typographische
zitate
Gute Typo­graphie ist ganz und gar nicht von auffälligen und sonderbaren Schriften abhängig. Dies meint nur der uner­fahrene.
Jan Tschichold

Typographische
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Buchbesprechung

Vom gemalten Buchstaben zur gedruckten Type

Oliver Linke
14. Juni 2014
Eine ganz besondere Mischung aus Schrift­muster und Schrift­ge­schichte ist dieses Buch, das Verena Gerlach zusammen mit Fritz Grögel und Sébastien Morlighem heraus­gegeben hat. »Die Geschichte der Typo­graphie muss in Bewegung sein«, schreibt Fred Smeijers in seinem Vorwort und trifft damit genau den Geist der Publi­kation. Grögels Unter­su­chungen über Schriften im öffent­lichen Raum werden unser Bild von Typo­gra­fie­ge­schichte verändern.

Sébastien Morlighem beginnt mit seiner allge­meineren Darstellung von der »totalen Ausbreitung der Schrift« im städ­tischen Raum. Er schlägt den Bogen von der Trajanssäule bis heute und macht dabei sichtbar, welchen immensen Einfluss die Schrift des öffent­lichen Raums auf die Geschichte der Buch­staben hatte. »Mehr als alle anderen Refugien ist die Stadt die Hochburg der Schrift: Sie ist es, die die Schrift den Blicken der größt­mög­lichen Anzahl an Lesern präsentiert.«

Im zweiten Beitrag widmet sich Grögel der Geschichte und den Formen des deutschen Lettering. Syste­matisch durchkämmt er Schrift­formen und Repro­duk­ti­ons­techniken, Mate­rialien und Anwen­dungs­be­reiche und veran­schaulicht das Ganze anschaulich mit zahl­reichen Beispielen. Der Artikel ist damit ein Meilenstein in der allzu spär­lichen Forschung zum deutschen Lettering.

Auch der andere Beitrag Grögels zur Berliner Schrift­malerei ist nicht minder wertvoll: Ausgehend von den foto­gra­fischen Schrift­porträts Verena Gerlachs, die sie noch Anfang der 90er-Jahre gemacht hat, nähert er sich den verschwin­denden Buch­sta­ben­le­cke­r­bissen der Stadt an. Er klas­si­fiziert verschiedene Formen, setzt sie in Beziehung zu den umge­benden Flächen und der tragenden Archi­tektur und beschreibt Sonder­formen und Eigenarten. Inter­essant sind die präzisen Anwei­sungen, die Grögel in den zuge­hörigen Lehr­büchern der Schrif­tenmaler-Zunft findet.

Das Buch schließt mit einer Sammlung von Kurz­porträts von Menschen, die im Lettering tragende Rollen spielten, wie etwa Julius Klinger, Rudolf von Larisch, Anna Simons oder Friedrich Soennecken.

Nicht nur inhaltlich ist der Band spannend, auch die Form ist »anders«: Äußerlich wirkt das Buch wie ein Schrift­muster, das sich wie eine zweite Ebene durch das Buch zieht. Sobald man aber verstanden hat, dass die Texte alles andere als Blindtexte sind, verschmelzen Form und Inhalt zu einem gelungenen Ganzen. Die umfang­reiche Schrift­familie FF Karbid Pro gibt es als »Normal-«, Display-, Text- und Slab-Version. Jeder Schnitt verfügt außerdem noch über zahl­reiche Zeichen­va­ria­tionen, so dass der Setzer richtig Spaß haben kann.

Verena Gerlach, Fritz Grögel, Sébastien Morlighem, Fred Smeijers:
Karbid. Berlin – De la lettre peinte au caractère typo­gra­phique
Reihe: Biblio­théque typo­gra­phique
Drei­sprachig: Fran­zösisch, englisch, deutsch
132 Seiten
Format 22 × 30 cm
Ypsilon Éditeur, Paris, 2013
ISBN 978–2–35654–024–9
37,– EUR
ypsi­lo­ne­diteur.com/fiche.php?id=118

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