Philipp Luidl, Gestalter und Denker
Für einige Generationen war Philipp Luidl prägender Lehrer. Vielen seiner zahlreichen Schüler merkt man seinen Einfluss heute noch an. Luidl vertrat eine strenge, moderne, aber traditionsbewusste Typografie. Oft verbunden mit einer positiven Kargheit, dem Klang von Schrift und Raum zugetan. Ob in der Berufsschule oder in weiterbildenden Kursen — vielen Schülern verhalf Luidl nicht nur zu einer exakten Typografie, sondern gab darüber hinaus mannigfach kulturelle, politische und künstlerische Anregungen.
Luidl war 1930 als Sohn eines Buchdruckers in Dießen am Ammersee geboren und erlebte eine klassische Karriere im grafischen Gewerbe. 1945 machte er eine Schriftsetzerlehre bei einer damals sehr angesehenen Druckerei Jos. C. Huber, sammelte Erfahrung bei vielen namhaften Betrieben, die für die Qualität im Satz und Druck standen. 1955 wurde er Schriftsetzermeister und 1958 Fachlehrer für Satz und Typografie an der Berufsschule in München, später Dozent für Schrift und Typografie an der Akademie für das Graphische Gewerbe, als auch an der Deutschen Meisterschule für Mode und an der Fachhochschule. Luidl war ein herausragender Pädagoge. Er hinterfragte die Dinge, dachte quer und hatte die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen in lapidaren, kurzen Sätzen.
Es waren die Jahre technischer Änderungen. Bald gab es die Herausforderungen des Fotosatzes zu bewältigen. Luid schrieb einen »Desktop-Knigge. Setzerwissen für Desktop-Publisher« und engagierte sich so für die Bewahrung typografischen Verständnises.
Als Fachautor findet man ihn in den gängigen Büchern und Fachzeitschriften mit wichtigen Beiträgen vertreten, kulturell mahnend in der Süddeutschen Zeitung oder beispielsweise in seinem knapp und eindrücklich gefassten Standardwerk von 1984 »Typografie: Herkunft, Aufbau, Anwendung«. Dabei war er »Rufer« für Qualität mit Vortragsthemen wie »Was bedeutet uns heute noch Schrift« von 1978 oder »Die Typografie in den Fängen der Technik« von 1989. Der oft valentineske Kritiker Philipp Luidl bleibt wohl vielen Zeitgenossen in Erinnerung.
Viele tgm-Publikationen sind unter seiner Feder entstanden. 1972 die tgm-Jahresgabe (gesetzt in Akzidenz Grotesk).»Es war eine Jahresgabe, die aus dem gewohnten Rahmen fiel und prompt die etwas konservativen Mitglieder die Stirn runzeln ließ«, so der tgm-Chronist Xaver Erlacher. 1976 ließ Luidl das Buch über Jan Tschichold natürlich in Tschicholds Schrift »Sabon« setzen.
»Die Typographische Gesellschaft ist keine Priesterschaft, obwohl Typografie manchmal den Anschein erweckt, als sei sie die Kunst von Geheimbünden«, so schrieb Philipp Luidl 1989 am Ende seines Beitrags »Im Hauptfach Typografie« in der tgm-Chronik. Und dieser Beitrag ist gleichzeitig positiv auf die Zukunft bezogen und doch voller Skepsis, halt typisch Luidl.
»Wer der Zeit keinen Gedanken schenkt, der darf auch die Schrift vergessen«, beginnt Philipp Luidl sein Buch »Schrift die Zerstörung der Nacht«. Das Buch ist aus Günter Gerhard Langes Schrift »Concorde« gesetzt, aber eigentlich geht es um Aspekte zur Schriftgeschichte. Dieses Buch war Luidls Geschenk an die tgm, als er sich 1993 von der Gesellschaft verabschiedete und seiner zweiten großen Leidenschaft nachging — der Lyrik. In Luidls Gedichten zeigen sich Ähnlichkeiten mit seiner Arbeit als Typograf. Kurze, prägnante Texte, absolut reduziert. Und diese – von ihm selbst gelesen – gehört zu einem Höhepunkt der »Nach-Luidl-Zeit« der tgm.
Als ich Philipp Luidls Nachfolge in der tgm antrat, war mir seine Größe bewusst. Die Zeit war ganz anders geworden. Doch die Qualitätsmaßstäbe technischer und ästhetischer Art, wie sie Luidl vertreten hatte, blieben gültig.
Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten
Abschied von den TM
»Ende dieses Jahres wird die letzte Ausgabe der Typografischen Monatsblätter, TM, und der Fachhefte grafische Industrie, FGI, erscheinen«, schreibt Hans Kern, Herausgeber der Gewerkschaft Medien und Kommunikation, in der Ausgabe 3–2014 dieser einzigartigen Zeitschrift.
Charakter, Geschick, Leidenschaft
Zur Ehrung zum 100. Geburtstag des großen Schriftexperten Günter Gerhard Lange. Günter Gerhard Lange (kurz GGL, 1921–2008) gilt als einer der weltweit bedeutendsten Schriftgestalter und Förderer der Schriftqualität des 20. Jahrhunderts. Insbesondere als langjähriger künstlerischer Leiter der H. Berthold AG prägte er die Schriftgestaltung bis heute.