typographische
zitate
Gute Typo­grafie erklärt den Inhalt, nicht den Gestalter.
Kurt Weidemann

Typographische
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Buchbesprechung

Typografische Komposition

Rudolf Paulus Gorbach
15. Mai 2024
Ein Buch, das spezifisch die Gestaltung durch Typo­grafie behandelt? Typo­gra­fie­bücher bleiben manchmal im Thema der Schrift »stecken« oder verlassen nicht die Welt der typo­gra­fischen Details. In Martin Moschs Buch geht es jedoch um das Ganze, das »System Typo­grafie« als typo­gra­fische Kompo­sition.

Natürlich gehören die Details der Typo­grafie dazu, sie sind die eigentliche hand­werkliche Voraus­setzung für eine gelungene Gestaltung. Und umgekehrt bisweilen, falls sie mangelhaft sind, sind sie die Ursache für miss­lungene oder faden­scheinige Gestaltung.

So beginnt das Buch erst mal mit dem univer­sellen Werkstoff, der Schrift. Die Einzel­formen der Buch­staben werden ausführlich analysiert. Und gleich geht es um die Bedeutung der Buch­sta­benteile für das Schriftbild und man gerät in die gesamten Themen der Mikro­ty­po­grafie. Lesbarkeit wird an der Laufweite der Schrift verglichen, wobei der Vorgang des Lesens eigens behandelt wird. Beim Aufbau der Zeile findet man sich auch schon im Bereich der Gestaltung ein. Ausführlich und mit sehr viel Beispielen wird dies alles belegt.

Mit dem Kapitel »Form und Gestalt der Kolumne« beginnt die Seiten­ge­staltung und besonders das Spezi­fische der typo­gra­fischen Gestaltung. Damit die typo­gra­fische Basis der Seite gut gelingt werden die Fein­heiten des Umbruchs, sowie Block-, aber auch Flat­tersatz genau besprochen. Die Basis der Kompo­sition wird anhand eines einzelnen Wortes auf der Seite erläutert; Kompo­sition als rhyth­mische Verbindung. Hierzu fällt mir Emil Ruders groß­artiges Werk von 1967 »Typo­grafie« ein. Aber leider gibt es im Buch von Martin Mosch kein Lite­ra­tur­ver­zeichnis. Will der Autor seine Quellen für sich behalten?

Die Ordnungs­strukur der verschiedenen zu gestal­tenden Elemente steht über der Kompo­sition und auf die Vorteile einer klaren Hier­archie wird hinge­wiesen. Und alle Beispiele im Buch werden ausgiebig nach ihren gestal­te­rischen Gesichts­punkten erläutert. Gleich­zeitig wird die Möglichkeit von Dynamik innerhalb der Gestaltung, aber auch die Glaub­wür­digkeit der Typo­grafie beschworen.

Typo­gra­fische Kompo­sition funk­tioniert nur, wenn die Grundlagen hierzu bekannt sind. Dafür befasst sich das Buch mit den Kräf­te­feldern der Fläche, wie wir sie wahr­nehmen.  Dazu erhält Kand­inskys Theorie ein ganzes Kapitel.

Den Goldenen Schnitt bezeichnet der Autor als »unsere Sozi­a­li­sation«. Dieses bekannteste Propor­ti­onsystem erscheint hier dominant. Seine Schnitt­punkte, die hier«Golden« bezeichnet werden, dienen als Erklärung zu einem gestal­te­rischen Kosmos. Schade, dass andere Propor­ti­ons­systeme nicht ebenfalls untersucht wurden.

Mit welcher Kraft ein Element auf der Seite auftritt sorgt für eine Wich­tigkeit, oder auch für das Gegenteil. Hierbei wird auch die verwendete Farbe bedeutend. Empfundene verbindende  Linien (Achsen) in der Gestaltung sind sowohl für die Wahr­nehmung von Gestaltung wesentlich, sind aber auch Funk­ti­ons­prin­zipien der Typo­grafie.

Im Kapitel »Kompo­si­ti­ons­prin­zipien« verdichtet Martin Mosch die Themen:

1. Kreis, Dreieck, Rechteck,
2. Die Goldene Zahl als Taktgeber,
3. Radiale Kompo­sition,
4. Axiale Kompo­sition,
5. Begren­zungen,
6. Farbe, Tonwert, Kontrast,
7. Dynamik für digitale Ober­flächen.

Anhand der eingehend bespro­chenen Beispiele ist dieser Teil (immerhin 50 Seiten von 368 Seiten des Buches) eine sehr praktisch Gestal­tungslehre.

Oberes Bild: Beispiele von Taktgebern der Gestaltung. Raum, Tonwert undKontraste.
Unteres Bild: Beispiele, die mit einer radialen Kompositon gestaltet wurden.

Das letzte Kapitel im Buch befasst sich mit dem Layout. Die Themen, die hier versammelt sind, könnten auch in anderen Kapiteln stehen. Das Thema Satz­spiegel und Raster kann man doch mit Recht als Basisthema einer Gestaltung sehen. Symmetrie ist nicht nur für tradi­ti­onelle Gestaltung wichtig, sondern reicht weit in die Raster­ge­staltung hinein. Dem Spal­ten­raster wird viel Platz gewidmet. Echten Raster gibt es aber erst, wenn auch die Hori­zontale geordnet wird. Und die Gestaltung wird (zugegeben) komplexer und schwieriger.

Im letzten Unter­kapitel geht es nochmals um Buch­ty­po­grafie, wiederum mit sehr vielen Beispielen und Spielarten der Typo­grafie.

Der Kompositionsvorgang als gestalterische Kettenreaktion. Berechenbare Schritte folgen aufeinandern und macht kreative Gestaltung berechenbar.

Auch wenn man nicht mit allen gestal­te­rischen Beispielen, die im Buch abge­bildet sind, einver­standen ist; das Buch ist viel­leicht ein modernes Stan­dardwerk der typo­gra­fischen Gestaltung geworden, das gut neben den Standards von Forssman, Willberg, de Jong, Gautier, Moser und Stefan/Rothfos/Westerveld (fast alle im Verlag Hermann Schmidt erschienen) steht.

Martin Mosch
Die typo­gra­fische Kompo­sition
Das System Typo­grafie und Layout als Fundament für Ihre Krea­tivität und Effizienz
368 Seiten
Halb­leinen
Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2024
ISBN 978–3–87439–837–2
68 Euro