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Die Schrift ist das Bindeglied von Mensch zu Mensch.
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Buchbesprechung

Lust am (Schön)Schreiben

Rudolf Paulus Gorbach
8. August 2016
Hand­let­tering ist eher entfernt mit Typo­grafie verwandt. Die Typo­grafie arbeitet mit möglichst fein ausge­ar­beiteten Schriften. Dabei spielt die Lesbarkeit eine heraus­ragende Rolle. Während die Kalli­grafie manchmal die Entwicklung von Druck­schriften unter­stützt, macht das Hand­let­tering etwas ganz anderes. Hand­let­tering steht für sich selbst, zeichnet Buch­staben relativ frei.

Die gegen­wärtige Popu­larität dieser Kunst ist wohl auch eine Reaktion auf die Compu­te­ri­sierung. Das hat seine Berech­tigung. Trotzdem sehe ich es als anwen­dungs­ori­en­tierte und eher strenge Typo­grafie und weniger als ein Ausleben von Gestal­tungs­kom­petenz.

Über­f­lüssig fand ich Hand­let­tering für ange­wandte Arbeiten, störte mich auch am modischen Begriff. Aber dann sah ich doch immer wieder beein­dru­ckende Arbeiten. In meinem Blog-Beitrag vom 20. Oktober 2015 »Hand­let­tering oder mit der Hand schreiben?« war das bereits Thema. Inzwischen habe ich viele inter­essante und wunderbare Arbeiten gesehen, beispielsweise von Petra Wöhrmann, die das auch in ihren Seminaren unter­richtet. Und so entstand ein Dialog zwischen meiner Skepsis und einer Befür­worterin des Hand­let­tering, der sich um die Sicht auf ein neues Buch »Martina Flor, Lust auf Lettering« erweiterte.

Dieses Buch ist fast voll­ständig »Lettering«. Lediglich die Basistexte sind absichtlich in einer normalen Schrift gesetzt. Aber schon die Zwischentitel sind hand­ge­zeichnet. Und alle Erklä­rungen sind in einem lette­ris­tischen Stil geschrieben.

Martina Flor beginnt mit der Wich­tigkeit des Sehens von Schriften, erklärt und illus­triert die Fach­be­griffe, die Grund­formen der Buch­staben, behandelt den optischen Ausgleich, Abstände und die Strich­stärke sowie den Kontrast. Hier findet man natürlich die verwandten Themen zur Typo­grafie. Sie greift auf die große Mutter der Kalli­grafie zurück und beschreibt die Werkzeuge. Erst dann beginnt das Spiel mit dem Zeichnen von Wörtern. Bei Flor, welche ihr Handwerk hervor­ragend beherrscht, gibt es sogar Anlei­tungen, wie man mit Hand­let­tering selb­ständig arbeiten und Geld verdienen kann. Selt­sa­merweise steht am Schluss Ihres Arbeits­pro­zesses die Digi­ta­li­sierung der eigenen Arbeit, was ja dann doch wieder eine Rückkehr zum oft verschmähten Dienst am Computer ist.

Das erstaunt mich dann doch etwas, trotz des sehr gut konzi­pierten und gestalteten Buches. Wird bei Kunden tatsächlich etwas entschieden, das in seiner Art und Weise nicht sehr viel mit unserer Gesell­schaft zu tun hat, sondern eher eine Nischen­sehnsucht bedient?

Die Reaktion der Schrift­an­bieter blieb natürlich nicht aus. Nie zuvor gab es eine so hohe Anzahl an digi­ta­li­sierten alten und neuen deko­rativen Schriften und es werden monatlich noch mehr.

Über die Autorin schreibt der Verlag: »Martina Flor wird im In- und Ausland für ihre Schrift­kom­po­si­tionen geachtet. In Online- und Offline-Seminaren hat sie ihre Didaktik praxi­serprobt und sogar Gestal­tungs­profis (und Laien) zu Letterern aus Leiden­schaft gemacht. Hier zeigt sie erstmals anschaulich in Buchform, wie aus Worten Kunstwerke werden. Und nimmt Sie mit auf den Weg zur Schulung Ihres typo­gra­fischen Auges bis zur Stilkunde typo­gra­fischer Ausdrucks­formen.« Sind das Kunstwerke?

Petra Wöhrmann ist skeptisch, ob das Ganze nur eine Mode sei, sieht jedoch den starken Anteil von »Selber­machern« bei ihren Seminar­teil­neh­me­rinnen und -teil­nehmern und arbeitet auch mit ausge­bildeten Grafik­de­signern. Ein Argument für Hand­let­tering sei die Zeit, so Petra Wöhrmann: »Alles wird zu schnell. Die sozialen Medien nehmen uns auch noch (Frei-)Zeit weg. Überall soll man sich posi­tio­nieren, liken und rasseln… Facebook, Instagram, Pinterest.« Viele jüngere Leute fühlen sich genötigt, konti­nu­ierlich mitz­u­machen, weil sie sonst etwas verpassen oder nicht präsent sind. Selbst zu schreiben – und am Ende mit Feder – erfordert unglaublich viel Geduld und Zeit. Die Uhr bleibt stehen, fast meditativ nimmt man sich Zeit nur für sich.

Manche Teil­neh­me­rinnen möchten einfach nur schöner schreiben oder etwas für sich selbst tun. Wöhrmann: »Ich habe gemerkt, dass es besonders wichtig ist, nicht nur schöne Formen zu vermitteln, sondern den Teil­nehmern auch Mut zu machen, tatsächlich zu schreiben. Auch wenn es erst einmal ganz krakelig aussieht. Egal – üben und dran­bleiben. Auch wenn die Nachbarin schöner schreibt«.

Nun ist es sicher sinnvoll, eines der Seminare zu besuchen, wie sie Martina Flor anbietet, oder in München Petra Wöhrmann. Das Buch dazu ist auf jeden Fall empfeh­lenswert.

Martina Flor
Lust auf Lettering
Ein praxi­ser­probter Workshop in zehn Schritten
168 Seiten mit unzähligen Abbil­dungen, Tipps und Tricks
Format 21 × 24 cm
Halb­lei­nenband mit farbiger Prägung
Hermann Schmidt Verlag, Mainz 2016
ISBN 978–3–87439–884–8
29,80 €

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