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Typo­grafie muss oft auf sich aufmerksam machen, bevor sie gelesen wird. Doch um gelesen zu werden, muss es die Aufmerk­samkeit aufgeben, die es auf sich gezogen hat.
Robert Bringhurst

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Buchbesprechung

Konkrete Poesie, Typografie und Eugen Gomringer

Rudolf Paulus Gorbach
26. Juni 2022
Konkrete Poesie, wie sie vor allem in den 1950er Jahren entstand, basiert auf Typo­grafie. Und die Typo­grafie ist die der damaligen Moderne. Mit dem Werk von Eugen Gomringer befinden wir uns also in den aufre­genden Jahren der Nach­kriegszeit, allerdings in der Schweiz.

Die Verwandt­schaft zur Szene der Konkreten Kunst liegt nahe, und Namen wie Max Bill, Gottfried Honegger, Richard Paul Lohse, Dieter Roth oder Karl Gerstner fallen nicht nur am Rande. Details »aus der Zeit der großen Attitüden, in der gute Designer auch schlechte Kunst machten und gute Künstler auch schlechtes Design«, wie Roland Früh in seinem Vorwort zu diesem Buch schreibt.

Grafik und Typo­grafie sind häufig mit Typo-Grafiken verbunden. Also dort, wo Typo­grafie auch zum Bild wird. Das begann bereits mit den Futu­risten und setzte sich auf andere Art mit den konkreten Poeten fort. Diese suchten nach der Einheit von Inhalt und Form. Und nach Jahren der Abstinenz tauchen solche Bewe­gungen oder Modelle in der zeit­ge­nös­sischen Gestaltung wieder auf. Worte formen dabei die Sprache.

Gomringer arbeitete als Sekretär von Max Bill an der hoch­schule für gestaltung in Ulm und war nicht nur dadurch als Poet und Texter in der grafischen Avantgarde der 50er Jahre vernetzt. Im vorlie­gendem sehr schön und passend gestaltetem Buch geht es um die Themen des Konkreten (nach Max Bill) und wie sie Gomringer sah: Die Verein­fachung der Sprache, die für eine konkrete Poesie ganz wichtig ist; Themen, die wir heute in der Gestaltung kennen, wie die Wieder­ent­deckung der Fläche; Formen und Gegen­formen in der Schrift oder die Forde­rungen für die Typo­grafie mit Klein­buch­staben.

Gomringer arbeitete als Texter und auch als konkreter Lyriker immer mit Grafik-Designern zusammen. Und es gibt Zeugnisse dafür, dass konkrete Texte erfolgreich in der Werbung eingesetzt wurden durch eine intensive Zusam­me­n­arbeit mit dem Desi­gnstudio E+U Hiestand für das Warenhaus ABM.

Das Buch zeigt auf erfreuliche Art und Weise, wie die konkrete Kunst gleich­zeitig Basis der Schweizer Typo­grafie der 50er und 60er Jahre wurde: »worte formen sprache«.

Simon Mager (Hrsg.)
Worte formen Sprache
Über konkrete Poesie, Typo­grafie und die Arbeit von Eugen Gomringer

220 Seiten
ca. 120 Abbil­dungen
16o × 240 mm
Broschur
25 Euro
ISBN 978–3–03863–068–5

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