Zur Typografie der 15. documenta
Nicht oft ist Typografie so eng mit einer Ausstellungstradition verbunden, wie dies bei der documenta erscheint. Hier ist nicht nur die Wort-Bildmarke (Logo) gemeint, sondern die Gesamtheit des visuellen informierenden Auftritts.
Arnold Bode, Maler, Zeichner, Raumkünstler, Kurator, Hochschullehrer, Kunstpädagoge und Begründer der documenta, erlebte die Welt des Bauhauses in den 1930er Jahren zusammen mit ehemaligen Bauhäuslern. Und so findet sich der Bezug zu den ersten Ausstellungen in Plakaten und Katalogen der documenta. Eine virtuelle Ausstellung dazu finden Sie auf documenta-bauhaus.de.
In den Katalogen und Handbüchern zur documenta wurde der funktional-konstruktive Ansatz der Gestaltung meist fortgeführt.
Dies gilt jedoch nicht für die Logos der einzelnen documenta-Jahre, die künstlerischen oder später auch Marketinggesichtspunkten folgen sollten.
Die 15. documenta 2022 erscheint in den Drucksachen etwas anders, so wie die gesamte Ausstellung einem anderen Geist folgt.
Das sich wild gebärende Logo verliert sich in den Texten. Die Gestaltung der vier Publikationen zur documenta 15 erinnert nicht an ein Kunstbuch, sondern vielleicht eher an ein Kinderbuch.
Für meine Besprechung des Katalogs gibt es hier enorme Einschränkungen. Denn der Verlag schickt für die Rezension nur PDFs der Doppelseiten der vier Begleitbücher. In diesen PDFs gibt es keine Navigation, sondern es handelt sich lediglich um Abbildungen der Doppelseiten der Printausgaben. So ist es – wie immer bei Bildschirmbegutachtungen – kaum möglich, gezielte Aussagen über die Gestaltung zu machen. Und das lässt für die Zukunft des gedruckten Buches nicht gerade hoffen.
Die recht bunte Gestaltung setzt sich im Inneren der Bücher fort. Das Material der Illustrationen führt ein Eigenleben und dominiert die Bücher. Am Bücherstand der documenta habe ich die Bücher dann wenigstens kurz leibhaftig gesehen und haptisch mit Erstaunen wahrgenommen. Die Lesbarkeit war hier wohl nicht die wichtigste Aufgabe und die Mikrotypografie verbesserungswürdig. Wie heute üblich, wurden nach Möglichkeit ganz neue Schriften verwendet. Mit den Schriften hat sich ein Beitrag in der Zeitschrift »Grafikmagazin« 4/2022 beschäftigt.
Ich gehöre nicht zu den documenta-Kritikern, bin seit Jahrzehnten von diesen Ausstellungen fasziniert, war und bin auch von den Projektbeschreibungen der documenta 15 begeistert. So sehr, dass ich mich frage, ob es nach der Lektüre der einzelnen documenta-Beiträge überhaupt einer Ausstellung mit umfangreichen Texten und langen Videos bedurfte?
documenta fifteen Handbuch
Hrsg. Ruangrupa, Text(e) von Ruangrupa, A.K. Kaiza, Alvin Li, Andrew Maerkle, Ann Mbuti, Annie Jael Kwan, Ashraf Jamal, Wong Binghao, Camilo Jiménez Santofimio, Carine Zaayman, Carol Que, Chiara De Cesari, Dagara Dakin, Enos Nyamor, Farhiya Khalid, Ferdiansyah Thajib, Hera Chan, Joachim Ben Yakoub, Krzysztof Kosciuczuk, Marta Fernández Campa, Max Kühlem, Nuraini Juliastuti, Övül Ö. Durmusoglu, Pablo Larios, Ralf Schlüter, Rayya Badran, Skye Arundhati Thomas, Tina Sherwell
320 Seiten, 150 Abb.
Klappenbroschur
ISBN 978–3–7757–5281–7
25 €
Gehen, Finden, Teilen
Ein illustriertes Begleitbuch zur documenta fifteen
ISBN 978–3–7757–5283–1
15 €
Majalah lumbung
Ein Magazin über Ernten und Teil
ISBN 978–3–7757–5285–5
30 €
lumbung erzählen
ISBN 978–3–7757–5286–2
18 €
alle im HatjeCantz Verlag, Berlin 2022
Einen hervorragenden Überblick über die documenta 15 bietet die Sonderausgabe des Kunstforums (Band 283).