Happy Birthday, Otl Aicher
Anlässlich seines Geburtstags zeigt das HfG-Archiv Ulm bis zum 8. Januar 2023 die Ausstellung 100 Plakate von Otl Aicher. Im Rahmen einer artDate-Exkursion machte sich eine Gruppe von Gestaltern und Interessierten nach Ulm auf. Der Leiter des HfG-Archivs, Dr. Martin Mäntele, führte uns persönlich durch die ständige Ausstellung und die Räumlichkeiten der früheren Hochschule für Gestaltung – eine besondere Ehre. Zwei Stunden lang lauschten wir gespannt Geschichten über die Gründung der Hochschule, politische wie gesellschaftliche Einflüsse und interne Konflikte in der Hochschule. Ein weiteres Highlight des Besuchs waren die Erläuterungen zu den Arbeiten der Studierenden und Dozenten der HfG.
Otl Aicher. Sein Leben. Sein Werk.
Als Jugendlicher schließt Otl Aicher eine Freundschaft mit seinem Mitschüler Werner Scholl. Er weigert sich, der Hitlerjugend beizutreten, und darf wegen seiner kritischen Haltung nicht am Abitur teilnehmen. 1941 wird er zur Wehrmacht eingezogen, desertiert aber im März 1945 und versteckt sich bei der Familie Scholl. Nach Kriegsende wird Robert Scholl, Inges und Werner Vater, Oberbürgermeister der Stadt Ulm und die jungen Leute engagieren sich politisch und gesellschaftlich. Otl Aicher gestaltet sämtliche Plakate für die selbst organisierten Vorträge sowie für die Ulmer Volkshochschule, die Inge Scholl 1946 gründet.
1953 verwirklichen Max Bill, Otl Aicher und Inge Aicher-Scholl (Otl und Inge sind inzwischen verheiratet) ihren gemeinsamen Traum, eine Hochschule für Gestaltung zu eröffnen – HfG. Ihr Ziel war nicht weniger, als das gesamte gesellschaftliche Leben im Nachkriegsdeutschland neu zu denken. Gut gestaltete Produkte sollen den Menschen zu Wohlstand und einem guten demokratisch organisierten Leben verhelfen. Zwischen 1962 und 1964 leitet Otl Aicher die Hochschule als Rektor. Das Lehrkonzept der HfG Ulm setzt nun auf modernes Industriedesign. Eine Studentengruppe entwickelt unter seiner Leitung das Corporate Design der Deutschen Lufthansa AG. Es folgen Max Braun AG, Dresdner Bank, ERCO, bulthaup und Blohm + Voss.
1967 wird Aicher mit der Gestaltung des visuellen Erscheinungsbildes der XX. Olympischen Spiele beauftragt. Das erklärte kulturelle Ziel dabei war, das Image vom Nazi-Deutschland durch ein neues, modernes und demokratisches zu ersetzen. Noch während der Olympischen Spiele beginnen Otl Aicher und Rolf Müller, aus dessen Feder auch das tgm-Logo stammt, die Arbeit an den Entwürfen für die Stadt München. Aicher zeichnete für die Beschilderung eine Schrift – basierend auf Univers 55. Sie trug den Namen »Münchner Straßenschilderschrift« und wurde die Grundlage der Schrift »Traffic« (CI von FSB und bulthaupt).
1972 bezieht die Familie Aicher-Scholl eine ehemalige Mühlenanlage in der Ortschaft Rotis im Allgäu. Rotis wurde zu einem wichtigen Begegnungsort für internationale Gäste aus Kultur und Wirtschaft, der Aichers Philosophie von einem ganzheitlichen Konzept von Leben und Arbeiten wider spiegelte. Rotis gab auch der Schriftsippe ihren Namen, die Aicher in den 1980er entwickelt.
Infolge eines Verkehrsunfalls in Rotis stirbt Otl Aicher im Alter von 69 Jahren am 1. September 1991.
Veranstaltungen zum Otl Aicher-Jubiläum:
Aicher 100 Festival
14. bis 28. Mai 2022
Pavillon 333
Türkenstraße 15
80333 München
Ausstellung 100 Plakate von Otl Aicher
26. März 2022 bis 8. Januar 2023
HfG-Archiv Ulm
Am Hochsträß 8
89081 Ulm
Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten
Otl Aicher als Thema einer Podiumsdiskussion
Die Rotis, eine der bekanntesten Schriften, wird von Intellektuellen, Architekten und Anthroposophen geliebt, von Typografen eher skeptisch betrachtet. Logos des Alltags sind mit Aicher verbunden: Olympiade 1972, Lufthansa, Braun oder Erco.
Verlorene Illusionen: HfG Ulm
Die Hochschule für Gestaltung war bereits zu ihrer Zeit ein Mythos und ist es bis heute geblieben. Sie hatte einen besonderen Ruf und es schwang immer mit, sie sei eine Nachfolgerinstitution von Bauhaus. Christiane Wachsmann schildert die Geschichte der Ulmer Schule.
Max Bill und Jan Tschichold. Ein typografischer Streit
Gegensätze in der Stilauffassung von Typografie können zu ernsthaften Konflikten führen. Diese gab es schon in früheren Jahrhunderten. In der Mitte des 20. Jahrhunderts bewegte eine Auseinandersetzung die typografische Welt. Max Bill schrieb 1946 in den Schweizer Graphischen Mitteilungen einen Beitrag über Typografie, in dem er Tschichold heftig angriff.