter. Ideal wäre es gewesen, wenn man die Vorteile beider Welten vereinen könnte. Um Möglichkeiten hierzu zu erkunden, gründete sich die PentaCom-Gruppe (Alster-Lichtsatz, TypoSatz Bauer, Repro-Satz Georg Dürmeyer, Englersatz, Hesz Satz Repro, von Oertzen, SchumacherGebler und Typopress Zürich), was von Berthold und Linotype recht kritisch beäugt wurde.
Seine große Liebe jedoch war das Monotype-System – verständlich, wenn man eine komplexe mechanische Monotype Setz- und Gießmaschine in Aktion sieht. ESG wurde von einigen daher auch »Mister Monotype« genannt. Überhaupt waren die historischen Lettern aus Blei seine Passion. Aus dem Stegreif konnte er mehrstündige Vorträge halten, etwa zum Wettstreit zwischen Giambattista Bodoni und Firmin Didot und deren Einfluss auf die Entstehung klassizistischer Druckschriften in Deutschland oder zu den Vorzüge verschiedener Fraktur-Schriften, etwa der Walbaum-Fraktur oder der Zentenar Fraktur. Man hatte den Eindruck, ESG kenne schlicht alle Schriften. Auf seiner Suche nach Original-Lettern fand er immer wieder neue Schätze, die er unter anderem in seiner seit 1974 jährlich erscheinenden Buchreihe »Bibliothek SG« zeigte (Werke klassischer Autoren, gesetzt im Monotype-Bleisatz mit zum Thema passender Schrift, im Buchdruck gedruckt, ergänzt um eine ausführliche Besprechung der jeweiligen Schrift von ESG).
Nach der Wende erwarb SchumacherGebler von der Treuhand die Leipziger Druckerei Offizin Haag-Drugulin (Teil des VEB Druckerei Anderson Nexö). Die vielen von ESG gesammelten historischen Setz- und Druckmaschinen waren das Fundament für das von ihm 1994 am ehemaligen Standort der Druckerei in der Leipziger Nonnenstraße gegründete Museum für Druckkunst. Nach seinem Ausscheiden in Leipzig folgte der Umzug der Offizin Haag-Drugulin als Sammlung und Betrieb nach Dresden. Der von ESG erworbene Bestand der VEB Typoart war 2013 der Grundstock für den Verein für die Schwarze Kunst. Ebenfalls 2013 wurde Eckehart SchumacherGebler als Honorarprofessor für Druckkunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar berufen.
Auch in der Typographischen Gesellschaft München engagierte sich Eckehart SchumacherGebler sehr nachhaltig. In seiner Druckerei und/oder Setzerei entstanden einige der schönsten Druckstücke des Vereins (Johannes Tzschichhold – Iwan Tschichold – Jan Tschichold von 1976, Hermann Virl von 1980, Buchillustration – heute von 1984, Wie man liest von 1984, Schnurriges von 1987, Festvortrag: Zum 100jährigen Bestehen der Typographischen Gesellschaft München von 1990 und Programm-Bücher sowie Einladungen der tgm). Auch als fachkundiger Redner brillierte SchumacherGebler.
Es versteht sich von selbst, dass ESG (spätestens) am 14. April 2019 die Ehrenmitgliedschaft der Typographischen Gesellschaft München e.V. verliehen bekommen musste.
Wir sind dankbar für alles, was er für uns und unsere Branche getan hat und werden ihn sehr vermissen. Eckehart SchumacherGebler ist am 17. Dezember 2022 im Alter von 88 Jahren verstorben.
Vielen Dank an Gerd Fleischmann für die Redigierung dieses Textes.
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