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Typo­graphie ist eine Dienst­leistung. Die Kunst daran ist vor allem die Kunst, von sich selbst einmal absehen zu können, die Disziplin, sich nicht zwischen Autor und Leser zu drängen.
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Buchbesprechung

Wahl-Familie: Zusammen weniger allein?

Rudolf Paulus Gorbach
18. Juli 2022
Ausgehend von der Typo­grafie ist die nächste verwandte Disziplin die Foto­grafie. Typo­gra­fisches Gestalten hat sehr viel mit ihr zu tun, viel­leicht sogar mehr als mit grafisch gestalten und illus­trieren. Und das führt bei Typo­grafen zu Besuchen von Foto­ausstel­lungen und Foto­museen, um auch aktuell über Strö­mungen der Foto­grafie informiert zu sein.

Geht man von der Typo­grafie aus, ist die nächste verwandte und korre­spon­dierende Disziplin die Foto­grafie. Typo­gra­fische Gestaltung hat sehr viel damit zu tun, viel­leicht sogar mehr als mit Grafik und Illus­tration. Und das führt bei Typo­grafen zu Besuchen von Foto­ausstel­lungen und Foto­museen, um auch aktuell über Strö­mungen der Foto­grafie informiert zu sein.

Dazu gehört auch die künst­le­rische Foto­grafie. Im Foto­museum Winterthur ist derzeit die Ausstellung »Wahl­Familie« zu sehen (siehe auch tgm-Studi­enreise am 2. und 3. September 2022). Um das dazu­ge­hörige Ausstel­lungsbuch aus dem Christian Merian Verlag geht es in dieser Rezension.

Im Fotoband Wahl­Familie zeigen zeit­ge­nös­sische Foto­gra­finnen und Foto­grafen Porträts und Foto­serien ganz unter­schied­licher Fami­li­en­konzepte aus verschiedenen Jahr­zehnten. Kurze Essays zu den einzelnen Künstlern und ihrem Werk stellen Familie in Foto­grafie und Kunst vor: privater Alltag und Insze­nierung, emotionale Momente und Pose.

»Doch was bedeutet Familie? Was bietet sie an Lebens­ent­würfen, an Heimat und Schutz, aber auch an Zumutung und Entfremdung? Wie defi­nierte sich Familie früher, wie heute? Diese Band­breite an Möglich­keiten spiegelt sich in den Arbeiten der Foto­gra­finnen und Foto­grafen … Ähnlich wie die konti­nu­ierliche Entwicklung der Foto­grafie von ihren Anfängen als Daguer­reotypie bis zur heutigen Digi­ta­li­sierung haben sich auch die Familien- und Rollen­bilder radikal verändert. « (aus dem Pres­setext).

Die Text­beiträge des Buches verknüpfen die Themen Foto­grafie und Familie sowohl essayistisch als auch wissen­schaftlich. Nadine Wiet­lisbach nähert sich den Themen auf sehr persönliche Weise. In ihrem Gespräch mit der Basler Geschlech­ter­for­scherin Andrea Maihofer geht es um Fami­li­en­gründung, Kinder­kriegen, einseitige Belastung der Frauen und Patch­work­fa­milien. Stefan Länz­linger schreibt über Fami­li­en­bilder in Archiven. Ihm folgt die MoMa-Mita­r­beiterin Lucy Gallun über Dinge im eigenen Zuhause. Aber auch die heutige Verbreitung von Foto­grafien in der Fami­li­en­kom­mu­ni­kation (Handyfotos) wird von der Medi­en­wis­sen­schaftlerin Patrica Prieto-Blanco im Gespräch mit Studien­teil­neh­me­rinnen untersucht.

Das Buch besticht durch die klare Gestaltung der Bild­strecken, aber auch durch seine einfalls­reiche Typo­grafie. Als Paperback mit offenem Rücken und Faden­heftung lässt es sich zudem bequem ganz aufschlagen und »klammert« nicht.

Nadine Wiet­lisbach (Hg.)
Wahl­Familie
Zusammen weniger allein

196 Seiten
104 meist farbige Abbil­dungen
broschiert, 200 × 285 mm
Christian Merian Verlag, Basel 2022
ISBN 978–3–85616–967–1
38 Euro

Mit Arbeiten u.a. von Aarati Akkapeddi, Larry Clark, Mark Morrisroe, Annelies Štrba und Nan Goldin Text­beiträge von Lucy Gallun, Stefan Länz­linger, Nadine Wiet­lisbach, Benjamin von Wyl u.a.

Ausstellung im Foto­museum Winterthur bis 26. Oktober 2022.

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