Otl Aicher: was seine Gestaltung heute bedeutet
Aichers Lebenswerk dürfte allen ein Begriff sein. Olympische Spiele, Hochschule für Gestaltung Ulm, Piktogramme oder die Schrift »Rotis« und noch viel mehr. Manches ist schon zum Mythos geworden. Jedoch werden in diesem Buch Werk und Leben des Meisters umfassend und recht kritisch beschrieben.
Wilhelm Vossenkuhl behandelt das Philosophische im Leben von Otl Aicher und kommt dabei, auf die Moral des Entwerfens zu sprechen, wobei der Entwerfende und nicht der Gegenstand, also der Entwurf, gemeint sind. »mein denken war andenken gegen hitler« zitiert Winfried Nerdinger Aicher und spricht von seinem generellen Widerstand gegen Staat und Autorität, gegen alle Formen staatlicher Repräsentation und Symbolik.
Design ist keine Kunst, obwohl Aicher den wahrnehmungsästhetischen Gesetzen von Harmonie, Ordnung und Proportion in seinen Entwürfen folgt. Aicher war fasziniert von Le Corbusiers Werk und Denken und sah fast im Gegensatz dazu die oberschwäbischen Barockkirchen als Sieg des Adels gegen die aufständischen Bauern.
Natürlich wird die Rolle Aichers innerhalb der hfg Ulm behandelt. Sein Dauerthema war die wissenschaftliche Durchdringung von Gestaltung. Dabei verschwieg Aicher gern die Vorbildrolle der »Guten Form« von Max Bill oder die Leistungen des Deutschen Werkbunds.
Tino Graß befasst sich mit der Typografie von Aicher: Adrian Frutigers Schrift Univers war die wohl wichtigste Schrift für Otl Aicher und prägte das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972. Seine eigene Schrift »Rotis« und das Buch »typografie« sah er als finalen Schluß der Typografiegeschichte.
Manchmal wünscht man sich ein umfangreiches Buch wie dieses in kleinerem Format. Das Lesen ist des Gewichts und Buchformats wegen etwas anstrengend.
Winfried Nerdinger und Wilhelm Vossenkuhl (Hrsg.)
Otl Aicher
Designer, Typograf, Denker
256 Seiten
240 x 287 mm
250 farbige Abbildungen
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-7913-7943-2
49 Euro
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