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Branche

Verantwortung gestalten

Herbert Lechner
9. Februar 2012
Herbert Lechner im Interview mit Stefan Sagmeister anlässlich der tgm-Konferenz, die im Rahmen der 1. Munich Design Business Week (MCBW) in München statt­findet.

»Verant­wortung gestalten«, so lautet das Motto der tgm-Konferenz im Rahmen der 1. Munich Design Business Week (MCBW). Wie sehen Sie denn die Verant­wortung des Designers?

Ich habe eigentlich immer die Meinung vertreten, dass der Designer mit seiner Arbeit keine besondere oder größere Verant­wortung hat als alle anderen Menschen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er nun am Bank­schalter sitzt oder eben Designer ist. Diese mora­lische Verpflichtung gibt es für jeden, nicht nur für den Gestalter.

Für sich selbst sehen Sie also diesen Anspruch?

Ich denke, es ist nur natürlich, dass wir – wie wohl jeder andere – mit unserer Arbeit lieber in guten Projekten involviert sind als in schlechten oder zwei­fel­haften. Unter „gut“ verstehe ich dabei, dass es Projekte sind, an die wir glauben können. Diese müssen nicht unbedingt sozial verant­wortlich sein oder in eine soziale Richtung gehen. Das kann zum Beispiel durchaus auch Werbung sein für Produkte, von denen ich überzeugt bin oder von denen ich glaube, dass sie ein Recht haben in unserer Welt zu sein. Wir hatten in letzter Zeit eigentlich nur mit Kunden zu tun, deren Produkte wir selber verwenden oder gerne verwenden würden.

Das kommt ein bisschen aus mora­lischen Gründen, hat aber viele wunderbare prak­tische Vorzüge. Einmal sind Dinge, die man selbst verwendet, span­nender, zweitens ist es auch im Umkreis viel inter­es­santer, weil man die Arbeit mit Freunden bespricht, und drittens muss man nicht lügen. Das hat einen großen Vorteil für den Kunden, aber auch für den Endver­braucher, weil die Kommu­ni­kation ehrlich ist.

Das ist in Werbe­agenturen nicht immer der Fall?

Art Direktoren oder Texter können sich die Aufgaben nicht aussuchen. Ich glaube aber, dass das über längere Zeit nicht gut für die Seele ist. Wahr­scheinlich liegt es auch daran, dass so viele ältere Werber, die ich kennen­gelernt habe, unglaublich zynisch sind. Sie haben zu lange Dinge gemacht, an die sie nicht geglaubt haben.

Aber hat denn die Arbeit des Designers als Multi­plikator nicht doch stärkere Auswir­kungen als zum Beispiel die eines Schreiners?

Ich bin mir da nicht so sicher. Auch ein Schreiner kann ein Multi­plikator sein. Wie ein Schreiner mit seinen Kunden, seinen Mita­r­beitern und seinem Material umgeht, das hat durchaus Auswir­kungen auf sein Umfeld. Ich habe gerade in Österreich einen Schreiner getroffen, von dem ich überzeugt bin, dass er seine Kunden glück­licher verlässt als er sie ange­troffen hat. Einfach weil er so liebevoll und sorg­fältig und verant­wor­tungsvoll arbeitet.

Verant­wortung gestalten, heißt das nicht auch, den Empfänger zur Verant­wortung befähigen? Gibt es dazu nicht Beispiele aus Ihrer Arbeit?

Wir haben längere Zeit für einen Kunden gear­beitet, der das Pentagon-Budget zugunsten einer besseren Ausbildung einschränken wollte. In diesem Zusam­menhang haben wir viele inter­aktive Dinge gemacht. Dadurch wurde das Publikum direkt inte­griert, etwa wenn es schätzen sollte, wie denn das Verhältnis von Militär- und Erziehungs-Etat aussieht. Wenn die Möglichkeit besteht, den Betrachter aktiv mit einzu­be­ziehen, dann wählen wir immer diesen Weg, weil wir überzeugt sind, dass dadurch die Kommu­ni­kation besser funk­tioniert.

Wie sehen Sie denn eine Initiative wie die MCBW, die sehr viele, sehr unter­schiedliche Veran­stal­tungen, Ausstel­lungen und Präsen­ta­tionen aus ganz unter­schied­lichen Bereichen vereinigt?

Grund­sätzlich finde ich solche Bemü­hungen immer sehr hilfreich. Ich denke auch, dass gerade die Kommu­ni­ka­ti­ons­de­signer da anderen Design-Sparten voraus sind. Wenn man etwa Produkt­design, Mode oder auch Werbung betrachtet, dann sind die Veran­stal­tungen thematisch meist sehr viel enger gefasst – oder es geht sowieso nur um Preis­ver­lei­hungen und Auszeich­nungen.

Dass es aber Veran­stal­tungen gibt, die eher grund­legende Fragen stellen, das ist glaube ich schon das Verdienst der Kommu­ni­ka­ti­ons­de­signer – und viel­leicht doch ihre Verant­wortung.

Das Interview führte Herbert Lechner.

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