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Handlettering oder mit der Hand schreiben?

Rudolf Paulus Gorbach
26. Oktober 2015
Immer öfter sehen wir es: Hand­let­tering. Es wird geraunt, leise hinzu­gefügt, der Wich­tigkeit und Beson­derheit bewusst, als hätte man es soeben selbst erfunden. Um den Event­cha­rakter etwas abzu­schwächen, wird dann sogar behauptet, es gäbe im Deutschen kein Wort dafür. Wie denn? Mit der Hand schreiben, Schrift oder gar Kalli­graphie? Reicht offen­sichtlich nicht.

Aber ich will mich nicht darüber lustig machen, denn Schön­schreiben ist wunderbar. Schrift scribblen, Schrift skiz­zieren, Schrift schreiben, Schriften erfinden; Kinder machen das, je unbe­lasteter sie sind, desto wunderbarer. Grafiker haben das früher viel öfter gemacht, Künstler verwenden Schrift im Bild. All das zeugt von einer lebendigen Tradition. In der Anwendung gibt es immer wieder Wellen der Akzeptanz und des Begehrens. So hatte der Grafiker Karl Günter Hassert in Mailand, der sich auf Kalli­grafie spezi­a­lisiert hatte, in den 70er Jahren plötzlich keine Aufträge mehr. Grund dafür waren die neuen Möglich­keiten des Foto­satzes.

Die »neuen« Möglich­keiten des digitalen Satzes führten eher zum Gegenteil: Die Sehnsucht nach dem hand­werk­lichen, dem »Machen« hat wohl einen Boom verstärkt. Und Schrift erlebt man eben selbst viel direkter auf dem Weg Kopf-Hand-Papier statt auf dem hinter­leuchteten Bild­schirm. Das ist auch einer der Gründe, warum die tgm am 19. und 20. März 2016 mit Mike Meyer (USA) den Workshop »Signpainting, A Hand Lettering Workshop« anbietet.

Schrift erleben wir aber elementar schon viel früher, nämlich in der Schule beim Schrei­ben­lernen. Die erste deutsche Beratungs- und Infor­ma­ti­ons­stelle für Links­händer und umge­schulte Links­händer e.V. in München veran­staltete im September eine Fach­tagung zum Thema »Vermittlung der Schrift in der Grund­schule« in Meißen. Diese galt jedoch nicht nur den Links­händern, sondern befasste sich mit der Grund­schrift in der Schule generell. Wie schwierig und gleich­zeitig wie viel Vergnügen für Kinder damit verbunden sein kann, erläuterte Ute Eckert vom Thüringer Institut für Lehrer­fort­bildung. Was es bedeuten kann, einen »Raum zu struk­tu­rieren«, nicht nur die Buch­staben zu »denken«, mit Druck­buch­staben zu beginnen, weil sie so einfach sind, und damit die Verbindung zum verbundenen Schreiben herzu­stellen. Für viele Typo­grafen völlig vergessene Begriffe des Schrei­ben­lernens treten auf: Arkaden, Girlanden, Dreh­rich­tungs­wechsel.

Darge­stellt wurde auch die Entwicklung der verbundenen Schriften wie die Latei­nischen Ausgangs­schrift, die verein­fachte Ausgangs­schrift und die Schul­aus­gangs­schrift, die der Erleich­terung des Schrei­ben­lernens dienen sollte. Natürlich stand auch die in Hamburg 2011 heraus­ge­kommene Grund­schrift zur Debatte, die bereits viel Pres­seecho bekommen hat.

Die Schweizer Basis­schrift stellte Sibylle Hurschler-Licht­steiner von der Pädago­gischen Hoch­schule Luzern vor. Hier gibt es einen direkten Bezug zur Typo­grafie, da Hans Eduard Maier diese Schrift entwickelt hatte. Allerdings wurde sie an der Hoch­schule weiter­ent­wickelt, da ihre wunderbare Ästhetik nicht ganz für das heutige Schrei­ben­lernen geeignet sei, sagte Sibylle Hurschler-Licht­steiner.

Über neue Erkenntnisse zur Grafo­motorik sprach Dr. Christina Mahrhofer-Bernt, Schul­leiterin am Sonder­päd­ago­gischen Förder­zentrum Bonbruck, in ihrer Darstellung eines kompe­ten­z­o­ri­en­tierten Hand­schreib­un­ter­richts. Kompe­ten­z­o­ri­entiert, ein Begriff, der im Staats­in­stitut für Schul­qualität und Bildungs­for­schung München so definiert wird: »Kompetent ist eine Person, wenn sie bereit ist, neue Aufgaben- oder Problem­stel­lungen zu lösen und dies auch kann.« Hierbei muss sie Wissen bzw. Fähig­keiten erfolgreich abrufen, vor dem Hintergrund von Wert­hal­tungen reflek­tieren sowie verant­wortlich einsetzen.

Um diese Kompetenz beim Schreiben zu erlangen, zeigte Mahrhofer-Bernt in einem Workshop, wie eigene Stärken beim Schreiben hervor­gehoben werden können, was man dazu können muss und wie Schrei­ban­for­de­rungen erfüllt werden können. Das Ziel ist ja nach wie vor, dass die gut lesbare Hand­schrift flüssig geschrieben wird. Die Kinder sollen sogar zu Experten ihrer eigenen Schrift werden. Viel­leicht beein­flusst das sogar den späteren Umgang mit der Typo­grafie, was bei heutigen Mitteln nicht mehr ausbleibt.

Für Schrift­ge­stalter, die hand­schrift­ähnliche Fonts entwickeln wollen (falls man das überhaupt braucht), könnten solche Kenntnisse von Vorteil sein.

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