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Amtliches Regel­werk: Kleine Zeichen, große Wirkung

Michi Bundscherer
30. August 2024
Als Typo­graf·in oder Desi­g­ner·in sieht man die Welt oft mit anderen Augen – doch es sind nicht nur die Buch­staben, die faszi­nieren. Die wahre Magie liegt in den Details: Striche, Punkte … selbst die unsichtbaren Leer­zeichen. Es ist diese Liebe zum Detail, die Texte erst lesbar und lebendig macht. Nun finden solche Fein­heiten auch im »Amtlichen Regelwerk der deutschen Recht­schreibung« ihren Platz!

Sie haben es wieder getan: Zum 1. Juli 2024 wurde das Amtliche Regelwerk der deutschen Recht­schreibung erneut erweitert – diesmal um wesentliche Details zur Mikro­ty­po­grafie.

»Die Kunst steckt zum größten Teil in den Zwischen­räumen«, sagte Jan Tschichold treffend. Für Typo­graf·innen und Desi­g­ner·innen, die sich intensiv mit ihrem Handwerk ausein­an­der­setzen, sind diese neuen Regeln daher keine Über­ra­schung – sie gehören zur Grund­aus­bildung im grafischen Bereich. Doch dass diese Fein­heiten nun auch für Schulen und Behörden in einem bindenden Regelwerk verankert sind, macht sie einem breiten Publikum bekannt. Es gibt jetzt einen klaren Leitfaden, der die Kunst des feinen Text­satzes noch präziser umsetzbar macht.

In der aktuellen Über­a­r­beitung wurden wichtige Hinweise zur Mikro­ty­po­grafie (Ortho­ty­po­grafie) hinzu­gefügt:

1. Die Unter­scheidung von Gedan­ken­strich und Divis

Der Abschnitt 6 des Regelwerks betont, dass das Divis und der der Gedan­ken­strich nicht verwechselt werden dürfen. Das Divis [-], je nach Verwendung auch Binde­strich, Kurz­strich, Trenn­strich oder Vier­tel­ge­viert­strich genannt, steht immer in direktem Kontakt zu Buch­staben und fungiert als Wort­zeichen. Der längere Gedan­ken­strich [–], auch Halb­ge­viert­strich, Bis-Strich oder Stre­cken­strich, trennt Wörter oder Satzteile hingegen ohne Buch­sta­ben­kontakt. Zudem wird auf die unter­schiedliche Länge der beiden Striche hinge­wiesen, was als »syste­ma­tisches Unter­schei­dungs­merkmal« dient. Diese Regelung hilft, Miss­ver­ständnisse zu vermeiden und sorgt für eine präzisere Text­ge­staltung.

Der Gedan­ken­strich wird bei Spre­cher­wechseln, Themen­wechseln, über­ra­schenden Wendungen und Konstruk­ti­ons­wechseln eingesetzt. Oft markiert er paarig einge­schobene Zusätze (»Das Buch – es lag schon lange da – wurde endlich gelesen«). Wenn der Zusatz am Anfang oder Ende eines Satzes steht, entfällt der zweite Gedan­ken­strich.

Das Divis ist übrigens direkt über die Tastatur (rechts unten) erreichbar, den Gedan­ken­strich erreicht man auf macOS über die Tasten­kom­bi­nation ⌥ und Divis, bzw. auf Windows über die Eingabe von 0150⁠ bei gedrückter Alt-Taste.

2. Die richtige Anwendung von Auslas­sungs­punkten

Der Abschnitt zur Verwendung von Auslas­sungs­punkten im Regelwerk stellt klar, dass Auslas­sungs­punkte »nur dann Kontakt zu Buch­staben« haben dürfen, wenn Teile von Wörtern fehlen (z. B. »Du D…!«). Bei der Auslassung ganzer Wörter müssen sie hingegen durch ein Leer­zeichen vom vorher­ge­henden Wort getrennt werden (»Du …!«). Diese Unter­scheidung fördert die Lesbarkeit und sorgt für eine klare Kommu­ni­kation. Zudem können diese drei Punkte für Aufzäh­lungen, zur Anzeige von Pausen und Unter­bre­chungen sowie als Stil­mittel verwendet werden, wenn beispielsweise ein Gedanke im Text nicht zu Ende geführt wird … Am Satzende kann ein zusätz­licher Satzpunkt entfallen.

