Handlettering oder mit der Hand schreiben?
Aber ich will mich nicht darüber lustig machen, denn Schönschreiben ist wunderbar. Schrift scribblen, Schrift skizzieren, Schrift schreiben, Schriften erfinden; Kinder machen das, je unbelasteter sie sind, desto wunderbarer. Grafiker haben das früher viel öfter gemacht, Künstler verwenden Schrift im Bild. All das zeugt von einer lebendigen Tradition. In der Anwendung gibt es immer wieder Wellen der Akzeptanz und des Begehrens. So hatte der Grafiker Karl Günter Hassert in Mailand, der sich auf Kalligrafie spezialisiert hatte, in den 70er Jahren plötzlich keine Aufträge mehr. Grund dafür waren die neuen Möglichkeiten des Fotosatzes.
Die »neuen« Möglichkeiten des digitalen Satzes führten eher zum Gegenteil: Die Sehnsucht nach dem handwerklichen, dem »Machen« hat wohl einen Boom verstärkt. Und Schrift erlebt man eben selbst viel direkter auf dem Weg Kopf-Hand-Papier statt auf dem hinterleuchteten Bildschirm. Das ist auch einer der Gründe, warum die tgm am 19. und 20. März 2016 mit Mike Meyer (USA) den Workshop »Signpainting, A Hand Lettering Workshop« anbietet.
Schrift erleben wir aber elementar schon viel früher, nämlich in der Schule beim Schreibenlernen. Die erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V. in München veranstaltete im September eine Fachtagung zum Thema »Vermittlung der Schrift in der Grundschule« in Meißen. Diese galt jedoch nicht nur den Linkshändern, sondern befasste sich mit der Grundschrift in der Schule generell. Wie schwierig und gleichzeitig wie viel Vergnügen für Kinder damit verbunden sein kann, erläuterte Ute Eckert vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung. Was es bedeuten kann, einen »Raum zu strukturieren«, nicht nur die Buchstaben zu »denken«, mit Druckbuchstaben zu beginnen, weil sie so einfach sind, und damit die Verbindung zum verbundenen Schreiben herzustellen. Für viele Typografen völlig vergessene Begriffe des Schreibenlernens treten auf: Arkaden, Girlanden, Drehrichtungswechsel.
Dargestellt wurde auch die Entwicklung der verbundenen Schriften wie die Lateinischen Ausgangsschrift, die vereinfachte Ausgangsschrift und die Schulausgangsschrift, die der Erleichterung des Schreibenlernens dienen sollte. Natürlich stand auch die in Hamburg 2011 herausgekommene Grundschrift zur Debatte, die bereits viel Presseecho bekommen hat.
Die Schweizer Basisschrift stellte Sibylle Hurschler-Lichtsteiner von der Pädagogischen Hochschule Luzern vor. Hier gibt es einen direkten Bezug zur Typografie, da Hans Eduard Maier diese Schrift entwickelt hatte. Allerdings wurde sie an der Hochschule weiterentwickelt, da ihre wunderbare Ästhetik nicht ganz für das heutige Schreibenlernen geeignet sei, sagte Sibylle Hurschler-Lichtsteiner.
Über neue Erkenntnisse zur Grafomotorik sprach Dr. Christina Mahrhofer-Bernt, Schulleiterin am Sonderpädagogischen Förderzentrum Bonbruck, in ihrer Darstellung eines kompetenzorientierten Handschreibunterrichts. Kompetenzorientiert, ein Begriff, der im Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München so definiert wird: »Kompetent ist eine Person, wenn sie bereit ist, neue Aufgaben- oder Problemstellungen zu lösen und dies auch kann.« Hierbei muss sie Wissen bzw. Fähigkeiten erfolgreich abrufen, vor dem Hintergrund von Werthaltungen reflektieren sowie verantwortlich einsetzen.
Um diese Kompetenz beim Schreiben zu erlangen, zeigte Mahrhofer-Bernt in einem Workshop, wie eigene Stärken beim Schreiben hervorgehoben werden können, was man dazu können muss und wie Schreibanforderungen erfüllt werden können. Das Ziel ist ja nach wie vor, dass die gut lesbare Handschrift flüssig geschrieben wird. Die Kinder sollen sogar zu Experten ihrer eigenen Schrift werden. Vielleicht beeinflusst das sogar den späteren Umgang mit der Typografie, was bei heutigen Mitteln nicht mehr ausbleibt.
Für Schriftgestalter, die handschriftähnliche Fonts entwickeln wollen (falls man das überhaupt braucht), könnten solche Kenntnisse von Vorteil sein.
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