Neue Reihe zur Buchästhetik
Die Bände sind in sympathischem Leseformat (130 × 205 mm) flexibel in Broschuren mit Schutzumschlag gebunden.
Im ersten Band mit dem Titel »normal regulär book roman« liefert Hans Andree einen Beitrag zur Typografie- und Schriftgeschichte (wie auch der Untertitel lautet). Es handelt sich hierbei um eine kurze Schriftgeschichte, die insbesondere von geschriebenen und gedruckten Büchern ausgeht. Wie gewohnt sind Andrees Ausführungen brillant und bewegen sich von der Schrift der Griechen bis zu heutigen Telefon- und Bildschirmmedien.
Der zweite Band stammt von Günter Karl Bose, der sich mit dem Ende der gedruckten Bücher befasst, unter dem Titel »Das Ende einer Last«. Bose beginnt mit dem Gewicht, das Bücher haben und dass sie uns Lesern sowie den Bibliotheken damit zur Last fallen können. Dies wird in diesem Beitrag durch sehr spannende Darstellungen aus der Geschichte des Buches erläutert, die den Buchmarkt, die Verlagsgeschichte, die Materialien, den Druck und vor allem die Typografie betreffen. Die Liebe zum gedruckten Buch ist stets spürbar und somit ist das Ende der Lust nicht abzusehen. Bose endet mit »… scheint von dem, was wir sehen und anfassen, was wir begreifen können und was schwer in der Hand liegt, eine gewisse Beruhigung auszugehen. Vielleicht sind es solche Empfindungen, die uns bei den Büchern halten.«
Im dritten Band geht Gerd Fleischmann auf die besondere Leistung Jan Tschicholds für die moderne Lesetypografie ein. »Tschichold na und?« zitiert eine Erfahrung mit jungen Gestaltern. Fleischmanns Buch besteht aus 24 Miniaturen über und zu Tschichold. Ein zentrales Kapitel besteht aus den Satzregeln, die Tschichold 1947 für den Satz der Penguin-Bücher aufgestellt hat. Daneben steht die deutsche Übersetzung, die Tschichold 1951 für den deutsch-schweizerischen Satz nachgeholt hat. Und natürlich hat Fleischmann die einzelnen Satzrubriken kenntnisreich für unsere heutige Technik kommentiert. Vielleicht ist mit dieser Ausführung erstmals eine systematische Anweisung im Sinne des Lesens für die Buchgestaltung formuliert worden.
Viele der Miniaturen hängen mit der eigenen Erfahrung des Autors oder dem kritischen Gebrauch von Büchern, die in unserer Zeit entstanden sind, zusammen. Und immer geht es vor allem um das Lesen, ganz in der Fortführung der Tradition Tschicholds, doch recht unverkrampft und erfrischend lesenswert.
Die Bände sind jeweils von den Autoren gestaltet. Dass hier jeder seine eigenen Präferenzen nutzt, ist selbstverständlich. Einige Fragen eines lesenden Typografen tauchen aber dennoch auf. Bei Bose ist der Text aus der sehr schönen Augereau-Antiqua von John Abrams aus dem Jahr 1986 gesetzt, die aber eher klassisch wirkt und eher bewahrend als beendend ist. Die anderen Ebenen der Bilder im schönen Duplexdruck scheinen etwas zufällig im Buch platziert zu sein.
Hans Andrees sehr dichte Typografie (aus der Adobe Garamond Pro und Bildlegenden aus der Avenir gesetzt) folgt der wunderbaren Idee, dass die lesenswerten Fußnoten immer gleich »greifbar« und damit auf der linken Seite stehen, was man nach der zweiten Doppelseite schon kapiert. Allein des dichten Textes wegen erschweren große Einzüge und Abstände nach den Fußnoten das Lesen etwas.
In Fleischmanns Buch, das absichtlich nicht in der Sabon, sondern in Bezug auf die heutige Zeit aus der Scala-Sippe gesetzt ist, bleibt die Frage, warum ein Textbuch, das drei Bilder enthält, auf einem gestrichenen (wenn auch sehr schönen) Gardapat 13 Kiaro gedruckt wird.
Sowohl bei Fleischmann als auch bei Bose bedauert man als Leser, dass man für die höchst interessanten und lesenswerten Fußnoten im Buch hinten blättern muss. Allerdings finde ich die Fußnoten so interessant, dass sie auch im Haupttext hätten stehen können.
Reihe: Ästhetik des Buches
Herausgegeben von Klaus Detjen
Band 1
Hans Andree
normal regular book roman
Ein Beitrag zur Schrift- und Typografiegeschichte
72 Seiten mit 20 Abb.
engl. brosch.
€ 19,90
ISBN 978–3–8353–1354–5
Band 2
Günter Karl Bose
Das Ende einer Last
Die Befreiung von den Büchern
80 Seiten mit 14 Abb.
engl. brosch.
€ 19,90
ISBN: 978–3–8353–1355–2
Band 3
Gerd Fleischmann
Tschichold – na und?
79 Seiten mit 3 Abb.
engl. brosch., 13,0 × 20,5€ 19,90
ISBN: 978–3–8353–1353–8
Wallstein Verlag, Göttingen 2013
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