typographische
zitate
Typo­grafie dient der Kommu­ni­kation im Dienst einer Aufgabe.
Jan Tschichold

Typographische
Gesellschaft
München e. V.

Goethe­straße 28 Rgb.
80336 München

info@tgm-online.de
089.7 14 73 33

Buchbesprechung

Schrift, die nicht nur Text interpretiert

Rudolf Paulus Gorbach
20. Dezember 2018
Die Faszi­nation und das Geheimnis des Schreibens, das Schreiben von Bildern, als  »Bilder­schreiben« lassen Buch­staben zu Bilder verschmelzen und manchmal sind es nicht einmal Buch­staben. Peter Krüll hat hierzu eine wunder­schöne Sammlung solcher Exponate zusam­men­ge­stellt.

Blätter von bildenden Künstlern, Schrift­stellern, Designern, Gestaltern und Studenten. Die Sammlung folgt keinem thematisch einge­teiltem Konzept. Sie ist aber Abwechs­lungsreich und wenn man sich als Typograf mit diesen Parallelen Bewe­gungen beschäftigt stößt man auf einen enormen Fundus.

Das fängt schon bei PaulKlee an, Joseph Beuys mit einer berühmten Karteikarte, Picasso, John Cage, Robert Walser, Robert Rauschenberg, Adolf Wölffli, Andy Warhol oder Edward Fella. Bei den Gestaltern findet man Blätter von Grapus, Heiz Edelmann, Niklaus Troxler, Fons Hickmann, Strichpunkt, Sagmeister & Walsh, um nur einige zu nennen. Aber viele Blätter von nicht so bekannten Namen sind oft besonders faszi­nierend.

In einer knappen Hinführung zum gesamten Komplex der Sammlung weist Krüll darauf hin, dass Arbeiten seiner Studie­renden dazwischen eingefügt sind (und durchaus berechtigt sind). Zu manchen Blättern gibt es Kommentare oder kurze Geschichten, die das Verständnis vertiefen können.

Im anhän­genden äußerst infor­mativen Essay von Max Ackermann wird der thema­tische Bogen weit gespannt. Über Hand­schrift als Schrift-Bild unter dem Titel »Kann man ja gar nich` lesen». »Schrift, die sich zeigt, statt auf etwas zu verweisen, ist viel­leicht erst einmal unge­wöhnlich. Über das Unle­serliche und über die Schrift, die sich der Lesbarkeit entzieht sind die Kern­themen. Geheim­nisvolle Manu­skripte, wie sie auch in der Literatur vorkommen, oft nicht lesbar, werden erwähnt. Derridas Spuren der Schrift werden ange­rissen und insgesamt wird deutlich, welchen hohen Stel­lenwert Schrift in der Bildenden Kunst hat. Und dabei spielt die Visuelle Poesie – auch im Grenz­bereich zur Musik – eine entspre­chende Rolle. Der Niedergang des mit der Hand schreiben wird beklagt (wobei die Bewegung um Kalli­grafie und Hand-Lettering ja das Gegenteil bestätigen) und das digitale für die Hand­schrift, in dem indi­vi­duelle Hand­schriften als Fonts erzeugt werden, ist ein wichtiges Thema.  Daneben gibt es eine Renaissance der Schrift in der häufigen Gestaltung neuer Fonts durch Designer und schließlich steht die Hand­schrift nach wie vor für Authen­tizität des Schrei­benden. Und die anschließende kommen­tierte Biblio­grafie ist an sich schon ein pracht­voller Fundus.

Noch etwas zur Typo­grafie des Buches. Beim Inhalt des Buches geht es nicht um Lesbarkeit. Für die Typo­grafie des Textes sollte das gelten. Schwierig für die Lesbarkeit sind beispielsweise die in der halb­fetten seri­fenlosen Schrift auftauchend Quel­len­hinweise. Die sind als magere, graue Schrift so stark zurück genommen, das vor jedem Vorkommnis der Atem stockt. Der wunderbare Essay ist aus einer mageren Seri­fenlosen gesetzt, auf grauem Fond, was das Kontrast­ver­halten etwas reduziert. Der Blocksatz mit den unter­schied­lichen Wortab­ständen hielt hier eher dagegen mit. Leer­zeilen statt Absätzen (mit Einzügen) machen das fort­laufende Lesen etwas zerrissen. Klei­nig­keiten viel­leicht, die den guten Druck der Bilder nicht schmälern.

Peter Krüll
Bilder­schreiben
Chal­lenging Calli­graphy

Mit einem Essay von Max Ackermann
224 Seiten
Über 150 Abbil­dungen
Maro Verlag, Augsburg 2018
ISBN 978–3–87512–418–7
28 Euro

Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten

Buchbesprechung

Lust am (Schön)Schreiben

Rudolf Paulus Gorbach

Hand­let­tering ist eher entfernt mit Typo­grafie verwandt. Die Typo­grafie arbeitet mit möglichst fein ausge­ar­beiteten Schriften. Dabei spielt die Lesbarkeit eine heraus­ragende Rolle. Während die Kalli­grafie manchmal die Entwicklung von Druck­schriften unter­stützt, macht das Hand­let­tering etwas ganz anderes. Hand­let­tering steht für sich selbst, zeichnet Buch­staben relativ frei.

Buchbesprechung

Hand to Type

Oliver Linke

Es war nur eine Frage der Zeit, dass nach dem regel­rechten Hype um Hand­schriften und Schreib­schriften in den letzten Jahren endlich ein Buch zu diesem Thema erscheinen würde. Unzählige Schrift­ent­werfer hatten sich dank der Möglich­keiten von OpenType der Aufgabe gestellt, digitale Schriften zu entwickeln, die die Vari­a­bilität der Hand­schrift in sich tragen. Emotion und Mensch­lichkeit statt tech­nischer Kühle und Gleich­för­migkeit.

Branche

Hand­let­tering oder mit der Hand schreiben?

Rudolf Paulus Gorbach

Immer öfter sehen wir es: Hand­let­tering. Es wird geraunt, leise hinzu­gefügt, der Wich­tigkeit und Beson­derheit bewusst, als hätte man es soeben selbst erfunden. Um den Event­cha­rakter etwas abzu­schwächen, wird dann sogar behauptet, es gäbe im Deutschen kein Wort dafür. Wie denn? Mit der Hand schreiben, Schrift oder gar Kalli­graphie? Reicht offen­sichtlich nicht.

Buchbesprechung

Schrift – nicht nur in Print und Screen

Rudolf Paulus Gorbach

Das große Rätselraten beginnt immer dann, wenn Typo­grafen ihr ange­stammtes Gebiet, meist Print oder Screen, verlassen: Wie macht man das denn dort, zum Beispiel auf Stein?

Buchbesprechung

Wandel in der Typo­grafie: Typo­journal 3

Rudolf Paulus Gorbach

Über die Schwie­rig­keiten jeglicher Verän­derung hat das Typo­journal viele lesenswerte Beiträge gesammelt. Die ewige Diskussion um Verfall oder Wandel der Sprache hat Typo­grafen schon immer inter­essiert: Entwicklung statt Verfall?

Buchbesprechung

Ein Buch wird Teil einer Kunst

Rudolf Paulus Gorbach

Biblios­culpture nennt Ingo Gerken eine Serie von Arbeiten, die aufge­schlagene Buch- oder Zeit­schrif­ten­seiten zeigen. Diese werden mit Objekten ergänzt und foto­grafiert und so zu einem neuen Kunstwerk. Das ist aber nur das technisch-orga­ni­sa­to­rische Prinzip.