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Gute Typo­grafie erklärt den Inhalt, nicht den Gestalter.
Kurt Weidemann

Typographische
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Buchbesprechung

Mr. Typo und der Schatz der Gestaltung

Oliver Linke
21. November 2013
Er hat wieder zuge­schlagen: Mr. Typo, der einigen aus diversen Veröf­fent­li­chungen von Linotype (jetzt Monotype) bekannt sein dürfte, hat sich auf den Weg gemacht und erklärt uns die Typo-Welt. In den charmant gezeichneten Comics, die einem immer wieder ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern, lässt Alessio Leonardi seinen Helden durch die Schrift­ge­schichte reisen, typo­gra­fische Grundlagen erforschen oder auch etwas allge­meiner über Farbe und Kompo­sition refe­rieren.

Ein wenig Skepsis war im Spiel, als ich das Buch zum ersten Mal sah: Wer liest so etwas? Kann man in einem Comic die Sach­verhalte gut und richtig darstellen? Kann man mithilfe eines Comics typo­gra­fische Gestaltung lernen?

Natürlich versteht sich Leonardis »Typo-Graphic Novel« nicht als Nach­schla­gewerk, vielmehr – so verspricht der Verlag – soll man »ganz nebenbei den heitersten Typo­gra­fie­grundkurs der Welt absol­vieren«. Auch fange ich erst einmal an zu blättern und zu lesen…

Das Buch präsentiert sich als eine Folge zahl­reicher Episoden, die meisten kurz und knapp auf ein oder zwei Doppel­seiten darge­stellt werden. Es beginnt damit, dass Mr. Typo und seine Mitstreiter, der Hund Tilde und die Maus, zunächst einmal versuchen den Begriff »Typo­grafie« zu umreißen. Die folgenden Kapitel behandeln Grundlagen wie Form, Farbe, Format und Kompo­sition. Es folgen zahl­reiche Schlag­lichter auf das typo­gra­fische Material: Schrift­ge­schichte, Fach­be­griffe, Klas­si­fi­kation, Satz­regeln und vieles mehr. Am Ende finden sich noch einige Hinweise zur Schrift am Bild­schirm, Responsive Design und Unicode sowie ein kurzer Ausblick auf die Zukunft der Schrift­kultur.

Als Lehrender, der immer wieder mit den Schwie­rig­keiten der Vermittlung typo­gra­fischer Grundlagen konfrontiert ist, finde ich den Versuch Leonardis zunächst einmal unheimlich spannend. Viel zu lange galt Typo­grafie als trockene Geheim­wis­sen­schaft reali­täts­ferner Spezi­a­listen. Viel­leicht schafft es die Comic-Form, das Bild des lang­weiligen Spatien-Schubsers aufzu­brechen und zu zeigen, dass Typo­grafie mehr ist als dogma­tisches Basis­wissen.

Ob allerdings Studierende sich von der doch zuweilen »kind­lichen« Ästhetik ange­sprochen fühlen, wird sich zeigen müssen. Die Nachfrage bei meinen eigenen »ABC-Schützen« ergab eher gemischte Einschät­zungen. Der Illus­tra­ti­onsstil spricht wohl eher Jugendliche oder sogar Kinder an, junge Designer erwarten eine andere Sprache. Auch die Texte werden an einzelnen Stellen etwas lang, so dass die großen Sprech­blasen mit kleiner Versal­schrift nicht gerade zum Lesen einladen. Trotzdem bin ich alles in allem dankbar, dass es mit »Mr. Typo« nun eine Alter­native zu den zahl­reichen »seriösen« Fach­büchern gibt. Die Typo­helden werden bestimmt ihre Leser finden …

Zum besseren Überblick hier die einzelnen Kapitel:

  • Die Zutaten der Typo­grafie

  • Die Formen

  • Bilder

  • Farbe

  • Formate

  • Schrift

  • Woher kommt unsere Schrift?

  • Anatomie (Typo­gra­fische Begriffe)

  • Fami­li­en­banden

  • Breite, Lage und Gewicht

  • Klas­si­fi­kation

  • Kompo­sition

  • Guter Satz

  • Die Satzart

  • Ich Groß, Du klein (Versalien vs. Gemeine)

  • Monopoly (Monospaced und propor­tionale Schrift)

  • Richtig falsch! (Expe­ri­men­tieren)

  • Das Gestal­tungs­raster

  • Inter­punktion

  • Andere Länder, andere Zeichen

  • ASCII & Unicode

  • Schöne neue Welt (Schrift auf Bild­schirmen)

  • Die intel­ligente Typo­grafie (Responsive Design)

  • Eine lebendige Schrift­kultur

  • Etwas über den Autor

  • Meine Dank­sagung

  • Impressum

  • Empfehlung zur Weiter­bildung

Alessio Leonardi
Mr. Typo und der Schatz der Gestaltung
98 Seiten
Format 17 × 24 cm
Verlag Hermann Schmidt Mainz, 2013
ISBN 978–3–87439–858–9
19,90 EUR
www.typo­grafie.de

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