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Buchbesprechung

Lesikon, Notizhefte und ein Album

Rudolf Paulus Gorbach
30. Oktober 2011
Drei sehr groß­artige Bücher, die bestimmt nicht zusam­men­passen, beschäf­tigten mich zur gleichen Zeit.
Alle sind außer­ge­wöhnlich und doch voller Verweise.

Henning Ritters »Notizhefte« sind wohl tatsächlich Notizen, die beim Schreiben an und für andere Projekte entstanden sind. Ohne Register, ohne Über­schriften kann man sich von Seite zu Seite auf Neues und Tief­gründiges einlassen. Die ganz normale Lese­ty­po­graphie und das halbdünne Papier helfen dabei. Inhaltlich hoch gelobt (Die Zeit, 14.10.2010).

Das ganz andere Projekt nennt sich »Album«, stammt von Hans Magnus Enzens­berger und erinnert im Layout ein wenig an Hans Joachim Gelbergs ebenso wunderbare Jahr­bücher der Kinder­li­teratur aus den siebziger Jahren. Auch hier darf man blättern, verweilen, eine Ordnung wird nicht öffentlich gemacht.

Und dann das dritte Buch, ein völlig verrücktes, aben­teu­er­liches, gewagtes, witziges, unprak­tisches, ja leicht verrücktes Paperback (ja Paperback!) von 3000 Seiten auf Dünn­druck­papier: »Das Lesikon der visuellen Kommu­ni­kation« von Juli Gudehus.

Als ich das Buch aus der Schrumpffolie nahm, dachte ich, dass dieses Exemplar viel­leicht schon von jemand anderem besprochen werden wollte und bereits Markie­rungen ange­bracht hat. Irrtum, es sind zufällige Beigaben der Autorin. Bin ich bei einem Ereig­nisbuch gelandet? Der Blick in das Buch macht zunächst stutzig.

Es sieht aus wie eine Enzy­klopädie, hat einzelne Beiträge (von drei­tausend Autoren), geht aber nicht von A bis Z, sondern hat 508 Kapitel gruppiert. Ein Labyrinth also für die Suche. Die Quel­len­angaben stehen immer unter dem jeweiligen Beitrag, sind aber ab 25 Jahren nur noch mit der Lupe zu erkunden. Aber für lexi­kalisch Suchende: Es gibt auch ein Stich­wort­ver­zeichnis, in dem alle behan­delten Stichworte aufge­listet sind. Damit das aber nicht so einfach geht, sind die Begriffe dort alle in Groß­buch­staben gesetzt. Und dennoch: Die Beiträge sind informativ, oft auch witzig, nicht alles dürfte wissen­schaftlich fundiert sein, und es macht eine Menge Spaß, sich mit diesem in jeder Hinsicht schweren Büchlein zu beschäftigen.

Rezen­senten würden nun gerne exem­pla­rische Beiträge heraus­greifen oder in Beziehung setzen. Das habe ich natürlich gerade in meinen Kern­in­ter­es­sen­ge­bieten auch getan. Und versuchen Sie es einfach auch so. (Inzwischen benutze ich das schwere Heft durchaus auch zum Nach­schlagen, wenn es die Zeit erlaubt).

Henning Ritter
Notizhefte.
426 Seiten,
32,00 €,
ISBN-13: 9783827009586
Berlin 2010 (Berlin Verlag)

Hans Magnus Enzensbeger
Album.
Mit vielen Bildern
241 Seiten,
39,90 € 
ISBN: 978–3–518–42210–6. 
Berlin 2010 (Suhrkamp Verlag)

Juli Gudehus 
Das Lesikon der visuellen Kommu­ni­kation. Eine Collage.
3.000 Seiten mit 5 indi­vi­duellen Fund­s­tücken der Alltags­ty­po­grafie als Lese­zeichen.
9.704 Begriffe.
ISBN 978–3–87439–799–5,
100,00 EUR.
2010, Mainz (Hermann Schmidt)

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