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Prägend für die Typografie: Philipp Luidl

Rudolf Paulus Gorbach
17. August 2015
»Wer der Zeit keinen Gedanken schenkt, der darf auch die Schrift vergessen.« So beginnt Philipp Luidl sein Buch »Schrift – die Zerstörung der Nacht«, in dem er immer wieder auf das Matri­archat zu sprechen kommt. Eigentlich geht es jedoch um Aspekte der Schrift­ge­schichte.

Dieses Buch war Luidls Geschenk an die tgm, als er sich 1993 von dieser Gesell­schaft verab­schiedete, um seiner zweiten großen Leiden­schaft nach­zugehen: der Lyrik.

Philipp Luidl am 12.02.2009 bei der Vernissage zu »Zeichensetzer, Systemdenker, Geschichtenerzähler«
Philipp Luidl am 12.02.2009 bei der Vernissage zu »Zeichensetzer, Systemdenker, Geschichtenerzähler«

Dabei ist sein Oeuvre als Autor oder Gestalter ziemlich groß. Ab 1972 war er als Typograf für die Bücher der tgm dominant, als Fachautor in den wichtigen Fach­zeit­schriften mit wesent­lichen Beiträgen vertreten, kulturell mahnend in der Süddeutschen Zeitung oder beispielsweise in seinem knapp und eindrü­cklich gefassten Stan­dardwerk von 1984: »Typo­grafie Herkunft Aufbau Anwendung«.

Prägend für die Typo­grafie und für einige Gene­ra­tionen war er als Lehrer für Typo­grafie und Gestaltung. Vielen seiner zahl­reichen Schüler und Schü­le­rinnen merkt man das auch heute noch an. Luidl vertrat eine strenge, moderne, aber tradi­ti­ons­be­wusste Typo­grafie. Oft verbunden mit einer positiven Kargheit, dem Klang von Schrift und Raum zugetan.

Für die tgm war er einige Jahr­zehnte sehr aktiv; als Typograf, Ideengeber, Moderator und schon ab 1969 in der Vorstand­schaft; wiederholt zweiter Vorsit­zender und von 1979 bis 1985 erster Vorsit­zender. Seine gestal­te­rische Denkweise ist zu spüren, spätestens wenn man sich mit den Druck­sachen und Büchern der Typo­grafie dieser Zeit beschäftigt. Darüber erscheint im Herbst ein Buch zu dem Philipp Luidl die Zwischentexte schrieb. Wobei diese Texte auf einen Vortrag zurück gingen, den er für die tgm zum  50. Jahrestags des Neubeginns der tgm nach 1945 hielt. In diesen Texten lässt Luidl kritisch und manchmal ironisch die Vortrags­ak­ti­vitäten der tgm passieren. Sein kritisches Bewusstsein begleitete auch diese Teile. Und übrigens waren Luidls Vorträge immer nicht nur inter­essant, sondern auch brillant.

Zum 70. Geburtstag lud die tgm Philipp Luidl zu einem Lyri­kabend ein.

Luidl hatte inzwischen den Beruf gewechselt, wurde Lyriker. Aber er war es eigentlich schon lange. Michael Krüger vom Hanser Verlag hatte ihn sehr früh entdeckt und seine Gedichte in den »Akzenten« veröf­fentlicht. In Luidls Gedichten zeigen sich Ähnlich­keiten mit seiner Arbeit als Typograf. Kurze, prägnante Texte, absolut reduziert. Und diese von ihm selbst gelesen gehört zu einem Höhepunkt der »Nach-Luidl-Zeit« der tgm.

Philipp Luidl war  Sohn eines Buch­druckers und erlebte eine klas­sische Karriere des graphischen Gewerbes. 1930 in Dießen am Ammersee geboren hatte er die Auswir­kungen des zweiten Welt­kriegs als Jugend­licher erlebt – und nie vergessen. 1945 begann er eine Schrift­set­zerlehre bei einer damals sehr ange­sehenen Druckerei, Jos. C. Huber in Dießen.  Danach war er bei namhaften Betrieben beschäftigt wie C. H. Beck in Nörd­lingen, Univer­si­täts­dru­ckerei Stürtz in Würzburg, Bruckmann in München, Kastner & Callwey oder die Franzsche Druckerei in München; renom­mierte Betriebe, die für die Qualität von Satz und Druck maßgebend waren. Daraufhin wurde er, der Schrift­set­zer­meister, Fach­lehrer in München an der Akademie für das graphische Gewerbe sowie an der Berufs­schule, der Meis­ter­schule für Mode und an der Fach­hoch­schule. Mit seiner Lehr­tä­tigkeit moti­vierte er wohl viele Jahrgänge spürbar. Luidl war ein heraus­ra­gender Pädagoge. Er hinter­fragte die Dinge, dachte quer und hatte die Fähigkeit komplexe Sach­verhalte auf den Punkt zu bringen in lapidaren, kurzen Sätzen.

Seine Reaktion auf heutige tech­nische Verhältnisse blieb natürlich nicht aus. Qualität im Satz und in der Typo­grafie ist schließlich nicht an eine tech­nische Epoche gebunden. Den neuen Desktopern schrieb er einen »Knigge« für ein besseres typo­gra­fisches Verhalten. Das war 1988, vier Jahre nachdem die Macs und PCs kamen.

Nun ist Philip Luidl gestorben. Von der tgm hatte er sich längst verab­schiedet, aber doch nicht ganz. Denn einige male kehrte er zurück, als Vortra­gender oder seine Gedichte lesend.

Da ist kein wort
zuviel gesagt

Den himmel ausge­graben
die wege zuge­schüttet

Mehr war uns
nicht versprochen


Als unmit­telbarer Nach­folger Philipp Luidls im Vorstand der tgm fragte ich Boris Kochan, der Luidl nicht mehr direkt in der tgm erleben konnte, was für ihn Philipp Luidl bedeutete, und er schrieb: »Es war dieser untrügliche Blick, dieses ganz Genaue, das Zartharte auf das ich mich bei Philipp Luidl so gern verlassen habe. Danke für Sätze wie »Wir können der Liebe, wie falsch wir sie auch immer aussprechen, in ihrer zerbrech­lichen Gestalt gewahr werden.« in einem Novum-Beitrag über die Kalli­graphin Susanne Dorendorff. Danke für den wort­bild­reichen Grenzgang zwischen Typo­graphie und Lyrik, danke für dieses dem späten Nach­folger als tgm-Vorsit­zenden immer wieder Mut zu machen, das Mithelfen den richtigen Ton im richtigen Moment zu finden. Danke Philipp Luidl!«

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