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Die Typo­grafie ist eine spröde Geliebte, doch wer sich ernsthaft um sie bemüht, dem wird sie ihre ganze Schönheit offenbaren.
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Buchbesprechung

Hocken in Ulm und anderswo

Rudolf Paulus Gorbach
29. Dezember 2023
Was zur Ikone wurde, begann ganz einfach aus dem Mangel und dem Willen zur Einfachheit. Der Ulmer Hocker: Wie er entstand, die Denk­­weisen, die ihn geprägt haben und was aus ihm in der Desi­gn­­ge­schichte geworden ist.
Der Ulmer Hocker: Idee – Ikone – Idol, 2023, Buchgestaltung: Tino Graß aus Pulheim
Das Buch »Der Ulmer Hocker: Idee – Ikone – Idol« wurde 2023 herausgebracht. Für die Buchgestaltung ist Tino Graß aus Pulheim verantwortlich.

Der Ulmer Hocker, dieses fast archaische Möbelstück, entstand in den Aufbau­jahren der Hoch­schule für Gestaltung Ulm. Das Geld für das Gebäude reichte nicht aus und so musste bei der Möblierung empfindlich gespart werden. Verur­sacher, also Designer, gibt es mehrere und die genaue Aufteilung zwischen den Akteuren in der hfk ist nicht ganz geklärt: Max Bill, Hans Gugelot, aber auch Paul Hildinger (der Schreiner) und Josef Schlecker (sogar aus der Metall­werkstatt).

Der Hocker wurde während der gesamten Zeit an der Hoch­schule viel­fältig genutzt. Nicht nur in den Vorle­sungen (unbe­quemes Sitzen), sondern auch für alle möglichen Abstell- oder Fremd­funk­tionen. Eine lange Bild­strecke im Buch doku­mentiert diese »Histo­rische Nutzung und Umnutzung«.

Tief­gründig und sehr lehrreich wird der Hocker von Thomas Hensel in die Desi­gn­­ge­schichte einge­bettet, wobei die »Bezugs­linien« zur Desi­gntheorie offen gelegt werden. Bezüge werden eröffnet zu Marshall McLuhan, Friedrich Kittler und Regis Debray, aber auch zu Künstlern, die bis zur »Akteur-Medien-Theorie« (ANT) reichen und ausführlich behandelt werden. Darüber hinaus wird die besondere Technik der Fertigung eingehend beschrieben.

»Der Ulmer Hocker lässt sich aus der Archi­tektur der HFG [die stammt von Max Bill] ableiten«, schreibt Thomas Hensel und sieht den Hocker als »Urstein« des Gebäudes oder als Modul zu verstehen. Diese Rolle spielt er sicherlich auch als Nimbus für die hfg in Ulm.

Zahlreich abge­bildet und beschrieben sind Reprisen, Varia­tionen, Nach­ah­mungen, Varianten, Persi­flagen des Hockers und seiner Idee. Die Buch­ge­staltung kann man im Sinne der hfg wahr­nehmen, klar und einfach, und dadurch passend und sehr schön. Sie stammt vom Studio Tino Graß.

Gibt es eigentlich etwas Ähnliches wie einen Ulmer Hocker in der Typo­grafie? Eine Frage an unsere Leser.

Die Doppelseite dem dem klassischen Ulmer Hocker.
Der klassische Ulmer Hocker: So, wie man ihn kennt. Die Gestaltung des Buches greift auch die Ulmer Linie von damals auf.

Viktoria Lea Heinrich, Thomas Hensel, Martin Mäntele
Der Ulmer Hocker
Idee – Ikone – Idol

Heraus­gegeben vom HFG-Archiv, Ulm
328 Seiten mit 300 Abbil­dungen
Broschur
170 × 240 mm
avedition Stuttgart, 2023
978–3–89986–360–4
39 Euro

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