Fachleute verwenden hierfür übrigens nicht drei einzelne Satz­punkte [.⁠.⁠.] sondern mit der Ellipse ein eigen­ständiges Schrift­zeichen […]. Auf Apple-Desktops erzeugen Sie diese Auslas­sungs­punkte mit ⌥ und dem Satzpunkt [.], auf Windows durch Eingeben der Ziffernfolge 0133 bei gedrückter Alt-Taste.

3. Flexi­bilität im Umgang mit dem Schräg­strich

Der dritte mikro­ty­po­gra­fische Hinweis betrifft den Gebrauch des Schräg­strichs. Der Rat für deutsche Recht­schreibung legt fest, dass der Schräg­strich ohne Leer­zeichen verwendet wird, »wenn Wortteile oder einzelne Wörter zusam­men­gehören«, wie in den Beispielen »Patient/-in« oder »Schüler/-innen«. Bei der Zusam­men­fassung von Wort­gruppen, wie »Ende Januar / Anfang Februar«, erlaubt das Regelwerk jedoch die Verwendung von Leer­zeichen vor und nach dem Schräg­strich, um die Lesbarkeit zu verbessern. Diese Regelung geht über die DIN 5008 hinaus, die Leer­zeichen bei der Zusam­men­fassung von Wort­gruppen nur empfiehlt und weniger detail­lierte Vorgaben zum Gebrauch des Schräg­strichs macht.

Wichtig ist dabei, dass der Schräg­strich entweder auf beiden Seiten ohne Leer­zeichen oder auf beiden Seiten mit Leer­zeichen verwendet wird – Misch­formen sind nicht sinnvoll. Diese Regel sorgt für eine einheitliche und gut lesbare Text­ge­staltung.

Der Rat für deutsche Recht­schreibung ist ein zwischen­staat­liches Gremium, das seine Legi­ti­mation von den Regie­rungen der deutsch­spra­chigen Länder Deut­schland, Österreich, Schweiz, Liech­tenstein und Belgien erhält. Er überwacht die Einheit­lichkeit und Weiter­ent­wicklung der deutschen Recht­schreibung, gibt das amtliche Regelwerk heraus und erar­beitet Empfeh­lungen zur Anpassung der Recht­schrei­b­regeln. Diese Empfeh­lungen sind für staatliche Insti­tu­tionen, Schulen, Verlage, Medien und die allgemeine Öffent­lichkeit gedacht, um eine einheitliche Anwendung der deutschen Sprache im schrift­lichen Bereich sicher­zu­stellen.

Weiter­führende Infor­ma­tionen zu den oben genannten Themen finden Sie in der aktuellen Publi­kation »Amtliches Regelwerk der deutschen Recht­schreibung« vom Rat für deutsche Recht­schreibung, dass Sie am besten gleich hier als PDF laden können. Die bespro­chenen Neue­rungen finden Sie im Kapitel »E – Zeichen­setzung«.

Fazit: Die Magie liegt im Detail

Die Typo­gra­phische Gesell­schaft München (tgm) begrüßt die neuen mikro­ty­po­gra­fischen Regeln im Amtlichen Regelwerk der deutschen Recht­schreibung. Typo­gra­fische Fein­heiten, die bisher oft übersehen wurden, rücken nun ins Rampenlicht. Diese Regeln feiern die feinen Nuancen und machen Texte nicht nur lesbarer, sondern auch eleganter. Ein klares Bekenntnis zu Qualität und Sorgfalt im Umgang mit Schrift – und ein bedeu­tender Schritt für eine moderne Kommu­ni­ka­ti­ons­kultur.

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