Schönschrift bis Kugelschreiber
Natürlich gab es schon lange Bücher mit Beispielen von Handschriften, oft fachspezifisch zusammengestellt (Liebesbriefe berühmter Frauen und Männer bei Piper, Handschriften bildender Künstler oder Deutsche Gedichte in Handschriften bei Insel schon 1935 erschienen). Bei Taschen ist nun ein Buch über eine bedeutende Autographensammlung erschienen, nämlich die Sammlung von Pedro Corrêa do Lago mit rund 100.000 Exemplaren, die sich in The Morgan Library & Museum New York befindet und 2018 ausgestellt wurde.
Erst begeisterte mich die Schönheit der Handschriften, wobei auch viele Postkarten und signierte Fotos im Buch vorhanden sind. Aber sehr schnell taucht man in die Offenbarung des Charakters der Handschrift ein, was nicht graphologisch gemeint ist. Die Geschichten in den Briefen (dank der Übersetzungen der Brieftexte) werden lebendig, und ich verstehe die Faszination des Sammlers sehr gut. Die Zeit, in der die Briefe geschrieben wurden, wird greifbarer und manche Denkweise oder gar Geheimnisse geben vielleicht Einblick.
Wie wichtig die Schreibgeräte sind, geht aus dem Beitrag von Declan Kiely (neben Christine Nelson einer der beiden Kuratoren der Ausstellung) hervor. Er erzählt, dass am 29. Oktober 1945 das Kaufhaus Gimpelhaft in New York von der Bereitschaftspolizei geschützt werden musste. Was war geschehen? Das Kaufhaus bot zum ersten Mal den neu erfundenen Kugelschreiber zum Verkauf an, und die Menschen strömten in Scharen in das Kaufhaus. Auch der Kugelschreiber gehörte neben Feder, Bleistift und Füller zu den durchaus gesellschaftlichen Schreibgeräten.
Als Vorbild nennt der Sammler Pedro Corrêa do Lago den Schriftsteller und Sammler Stefan Zweig. Die Exponate sind nach Autoren aus Kunst, Geschichte, Literatur, Wissenschaft, Musik, Philosophie, Entdeckung, Eroberung und Unterhaltung geordnet.
Christine Nelson
Zauber der Schrift
Sammlung Pedro Corrêa do Lago
464 Seiten
Leinen
Taschen, Köln 2019
30 Euro
ISBN 978–3–8365–7519–5
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