Schrift, die nicht nur Text interpretiert
Blätter von bildenden Künstlern, Schriftstellern, Designern, Gestaltern und Studenten. Die Sammlung folgt keinem thematisch eingeteiltem Konzept. Sie ist aber Abwechslungsreich und wenn man sich als Typograf mit diesen Parallelen Bewegungen beschäftigt stößt man auf einen enormen Fundus.
Das fängt schon bei PaulKlee an, Joseph Beuys mit einer berühmten Karteikarte, Picasso, John Cage, Robert Walser, Robert Rauschenberg, Adolf Wölffli, Andy Warhol oder Edward Fella. Bei den Gestaltern findet man Blätter von Grapus, Heiz Edelmann, Niklaus Troxler, Fons Hickmann, Strichpunkt, Sagmeister & Walsh, um nur einige zu nennen. Aber viele Blätter von nicht so bekannten Namen sind oft besonders faszinierend.
In einer knappen Hinführung zum gesamten Komplex der Sammlung weist Krüll darauf hin, dass Arbeiten seiner Studierenden dazwischen eingefügt sind (und durchaus berechtigt sind). Zu manchen Blättern gibt es Kommentare oder kurze Geschichten, die das Verständnis vertiefen können.
Im anhängenden äußerst informativen Essay von Max Ackermann wird der thematische Bogen weit gespannt. Über Handschrift als Schrift-Bild unter dem Titel »Kann man ja gar nich` lesen». »Schrift, die sich zeigt, statt auf etwas zu verweisen, ist vielleicht erst einmal ungewöhnlich. Über das Unleserliche und über die Schrift, die sich der Lesbarkeit entzieht sind die Kernthemen. Geheimnisvolle Manuskripte, wie sie auch in der Literatur vorkommen, oft nicht lesbar, werden erwähnt. Derridas Spuren der Schrift werden angerissen und insgesamt wird deutlich, welchen hohen Stellenwert Schrift in der Bildenden Kunst hat. Und dabei spielt die Visuelle Poesie – auch im Grenzbereich zur Musik – eine entsprechende Rolle. Der Niedergang des mit der Hand schreiben wird beklagt (wobei die Bewegung um Kalligrafie und Hand-Lettering ja das Gegenteil bestätigen) und das digitale für die Handschrift, in dem individuelle Handschriften als Fonts erzeugt werden, ist ein wichtiges Thema. Daneben gibt es eine Renaissance der Schrift in der häufigen Gestaltung neuer Fonts durch Designer und schließlich steht die Handschrift nach wie vor für Authentizität des Schreibenden. Und die anschließende kommentierte Bibliografie ist an sich schon ein prachtvoller Fundus.
Noch etwas zur Typografie des Buches. Beim Inhalt des Buches geht es nicht um Lesbarkeit. Für die Typografie des Textes sollte das gelten. Schwierig für die Lesbarkeit sind beispielsweise die in der halbfetten serifenlosen Schrift auftauchend Quellenhinweise. Die sind als magere, graue Schrift so stark zurück genommen, das vor jedem Vorkommnis der Atem stockt. Der wunderbare Essay ist aus einer mageren Serifenlosen gesetzt, auf grauem Fond, was das Kontrastverhalten etwas reduziert. Der Blocksatz mit den unterschiedlichen Wortabständen hielt hier eher dagegen mit. Leerzeilen statt Absätzen (mit Einzügen) machen das fortlaufende Lesen etwas zerrissen. Kleinigkeiten vielleicht, die den guten Druck der Bilder nicht schmälern.
Peter Krüll
Bilderschreiben
Challenging Calligraphy
Mit einem Essay von Max Ackermann
224 Seiten
Über 150 Abbildungen
Maro Verlag, Augsburg 2018
ISBN 978–3–87512–418–7
28 Euro
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