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Buchbesprechung

Futura: Rückgriff auf die Antike, für die Zukunft gestaltet

Silvia Werfel
5. April 2017
Geburts­tags­ausstellung, Buch, Workshops, Symposium – das Gutenberg-Museum und das Institut Desi­gnlabor Gutenberg der Fach­hoch­schule Mainz haben erneut ein bemer­kens­wertes Koope­ra­ti­ons­projekt realisiert. Diesmal geht es um die Entstehungs- und Verbrei­tungs­ge­schichte der Futura, die 1927 in der Bauerschen Gießerei erschien.

Die Ausstellung im Gutenberg-Museum ist noch bis zum 30. April zu sehen. Das Buch »Futura. Die Schrift« wird länger Bestand haben und sei hier vorge­stellt.

Es ist eine Reise um die Welt, die im Buch – wie auch in der Ausstellung – bildreich nach­ge­zeichnet wird. Sie beginnt in Frankfurt am Main. Oder in München? Im Sommer 1924 besuchten die beiden Verleger Siegfried Buchenau und Jakob Hegner den damals schon bekannten Paul Renner in seinem Atelier in Pasing (1938 nach München einge­meindet). Im Verlauf des Gesprächs regte Hegner Renner an, die „Schrift unserer Zeit“ zu entwickeln. Seine Empfehlung fiel auf fruchtbaren Boden, Renner machte sich sofort an die Arbeit. Nachdem aus der geplanten Zusam­me­n­arbeit mit Hegner nichts geworden war, schickte er einige Zeich­nungen an Georg Hartmann, den damaligen Leiter der Bauerschen Gießerei in Frankfurt am Main. Bereits im Winter 1924/25 lagen die ersten Probe­schnitte der „Ur-Futura“ vor, Ende 1927 erschienen der magere und der halbfette Schnitt. In den folgenden Jahren wurde die Futura-Familie weiter ausgebaut, besonders markant als Futura Black (1929) und als gerundete Titel-Futura (1932).

Die Mither­aus­ge­be­rinnen Petra Eisele und Isabel Naegele gehen auf die Frank­furter Zeit ein und liefern einige neue Details. Renner war 1925 an die Frank­furter Kunst­schule berufen worden und bewegte sich in einem Umfeld, das von Aufbruch­stimmung und Schlag­worten wie Typi­sierung und Sach­lichkeit geprägt war. Unter der Über­schrift „Zwischen Antike und Avantgarde“ beschreibt Naegele die Einflüsse, die in Renners Futura wirksam wurden. So wollte Renner als Kenner der Schrift­ge­schichte nicht „den Zirkel als Werkzeug verherr­lichen“, wie es seiner Meinung nach die Konstruk­ti­visten taten, „sondern die Form aus ihrer Form­ver­wil­derung zu ihren Ursprüngen zurück­führen“, die für ihn in der „klas­sischen römischen Kapi­tal­schrift“ lagen. In ihr sah er „die geist­vollste Verbindung der geome­trischen Grundform mit allen höheren Ansprüchen, die an eine Schrift zu stellen sind“. Die klas­sischen Form­prin­zipien übertrug er konsequent auch auf die Klein­buch­staben – das war unge­wöhnlich und führte zunächst zu allerlei extra­va­ganten, auch unbrauchbaren Formen.

In Zusam­me­n­arbeit mit Heinrich Jost, dem künst­le­rischen Leiter der Bauerschen Gießerei und ehemaligen Schüler Renners, entstanden schließlich Formen, die nach optischen Gesichts­punkten über­a­r­beitet wurden (um rund zu wirken, darf die Punze des O eben nicht mathe­matisch rund sein). So wurde eine auf das Wesentliche redu­zierte Seri­fenlose mit optisch gleichen Strich­stärken zum Inbegriff des Aufbruchs in die Moderne. Die Futura wurde aber nicht nur von avant­gar­distisch gesinnten Gestaltern verwendet, sondern auch von Gebrauchs­gra­fikern der alten Schule.

Die Futura fasste Fuß in Hannover, München, Berlin, Wien, Prag, Paris (wo sie Europe hieß), New York und sogar auf dem Mond. Die Gruß­bot­schaft, die Neil A. Armstrong hier 1969 hinterließ, ist in Futura gesetzt. Auch dieses Kapitel gehört zur Erfolgs­ge­schichte der Futura, die von verschiedenen Seiten beleuchtet wird. Am Ende fügen sich die vielen Puzz­le­steine zu einem großen Bild, das die Entwicklung des Grafik­designs im Europa der 1930er Jahre zeigt, die nach 1945 in den USA ihren Einfluss ausübte.

Schlüssiges Gesamt­konzept

Fünfzehn Auto­rinnen und Autoren haben Texte beige­steuert, neben den Heraus­ge­be­rinnen Annette Ludwig, Petra Eisele und Isabel Naegele unter anderem Chri­s­topher Burke, Steven Heller und Wolfgang Hartmann, der Enkel des ehemaligen Gießerei-Direktors Georg Hartmann. Isabel Naegele hat zusammen mit der Alumna Stephanie Kaplan die Gestaltung des bild­ge­waltigen Buches über­nommen. Ein Farbleit­system kenn­zeichnet die Stationen der Reise, es gibt Einfüh­rungstexte auf farbigem Papier in großer Schrift, Zitat­seiten und Haupttexte in Lesegröße, in zwei­spaltigem, gut durch­schossenem Flat­tersatz. Es zeigt sich, dass die Futura bei entspre­chendem Layout auch für den Werksatz geeignet ist. Das Buch lädt sowohl zum Lesen als auch zum Betrachten ein. Vergleichs­mög­lich­keiten bieten die 48 Seiten auf 70 g Papier mit Mustern der verschiedenen Futura-Schnitte. Der umfang­reiche Anhang enthält unter anderem ein Register und eine bebilderte Chronik von 1867 bis 2015 sowie eine ganze Seite mit Dank­sa­gungen, denn ein solches Projekt ist Team­arbeit, nicht zuletzt stammen die Exponate von Leih­gebern aus aller Welt.

Ein Schwer­gewicht von über 500 Seiten liegt vor. Leicht und elegant dagegen wirken die silber­fo­li­en­ge­prägten Versa­l­zeilen auf dem zart­mint­grünen Einband, der Kopf­schnitt schimmert mond­silbrig. Das stimmige Gesamt­konzept vereint lesenswerte Texte und eine Fülle abwechs­lungs­reichen Bild­ma­terials – insgesamt eine gelungene Hommage an einen Klassiker der Moderne, der außerhalb von Fach­kreisen kaum bekannt sein dürfte.

In einer zweiten Auflage sollten einige Satz­fehler korrigiert werden; auch ist nicht nach­voll­ziehbar, warum im Firmennamen Bauersche Gießerei konsequent ein Doppel-s statt des Eszetts erscheint. Die Firma selbst hat in ihren Anzeigen im Versalsatz das ß stets regel­konform in ein Doppel-s aufgelöst, im Fließtext aber ß gesetzt.

Hrsg. v. Petra Eisele, Annette Ludwig, Isabel Naegele
Futura. Die Schrift
Hermann Schmidt, 2016, Mainz
520 Seiten, viele Abbil­dungen. Faden­ge­hefteter Festeinband mit Foli­en­prägung und silbernem Kopf­schnitt. 17,3 × 24 cm, 50 €

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