Wie um 1500 Details der Buchtypografie entstanden
Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit der Detailtypografie um 1500. Es dauerte wohl ein Jahrhundert, bis satztechnische Möglichkeiten einigermaßen gereift waren.
Zunächst wurden Handschriften kopiert, wie sie auf den Seiten geschrieben waren. Doch immer mehr Details, die aus der Lesefunktion kamen, wurden ausgedacht und eingesetzt. Aus den Handschriften wurde zunächst das Rubrizieren übernommen. Initialen dienten nicht nur als Anfangssignal, sondern lockerten Seiten auf und machten Texte übersichtlicher. Bald schon werden Hervorhebungen und unterschiedliche Schriftgrößen (im Buch Typenwechsel genannt) zur Akzentuierung benutzt. Die Art der Zeilenabstände, also dort, wo der Weißraum bereits wirksam für die Lesbarkeit ist, sowie die Herausbildung von Absätzen im Text, immer deutlicher werdende Überschriften und eine immer strukturiertere Seite sowie die Bedeutung der Doppelseite – für die Entwicklung der Buchgestaltung sind das sehr deutliche und ursächlich prägende Schritte. Besonders spannend sind Seiten, auf denen verschiedene Textebenen vorkommen, was schon um 1500 stattfand. Im Buch wird von einer Mehrstimmigkeit der Seiten gesprochen.
Im zweiten Teil des Buches findet man sehr interessante Beiträge über den frühen Buchdruck in Leipzig oder über die Medienlandschaft dieser Zeit. Zur Lesbarkeit wird die Geburt des modernen Buches als neues Denksystem bezeichnet oder es wird beschrieben, wie Bücher über das Suchsystem Index gelesen werden können.
Jedoch ist zur grafischen Gestaltung des Buches zu bemerken: Das große Format erlaubt eine wunderbare Darstellung der abgebildeten Buchseiten. Diese stehen dann sortiert gut zu betrachten auf verschiedenen farbigen Papieren, deren Farben etwas fremd zum Thema wirken. Der Raster der Seiten und damit die generelle Gestaltung wäre großzügig und angenehm. Allerdings ist die magere serifenlose Textschrift für eine gute Lesbarkeit zu dünn. Die Schriftwahl für eine Darstellung von Büchern um 1500 war wohl ziemlich unbedacht. Warum wurde das Thema des Buches hier missachtet?
Und vielleicht wurde zu sehr an das Verhältnis der Kontraste zwischen der Basisschrift und den Paratexten gedacht. Hier lenken die viel kräftigeren Fußnoten vom Lesen deutlich ab. Das Buch sieht wirklich schlimm von außen aus. Ohne die geringste Einfühlung oder gar Fantasie steht der Titel brutalisiert. Dann wird das Ganze noch in einen Folienumschlag verpackt. Sollen Bücherliebhaber abgeschreckt werden? Wirklich grausig.
Das Buch erschien zur gleichnamigen Ausstellung in Leipzig 2016/17.
Textkünste
Buchrevolution um 1500
224 Seiten, 120 Abbildungen
Format: 21,5 × 32,5 cm
Gebunden
Verlag Philipp von Zabern / WBG, Darmstadt 2016
Preis für die 2. Auflage 2017 (ohne Kunststoffumschlag): 29,95 Euro
(für WBG-Mitglieder: 24,95 Euro)
ISBN 978–3–8053–5027–3
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