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Buchbesprechung

Auch dada wird 100

Rudolf Paulus Gorbach
10. Februar 2016
Welchen Einfluss hat Dada auf die Typo­grafie? Eine Frage, die viel­leicht seltsam klingt ange­sichts der Fülle von dada­is­tischen Schrift­wirr­nissen, die wir aus der Blütezeit des Dada kennen. Um der Frage nach­zugehen, begab ich mich auf die Suche; im begin­nenden Dada-Jahr (zum Hundertsten).

Schon an drei Orten sind Dada-Ausstel­lungen ange­kündigt. Die letzte große Dada-Ausstellung fand 1993 und 1994 statt. Ein umfang­reicher, sehr ruhig und klar gestalteter Katalog erinnert daran. Jetzt beschäftigen mich zunächst zwei Buch-Neuer­schei­nungen.

Der »dada-Almanach«, heraus­gegeben von Andreas Puff-Trojan und H. M. Compagnon, ist ein statt­licher Almanach mit Text­bildern, Laut­ge­dichten und Mani­festen. Die Dada-Elite ist mit einer Auswahl ihrer Arbeiten reprä­sentiert. Das Buch hat dada­is­tisches Design aufge­nommen, spielt mit Dada und inter­pretiert es. Es gibt neben Origi­na­l­ab­bil­dungen auch liebevoll nach­gebaute Dada-Buch­sta­ben­figuren. Satz und Umbruch sind hervor­ragend von Andrea Mogwitz ausgeführt, und man spürt förmlich, wie die Gestalterin dieses Buches »gehegt« hat. Das Cover verkündet von Weitem schon: Dada. Allerdings zeigt sich das Buch auch sehr als Kind unserer Zeit. Papier und Ausstattung wirken gegenüber den eher schäbigen Dada-Originalen als sehr ästhetisch und viel­leicht sogar etwas überhöht mit Lack, Prägung, offenen Deckel­kanten, gelb­lichem, geglättetem Papier und schwarz-rotem Druck. Aber alles sehr perfekt gemacht.

Neben der Text- und Bild­auswahl vieler bekannter, aber auch manch seltener publi­zierter Texte finden wir in einem Anhang etwas über die Dada-Welt­an­schauungen, die Persön­lich­keiten – hier Dada-Leader genannt – und die Orte, an denen Dada zele­briert wurde.

Weniger vom Äußeren, mehr vom Inhalt – und weil es soeben erschienen ist – zeigt sich DADA als eine flüssig geschriebene Fundgrube der verworrenen Dada-Welt, doch mit einem deut­lichen Bezug zu späteren Jahren bis heute. Der dada­is­tische Umgang mit den Gerichten in Prozessen gegen die Acht­und­sechziger ist nicht zu verkennen.

DADA gilt als »der explo­sivste, konse­quenteste, schrillste und viel­fäl­tigste Versuch, Kunst, Literatur und Sprache aus den Fängen bürger­licher Ideologie zu befreien«. Dada hatte kein Programm und wirkte und wirkt doch sehr. Die Zerris­senheit von Gedanken und Dingen, das Unüber­sichtliche der Zeit neben den vielen Ideen und Träumen machen die Dada-Geschichte ziemlich atemlos aufregend. Irri­ta­tionen und Über­deh­nungen lassen Dada bald ausein­an­der­driften zu sehr vielen Dadas (Gurus und Meister, Orte und Länder). Diese Jahr­hun­dert­ge­schichte ist spannend erzählt und sieht Dada aus einem wohl­tuenden Abstand.

Die Typo­grafie des Buches verzichtet auf visuelle Dada-Anklänge, das ist auch nicht nötig. Unfrei­willig dada­istisch sind viel­leicht die unlesbaren Bild­le­genden (hellgrau; magere enge seri­fenlose Schrift).

Martin Mittelmeier
DADA. Eine Jahr­hun­dert­ge­schichte
Siedler Verlag, München 2016
272 Seiten
Gebunden mit Schutz­um­schlag
€ 22,99
ISBN 978–3–8275–0070–0

Andreas Puff-Trojan (Hrsg.) und H.M. Compagnon (Hrsg.)
DADA-Almanach. Vom Aberwitz ästhe­tischer Contra­diction.
Laut­ge­dichte – Text­bilder – Manifeste

Manesse Verlag, München 2016
176 Seiten
Zwei­farbig geprägter und gedruckter Pappband
220 × 220 mm
€ 39,95
ISBN 978–3–7175–4091–5

Welchen Einfluss hatte nun Dada auf die Typo­grafie unserer Zeit? Die Schrift­setzer hatten Dada wohl eher verachtet (Fisch­haufen), die Prin­zipale der Druckereien viel­leicht kopf­schüttelnd betrachtet. Direkte Einflüsse finden sich auf die eigenen kommer­ziellen Arbeiten, wie beispielsweise bei Schwitters. In Reklame und Werbung brauchte es noch lange, bis man den Witz akzep­tierte oder verstand. Viel­leicht gehen erst Wort­spiele und Typo­text­spie­lereien ab den Acht­zi­ger­jahren auf Dada zurück. Noch bin ich auf der Suche nach Arbeiten, die sich mit dem Einfluss der Dada-Typo­grafie auf die spätere Zeit beschäftigen. Dada-Literatur und Konkrete Poesie hängen viel­leicht eher zusammen. Unfrei­willigen Dada gibt es jedoch zur Genüge.

Cover des Katalogs von 1993

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