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An Zerstreuung lässt es uns die Welt nicht fehlen; wenn ich lese, will ich mich sammeln.
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Buchbesprechung

Form, Funktion und Freiheit

Rudolf Paulus Gorbach
27. November 2023
Als ich über Freiheit und Typo­grafie nach­dachte stieß ich auf den vorlie­genden Buchtitel. Neu- und wiss­be­gierig begann ich das Buch zu lesen. Eine Disser­tation, die wohl nicht für allge­meines Interesse geschrieben wurde. »Dem Design selbst kommt eine poli­tische Bedeutung zu, die von seiner ästhe­tischen Dimension nicht zu trennen ist«, lese ich auf der Buch­rückseite. Was bedeutet nun dabei Freiheit, was ist hierbei die poli­tische Relevanz von Design?

In der Einleitung des Buches finde ich viele Hinweise: Dass Design per se nicht demo­kratisch sei, aber die Demo­kratie verbessern könne. Allein die Opti­mierung der Prozesse durch Design fördere bereits die Demo­kratie. Aber gleich­zeitig wird Design als Mode und Marke benützt, was ein falsches Verständnis von Freiheit sei.

Im ersten Teil des Buches geht es um die Gestalt­barkeit der Welt. Dazu wird auf die Wurzeln von Design zurück­ge­griffen. Zusam­menhänge von Ästhetik und Technik, Geschmacks­hebung durch Design, indus­trielle Produk­ti­ons­weisen und die Gestaltung für ein würde­volles Leben. Thonet-Möbel, Welt­ausstellung treten in Erscheinung. Das Über­f­lüssige wie das Ornament wurde ja tatsächlich über­f­lüssig.

Werk­bund­streit, Bauhaus und die soziale Frage werden erörtert. Daraus folgt bekann­terweise eine Einheit der Dinge. Strikter Funk­ti­o­na­lismus wäre maximale Funktion und Effizienz in sämt­lichen Bereichen des Lebens.

Kosok schreibt vom Rätsel der Funk­tionen und führt ein Zitat von Andreas Dorschel an: Designte Dinge werden im doppelten Sinn des Wortes gebraucht: benutzt, benötigt. Und er fragt: Wie lassen sich aus der reinen Funktion nicht nur Normen, sondern auch gleich Gesetzte ableiten, welche die Form bestimmen?  Kritik an Form und auch Funktion blieb nicht aus, so bei Wolfgang Fritz Haug in seiner »Kritik der Waren­äs­thetik« von 2009 oder besonders schon 1985 bei Victor Papanek, der die Verlo­genheit von Werbung umreisst.

Ein neuer Ansatz tauchte in den 1970er- und 1980er-Jahren auf, der Offen­bacher Ansatz. Hierbei werden die Funk­tionen um sinnliche, emotionale und psycho­lo­gische Aspekte erweitert. Eine zweite Kategorie der forma­läs­te­thischen Funk­tionen, in der die sinnliche Wahr­nehmung auf die Benutzer durch einen Grad der Ordnung und Komplexität wirkt. Zeichenhafte und seman­tische Funk­tionen lassen in dieser Wahr­nehmung  eine psycho­lo­gische Wirkung erfahren. (Die Theorien sind natürlich ziemlich komplex und ich kann nur ein paar Ansätze daraus wiedergeben).

Im dritten Kapitel des Buches geht es um die Freiheit der Form. Das ist das Kapitel, das mich besonders inter­es­sierte. Felix Kosok schreibt am Schluss des Kapitels: »Die Freiheit der Form bedingt eine eigene Ethik eines »Aushand­lungs­pro­zesses«, in der das Gute und Nützliche, das sich im Design verwirk­lichen soll, sowie die Regeln und Kate­gorien seiner Bewertung nicht schon vor diesem Aushand­lungs­prozess abschließend feststeht, sondern wesentlich durch die Form mit beein­flusst werden, in der er sich verkörpern wird«. Dieser Aushand­lungs­prozess ist viel­leicht entscheidend für die Freiheit. Und mehr zur Freiheit konnte ich nicht finden.

Die letzten Kapitel des Buches beschäftigen sich mit den Problem der Welt­ver­bes­serung durch Design, dessen poli­tische Relevanz und auch den Grenzen des Designs. Und schließlich geht es in einem langen Kapitel über Design und Demo­kratie. Dabei werden verschiedene Theorien behandelt, die z. B. ganz bewusst zwischen »design for politics« und »political design« unter­scheiden. Was im zweiten Fall designt werden soll, wäre meine Frage gewesen. Dafür fand ich im Buch keine Lösung, außer den Möglich­keiten, Widerstand zu üben, akti­vistisch zu arbeiten. Der Welten­entwurf als Design? Und ist es schon politisch, wenn man sich der Diskussion stellt, warum ein Design so und nicht anders ausfällt? Wie aber kann Design tatsächlich auf die Demo­kratie einwirken, also politisch sein, da sie bisher so oft nur dem Markt dient?

Die Disser­tation geht grund­legend und ausführlich auf die Themen ein und zeugt gleich­zeitig von einer fleissigen und enga­gierten Arbeit. Um für das Thema mehr Leser zu bekommen wäre es gut, den Text auf 160 Seiten »einzu­dampfen«.

Felix Kosok
Form, Funktion und Freiheit
Über die ästhetisch-poli­tische Dimension des Designs
398 Seiten
Broschur
tran­script-Verlag, Bielefeld 2021
ISBN 978–3–8376–5610–7
44 Euro

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