typographische
zitate
In der Idee leben heißt, das Unmögliche behandeln, als wenn es möglich wäre.
Johann Wolfgang von Goethe

Typographische
Gesellschaft
München e. V.

Goethe­straße 28 Rgb.
80336 München

info@tgm-online.de
089.7 14 73 33

Buchbesprechung

Max Bollwage: Buchstabengeschichte(n)

Oliver Linke
28. Oktober 2011
»Es ist bestimmt keine Strafe, in dem Buch zu lesen« sagt Max Bollwage augen­zwinkernd über sein neues Buch, die »Buch­sta­ben­ge­schichte(n)«. Beim ersten Duch­blättern macht mich das konser­vative Layout miss­trauisch; die unzu­rei­chende Qualität einiger Abbil­dungen stört, manche sind durch Einfär­bungen sogar regelrecht verfälscht worden.

Doch bei der Lektüre wird schnell klar, dass die formalen Schwächen durch den Inhalt schnell wett­gemacht werden. Die gut struk­tu­rierte Sammlung von Episoden aus der Geschichte der Schrift ist unter­haltsam geschrieben und leicht verdaulich. Bollwage gliedert die riesige Zeit­spanne von den ägyp­tischen Hiero­­glyphen bis ins 20. Jahr­hundert in über­sichtliche Abschnitte und bettet die Schrift­ent­wick­lungen stets anschaulich in den jeweiligen histo­rischen Kontext ein. Kleinere Exkurse, etwa zur Nase der Aphrodite, nimmt man dabei gerne in Kauf.

Das ausführ­lichste Kapitel widmet der Autor den Frak­tur­schriften; eines der inter­es­san­testen Kapitel scheint mir jedoch das vorletzte zu sein: Hier entwickelt der Autor eine neue Stil­ge­schichte von der Nach­kriegszeit bis zu den Anfängen der »Mac-Typo­grafie« und deckt durch Vergleiche mit Archi­tektur und Produkt­design gestal­te­rische Strö­mungen in Schrift und Typo­grafie auf.

Bollwage versucht in seinen Erzäh­lungen den schwierigen Weg, detail­lierte wissen­schaftliche Erkenntnisse einfach und auch für den Laien verständlich darzu­stellen. Dabei bringt er neue Beob­ach­tungen ein und räumt mit so manchem alten Mythos auf. So stellt er zum Beispiel richtig, dass die »Old English« aus Frankreich stammt und die Huma­nisten keineswegs irrtümlich Klein- und Groß­buch­staben zur »Antiqua« verbanden. Schade nur, dass nicht ersichtlich ist, woher er seine Infor­ma­tionen hat – Quel­len­angaben? An einigen Stellen vermischt Bollwage die sachliche Schil­derung mit Kommentaren und subjektiven Wertungen. Manch einer wird viel­leicht nicht zustimmen, wenn er in der Schweizer Typo­grafie eine »falsche Typo­grafie« sieht.

Trotz der Bild­qualität und der fehlenden Quellen kann ich das Buch guten Gewissens empfehlen: Wer einen Einstieg in das verwirrende Labyrinth der Schrift­ge­schichte sucht und wissen­schaftliche Belege ohnehin eher als störend empfindet, wird nicht enttäuscht. In den Buch­sta­ben­ge­schichten verbindet sich profundes Wissen mit verständ­licher Sprache, und das findet man heute schließlich selten genug.

Max Bollwage:
Buch­sta­ben­ge­schichte(n)
Wie das Alphabet entstand und warum unsere Buch­staben so aussehen
Akade­mische Druck- und Verlags­anstalt, Graz, 2010
24,90 EUR
ISBN: 978–3201019149

Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten

Buchbesprechung

Goldener Mythos oder goldene Metapher?

Rudolf Paulus Gorbach

Bereits 1984 hatte Hans Rudolf Bosshard in seinem Rechenbuch für das Graphische Gewerbe 24 syste­ma­tische Rechtecke und deren Propor­tionen vorge­stellt. Der Goldene Schnitt ist eine davon, wenn auch die bekannteste. Damit beschäftigt sich ein Essayband »Göttlich Golden Genial«.

Buchbesprechung

Checkliste für optimale Schrift

Rudolf Paulus Gorbach
Michael Bundscherer

Bücher zum Thema Schrift gibt es nicht wenige. Möchte sich ein neues Werk vom Rest abheben, muss es mehr bieten, als Fach­be­griffe bebildert zu erklären. Mit »Schrift. Wahl und Mischung«, einem fast 1.660 Gramm schweren Buch – das man so beispielsweise auch als kleines schwarzes Podest verwenden könnte – ist nun ein weiteres erschienen. Kann dieses Buch Neues bieten?

Buchbesprechung

Gemischter Satz: gemischte Schriften

Rudolf Paulus Gorbach

Das Mischen von Schriften ist schwierig. Die Typo­grafie kommt hier an ihre Grenzen. Hier herrschen – statt Fach­wissen und Können — Lust an Deko­rativen. Ich persönlich gehöre allerdings zu der Gruppe von Typo­grafen, die sehr selten Schriften zusam­men­bringen. Umso inter­es­santer finde ich das vorliegende Buch von Philipp Stamm.

Das Buch »Schrifttypen verstehen kombinieren«
Buchbesprechung

Schön­schrift bis Kugel­schreiber

Rudolf Paulus Gorbach

Nachdem sich der Begriff »Lettering« von seiner ursprüng­lichen Bedeutung zu einem modischen Trend gewandelt hatte, rückte die persönliche Hand­schrift natürlich immer mehr in den Mittelpunkt des allge­meinen Interesses.

Christine Nelson: Zauber der Schrift
Buchbesprechung

Aus Forssmans Werkstatt

Rudolf Paulus Gorbach

In der wunderbaren Reihe »Ästhetik des Buches«, heraus­gegeben von Klaus Detjen, ist Friedrich Forsmanns Buch »Wie ich Bücher gestalte« erschienen. Es ist ein wohl­do­sierter Werk­statt­bericht aus der Praxis und der Denkweise des Buch­ge­stalters.

Friedrich Forssmann: Wie ich Bücher gestalte
Buchbesprechung

Bleisatz und (Buch)Druck

Rudolf Paulus Gorbach

Das Handwerk der »Schwarzen Kunst« ist wieder populär geworden. Die Gründe hierfür dürften viel­fältig sein: die Liebe zu einem hand­werk­lichen System, das es so nicht mehr gibt, und die Lust am hand­werk­lichen Machen: Setzen im Handsatz, Seiten umbrechen, Formen schließen, »echt drucken«, Werkstatt riechen.