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Gute Typo­grafie ist etwas, was jeder sieht, aber was niemandem auffällt.
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Buchbesprechung

Typografie-Geschichte lebendig: Tschichold, Schweizer und dada

Rudolf Paulus Gorbach
22. November 2016
Von einer Geschichts­ver­dros­senheit ist nichts zu bemerken bei drei Veran­stal­tungen, die sich mit historisch wichtigen typo­gra­fischen Bege­ben­heiten beschäftigen. Tschi­cholds Arbeits­bi­bliothek in St. Gallen, die Rolle der Schweizer Gestalter in Paris ab 1950, der bereits hundert­jährige dada und die Ausstellung von Hand­pres­sen­drucken in Frau­enfeld.
Druckpresse auf der Frauenfelder Buch- und Kunstdruckmesse mit Gerhard Ledergerber, Präsident Förderverein Typorama

Tschichold in St. Gallen
Eine unge­wöhnliche Ausstellung hat Jost Hochuli in St. Gallen zusam­men­ge­stellt, besser gesagt editiert. Ohne Insze­nie­rungstrara sind in 24 Vitrinen Exponate aus Tschi­cholds Arbeits­bi­bliothek, die in der Kantons­bi­bliothek Vadiana St. Gallen liegen, zusam­men­ge­stellt. Man kann sich ganz wunderbar und ohne Störungen in Tschi­cholds typo­gra­fisches Leben vertiefen. Hier finden sich Briefe, hand­schriftliche Kommentare, Teile aus den 204 Faszikeln, in denen Tschichold so viel Inter­es­santes gesammelt hat: Beiträge in Zeitungen und Zeit­schriften, Briefe, Notizen, Foto­grafien, Origi­na­lil­lus­tra­tionen, Rein­zeich­nungen und vieles mehr.  Der Inhalt der Vitrinen ist von Jost Hochuli aufs Sorg­fäl­tigste ausgewählt und beschrieben. Allein die Auswahl der Exponate lässt eine groß­artige (und zeit­in­tensive) Vorbe­reitung erahnen.

Die Ausstellung läuft in St. Gallen bis 26. November 2016, wird anschließend wandern. Fest stehen schon: Museum für Druckkunst Leipzig und Design Center im Muse­ums­quartier Wien. 

Zur Ausstellung erscheint im Wallstein Verlag ein Begleitbuch:

Jost Hochuli
Tschichold in St. Gallen
Jan Tschi­cholds Arbeits­bi­bliothek in der St. Galler Kantons­bi­bliothek Vadiana / Jan Tschi­chold’s reference library in the Vadiana Cantonal Library St. Gallen
Zwei­sprachig deutsch und englisch. Englisch von Charles White­house
Reihe: Ästhetik des Buches (Hg. von Klaus Detjen) – Sonderband
96 Seiten, zahl­reiche farbige Abbil­dungen
Wallstein Verlag, Göt­tingen, 2016
28 €
ISBN: 978–3–8353–1590–7

Les Suisses de Paris
Das Museum für Gestaltung in Zürich hat sich dem Einfluß gewidmet, den ab 1950 Schweizer Gestalter in Paris geprägt hatten. Paris als künst­le­rische Metropole war im Bereich des Designs eher rück­ständig. Die gut ausge­bildeten Gestalter aus der Schweiz über­trugen das, was Schweizer Gestaltung und vor allem Typo­grafie bedeutete, in die fran­zö­sische Metropole. Der Inter­na­tional Style war sehr bald domi­nierend. Adrian Frutiger hat in seiner Zeit, als er bei Deberny & Peignot arbeitete, die Univers entwickelt und heraus­ge­bracht. Und in der Folge zählen hierzu Typo­grafen und Schrift­ent­wickler wie Albert Hollenstein, Albert Boton, André Gürtler, Bruno Pfäffli und später Hans-Jörg Hunziger. Rudi Meyer und Peter Keller  sind in dieser Zeit bereits in der Lehre in Paris tätig.

Berühmt gewordene Arbeiten sind längst im allge­meinen Bewusstsein von Gestaltern vorhanden.  So allein Frutigers Beschrif­tungen der Flughäfen Orly und Charles de Gaulle, sowie der Pariser Metro. Jean Widmer setzt die Schrift Roissy auch für die Beschil­derung der Auto­bahnen ein. Der jüngere Rudi Meyer gestaltet die Karten des Stre­cken­netzes der SNCF.

