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Buchbesprechung

Renaissance als wunderbare Erinnerung

Rudolf Paulus Gorbach
8. Januar 2021
Für Typo­grafen und Gestalter ist der Begriff »Renaissance« besetzt mit Erin­ne­rungen oder Wissen an die Renaissance-Antiqua, an den Beginn des Buch­drucks und der Medien, an Propor­ti­ons­ge­schichte oder Taschenbuch. Vor allem aber war es ein Aufbruch, der ein neues Epochenbild hervor­brachte. Mit freiem Denken entstanden neue Horizonte – eine einzig­artige Epoche.

Das Buch von Tobias Roth, ein Foliant, liegt vor mir. Und aufgrund der Dimen­sionen und des Gewichts benötigt es einen Tisch. Doch bevor ich zur Buch­ge­staltung komme, möchte ich zunächst auf die Grundsätze des Buches eingehen.

Das Buch wird in der Tages­presse bereits gut besprochen und wird zurecht gelobt. Es handelt sich um Texte wichtiger Autoren der Renaissance aus verschiedenen Bereichen, sortiert nach den Geburts­jahren der Autoren. Und so vermittelt die Text­auswahl von Tobias Roth einen konti­nu­ier­lichen Eindruck, der zuvor kaum zustande kommen konnte. Vor Jahren beschäftigte ich mich mit der Kunst der Renaissance anhand zweier Werke aus dem Wagenbach Verlag (Peter Burke: »Die Renaissance in Italien. Sozi­al­ge­schichte einer Kultur zwischen Tradition und Erfindung« und »Italie­nische Kunst. Eine neue Sicht auf ihre Geschichte«, Wagenbach, Berlin 1984 und 1988). Dabei suchte ich nach Infor­ma­tionen zum Buch dieser Zeit, die auch die Zeit der Inku­nabeln umfasst. Diese finde ich jedoch erst bei Tobias Roth, in einem üppigen Stil. Außerdem hat Roth von allen der hier versam­melten Autoren knappe, aber sehr infor­mative Biografien geschrieben.

Ich blättere natürlich sofort zu Aldo Manuzio, dem ersten Verleger. Die klar erzählte Biografie zeigt Manuzio als einen gut vernetzten Intel­lek­tuellen. Und zum Bekann­tenkreis gehörten auch die aus Deut­schland stam­menden Drucker Pannartz und Sweynheim, die wohl die erste Druckerei in Italien im Kloster Subiaco betrieben hatten. In Venedig waren die ersten Drucker ebenfalls Deutsche, nämlich Johannes und Wendelin aus Speyer. Manuzio kommt nach Venedig und findet dort zahl­reiche Gelehrte und vor allem einzig­artige Biblio­theken. Im Text tauchen u. a. Namen auf wie Pietro Bembo und Erasmus von Rotterdam. Den Verweis auf die ebenfalls im Buch beschriebenen Persön­lich­keiten muss man allerdings über das Register finden. Quer­verweise waren bereits in der Renaissance besser gelöst als hier. Es folgen jeweils eine Auswahl von Origi­nal­texten, die ins Deutsche übersetzt sind. Und fast ausschließlich werden hierzu Buch­seiten der jeweiligen Ausgaben abge­bildet, ein besonderer Fundus. Man kann die Schrift und Typo­grafie zwar gut erkennen. Aber bisweilen wirken die Repro­duk­tionen leider etwas »verschmiert«, ähnlich einer Foto­ko­pier­äs­thetik der 70er-Jahre.

Und jetzt müsste ich ein paar begeisterte Seiten über die Inhalte der einzelnen Renaissance-Autoren schreiben, was nicht zu meiner Kompetenz gehört. Begeistert habe ich mich einge­funden in die Welt von Petrarca, Boccaccio, Albert, Colonna, Aretino, Vasari, um nur einige wenige zu nennen. Das Buch wird mich noch einige Zeit begleiten und beschäftigen. Und das trotz einiger buch­ge­stal­te­rischer Vorbehalte.

Gut gesetzt ist das Buch aus der Schrift Poly­philus und für eine Kursive der Blado. Die passen vorzüglich zum Inhalt, denn sie stammen 1499 von Aldus Manutius und Francesco Griffo in Venedig. 1923 hat die Monotype beide Schriften für den Bleisatz heraus­ge­bracht und darauf basiert letzthin die heutige digitale Version. Das große Buch­format erinnert an Renaissance-Codici. Die Buch­ge­staltung ist zurück­haltend. Die Bücher des Renaissance-Huma­nismus waren, was die typo­gra­fische Gestaltung betrifft, damals schon viel funk­ti­onaler und inter­es­santer. Beim Buch­format entsteht die Frage, warum das Format so groß (220 × 305 mm) sein muss. Ich finde keinen Grund. Für die Hand­habung wäre ein kleineres Format und dann in zwei Bänden ange­nehmer. Zudem in dieser Zeit der Renaissance bereits die Aldinen, nämlich klein­for­matige Lese­bücher erfunden waren. Warum spielen diese Aspekte der Kultur­ge­schichte in der heutigen Buch­ge­staltung keine Rolle? Schade, vor allem bei der über­wäl­ti­genden Fülle der Inhalte.

Tobias Roth
Welt der Renaissance
640 Seiten
220 × 305 mm
Leinen
Verlag Galiani, Berlin 2020
89 Euro
ISBN: 978–3–462–30241–7

Zum Kernthema von Typo­grafen, nämlich der Schrift und der Buch­ty­po­grafie  in der Renaissance darf ich noch auf folgende durchaus ältere Bücher hinweisen:

  • Frantisèk Muzika: Die schöne Schrift. Prag und Hanau 1965. Hier besonders im Band 2 das große Kapitel »Die Latein­schrift der Renaissance und die Renais­sancetypen«.

  • Albert Kapr: Schriftkunst. VEB Verlag der Kunst, Dresden 1971. Das Kapitel »Die Schriften der Renaissance«.

  • Als die Lettern laufen lernten. Medi­en­wandel im 15. Jahr­hundert. Inku­nabeln aus der Baye­rischen Staats­bi­bliothek. Reichert Verlag, Wiesbaden 2009.

  • Ulrich Johannes Schneider (Hrsg): Text­künste. Buch­re­vo­lution um 1500. Philip von Zabern, Darmstadt 2016. Hier wird besonders auf die typo­gra­fischen Details dieser Buchepoche einge­gangen. Siehe auch Besprechung im tgm-Blog vom 3. Dezember 2016.

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