Schönheit
In einem schmalen, aber dicht geschriebenen Band reflektiert der Philosoph Byung-Chul Han über die Errettung des Schönen. Er sieht das »Glatte« als Gegensatz, obwohl es in unserer Zeit so ästhetisch hoch gehalten wird. In den einzelnen Kapiteln wird das Denken über Schönheit knapp reflektiert. Doch das Resümee muß man sich selbst ziehen (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015).
»Das so genannte Schöne« nennt der Schweizer Grafikdesigner Otmar Bücher sein leicht ironisches Buch, das bereits 2006 erschienen ist (Ott Verlag, Bern 2006). Anhand vieler Themen setzt er sich mit Ästhetik und besonders mit dem Schönen auseinander. Dabei ist der Umgang mit dem Begriff des Schönen seit den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts etwas strapaziert. Doch können wir trotzdem bedenkenlos etwas schön empfinden und das auch so sagen. Bedarf es deshalb neuer Erkenntnisse, falls es die gibt?
Mit einem Großprojekt warten Sagmeister & Walsh auf, eine Ausstellung und ein dazugehöriges Buch mit entsprechender Ankündigung: Ein Plädoyer für die Lust am Schönen. Ich befasse mich hier ausschließlich mit dem Buch.
Nimmt man das Buch aus der Verpackung, fällt sofort die Hermann-Schmidt-Qualität auf. Feiner Kartonschuber, Lack, Prägungen, matte Glätte. So auch das Buch: Edle Broschur. Silber-Bundschnitt, verstärkte Klappen, matte Weiße, feine Prägung. Der Titel des Buches: Beauty. Und der Untertitel lautet: Schönheit = Funktion = Wahrheit. Das macht stutzig. Denn was hat es dabei mit der Wahrheit auf sich?
Die schon im Vorwort erwähnte Ablehnung des Schönen aus der Gestaltungsgeschichte des 20. Jahrhunderts kann ich nicht nachvollziehen. Das wird mit einer Infografik dekorativen Stils untermauert, wobei man nur die zwischen 1800 und 2000 abnehmende Menge sieht. Aber auf was bezieht sich das?
Die Autoren erklären: Indischer Mangosaft wird in größeren Mengen verkauft, wenn die »Form ernst genommen wird«. Bei der tonangebenden Rolle des Marketing muß man schon fragen, welche Form? Und wie sieht der Vergleich vorher – nachher aus? Dass die Schönheit im »gut gelungen« liegt oder liegen kann, wird kaum bezweifelt. Im Text des Buches wird der Zusammenhang von Funktion und Schönheit immer wieder angesprochen. Natürlich muß hier auch die Nachhaltigkeit her halten. Einige Experimente zum Gefallen von Gegenständen oder Bildern werden erwähnt. Blättert man im Buch, hat man den Eindruck eines suggestiven Albums, mit großen Zitaten und Abbildungen der schönen Dinge.
Als Adolf Loos sich gegen Ornamente wandte gab es genug Gründe dafür. Die Polemik gegen diesen längst verarbeiteten Aufbruch scheint mir seltsam. Natürlich wird Wiederholung auch langweilig, vor allem wenn man das Einzigartige sucht oder glaubt, es zu bringen. Die Nachahmung ist sicher für eine Weiterentwicklung wichtig. Gesetze, die im übrigen Gabriel Tarde 1890 herausgebracht hatte (Gabriel Tarde, Die Gesetze der Nachahmung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009). Ohne diese Tradition kann auch wirklich Neues kaum entstehen. Das ganzseitige Zitat »Der einzige Weg, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung« (Winkelmann) steht in einer Umgebung von reichlich verzierten Gegenständen, das läßt einen zumindest erstaunen.
Die Frage, ob es Pracht im Modernismus gibt, wird mit Erlebnissen Sagmeisters in seinen stark publizierten Sabaticals garniert. Zwar werden Koons und Hirst eher der Kitschwelt zugezählt. Aber warum stehen sie überhaupt hier? Natürlich musste auch kommen, dass Form die Funktion ersetzt. Da sind wir auch mitten in der vergangenen Postmoderne angelangt, wo ja angeblich alles ging. Instagram wird »als sorgsam kuratierte Sicht auf unser Leben« gesehen.
Im Kapitel »Schönheit erleben« geht es vor allem um Möglichkeiten in der Werbung und der Konsum-Produktgestaltung. Und im anschließenden Kapitel »Das Auge des Betrachters« werden viele Umfragen vorgestellt. Hier zählt die Mehrzahl der befragten Stimmen. Dass Schönheit in uns etwas bewirken kann ist wohl nicht ganz neu. Und ein umfangreiches »Schönheitsarchiv« zeigt durchgehend besonders extravagante Gegenstände, die schön sind, wenn auch nicht alle. Und schließlich gibt es am Schluß des Buches ein Manifest, das die Argumente und Ziele des Buches in den Alltag umsetzen soll. Nicht klar im ganzen Projekt wird, was Schönheit und Funktion bedeuten und welche Rolle das Dekorative spielt. Und das Dekorative ist hier sehr dominant. Der Schönheit kommt man damit nicht wirklich näher.
Vielleicht noch eine Bemerkung zur Typografie der Textseiten. Die für dieses Buch kreierte Titelschrift ist reichlich dekorativ und etwas fremd in unserer Zeit. Die eingebauten informierenden kleinen Bilder stehen auf Mitte. Ihre Bildlegenden sind kräftig unterstrichen. An der Außenkante befindet sich ein etwas verwirrendes Muster. Ein nettes Spiel. In seiner Verborgenheit wird es zum Dekor?
Sagmeister & Walsh
Beauty
Schönheit = Funktion = Wahrheit
280 Seiten
377 Abbildungen
Edelbroschur im Schuber
Hartmann Schmidt Verlag, Mainz 2018
39,80 Euro
ISBN 978–3–87439–922–7
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Beratung statt schnell mal schön?
Das Buch hat bereits zu erheblichen Diskussionen geführt. Aber von vorne: Beim Verlag Schmidt in Mainz erschien ein Ratgeber mit dem Titel »Design ist mehr als schnell mal schön«. Die Autorin, Maren Martschenko, ist Markenberaterin, Diplomkauffrau und Organisationspsychologin. Ihr Anliegen ist, dass Kommunikationsdesignerinnen gleichzeitig ihre Kunden beraten sollen.
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Mathieu Lommen sitzt auf einem Schatz: Er ist der »Kurator für Grafikdesign« der Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Amsterdam und somit Herr über satte 25.000 Regalmeter großartiger Buchbestände, wie zum Beispiel die der Bibliotheek van het Boekenvak (Bibliothek des Buchwesens) oder der Sammlung Tetterode (Typografischen Bibliothek der Schriftgießerei Amsterdam). Das Besondere: Hier werden Bücher nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern auch wegen ihrer Gestaltung gesammelt.
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Form, Funktion und Freiheit
Als ich über Freiheit und Typografie nachdachte stieß ich auf den vorliegenden Buchtitel. Neu- und wissbegierig begann ich das Buch zu lesen. Eine Dissertation, die wohl nicht für allgemeines Interesse geschrieben wurde. »Dem Design selbst kommt eine politische Bedeutung zu, die von seiner ästhetischen Dimension nicht zu trennen ist«, lese ich auf der Buchrückseite. Was bedeutet nun dabei Freiheit, was ist hierbei die politische Relevanz von Design?