Große Erschei­nungs­bilder entstanden mit Schweizer Einfluß für das Centre Pompidou, die Biblio­théque nationale de France, Musée d’Orsay und viele andere. Und schließlich sind Arbeiten im Mode­bereich durch Schweizer ganz wesentlich: Sonja Knapp, Jean Widmer, Peter Knapp, wobei sich deren Gestaltung auch auf Zeit­schriften wie Elle und andere bezieht. 

Wer diese Ausstellung, die einen Teil der großen Schweizer Grafi­kepoche zeigt, nicht besuchen kann, sollte wenigstens das hervor­ragend doku­men­tierende Kata­logbuch erwerben:

Les Suisses de Paris – Grafik und Typo­grafie
Museum für Gestaltung (Hg.)
Reihe »Sammeln heisst Forschen«
128 Seiten mit zahl­reichen Abbil­dungen
Museum für Gestaltung, Zürich (Hg.) 2016
23 CHF
ISBN 978–3–907265–08–6

dada ist 100
Dada wurde Hundert und Marc Berger von der Edition Schwa­rzdruck hatte die Idee, seine Kollegen der Pres­sen­drucker zu jeweils einem Blatt anzuregen. Was dabei herauskam ist sehr dada, voller neuer Ideen, die auf den Dada-Arbeiten beruhen. In Frau­enfeld waren die Blätter etwas beengt in der sonst schönen Eisenbeiz (das Restaurant im Eisenwerk) zu sehen.  Auch diese Ausstellung geht auf Tour und wird zunächst in Reim­lingen, Horn (Österreich) und Hamburg zu sehen sein.

Ein Katalog mit sämt­lichen abge­bildeten Blättern ist erschienen und könnte den dada-Inter­es­sierten gefallen (siehe auch Buch­be­spre­chungen im tgm-Blog »Auch dada wird Hundert« 9–2–2016)

Dada ist 100
Typo­grafie, Letterpress & Grafik

72 Seiten, 210 × 210 mm
Broschur
Edition Schwa­rzdruck, Gransee
22 €
ISBN 978–3–935194–77–8

Frau­en­felder Buch- und Kunst­druckmesse
Etwa 50 Pres­sen­drucker, Klein­verlage und Werk­stätten stellten ihre Arbeiten, haupt­sächlich Bücher, aus. »Der Hand­pres­sen­drucker negiert, nicht mit Worten, aber mit Tonnen von Bleisatz, wunderbarem Papier und anderer Hand­arbeit, die neue, ja heutige Zeit«, so Beat Brechbühl, der Initiator der Ausstellung. Ganz so ist es aber nicht, denn des öfteren waren nicht nur der tradi­ti­onelle und hierfür domi­nierende Buchdruck zu sehen sondern auch Offset und sogar Digi­taldruck. Im haupt­säch­lichen Bereich geht es aber um das Setzen und Drucken und fast immer auch um einen Anspruch an Literatur. Sicher ist damit auch eine gewisse hand­werkliche Romantik des Blei-Setzens und des Druckens im Hochdruck verbunden. Wobei es für die Jüngeren oft schwierig wird, an die früheren hand­werk­lichen Qualitäten heran zu kommen. So wird im Buchdruck manchmal gar zu herzhaft mit sehr viel Schat­tierung gedruckt (was eine fach­ge­rechte Zurichtung vermeiden könnte). Doch findet man auch perfekt zuge­richtete Seiten, wo alle Vorzüge des Buch­drucks zur Ge ltung kommen.

Verschiedene Ansätze führen zu ihren Ergeb­nissen. So gibt es ja sogar ein Buchkunst-Studium ganz im künst­le­rischen Sinn bei Professorin Sabine Golde in Halle. Die meisten Pressen sind jedoch die Arbeit von Indi­vi­du­a­listen, die mit ihren haupt­sächlich typo­gra­fischen Inter­pre­ta­tionen präsent  sind. Und da finden sich neben dem sorg­fältigen tradi­ti­o­nellen oder gar biblio­philem Buch auch Arbeiten, die der Avantgarde des 20. Jahr­hunderts gewidmet scheinen oder eben, besonders inter­essant, wo expe­ri­mentiert wird im eigent­lichen Sinn.

Vogelpresse, München
us & us, Offenbach
Romano Hänni, Basel
Xylon, Zürich
schreib mal

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