Von Ramsifikationen und Typofikationen Nr. 1
In ihrem Vortrag »Über Mut zum Experiment – Design braucht neue Formate« am 25. Oktober 2011 hat Claudia Fischer-Appelt die erste Rams-These »Gutes Design ist innovativ« aufgegriffen bzw. zum Ausgangspunkt ihrer Ausführungen gemacht. Im Folgenden dokumentieren wir den Text in der Fassung von 1990 – zitiert nach Rams, Dieter: Die stille Ordnung der Dinge. 1. Auflage. Steidl Verlag.
Gutes Design ist innovativ.
Wenn wir an einem neuen Produkt arbeiten, fragen wir uns ständig: Enthält unsere Lösung neue Aspekte? Gibt es ähnlich gestaltete Produkte, die sich bewährt haben und mit denen man vertraut ist? Wenn das Design des Produktes nur der Verschiedenheit wegen anders ist, wird es kaum gutes Design sein. Und wenn dieses Design nicht einmal anders ist, sondern nur eine weitere »me-too«-Variation bestehender Produkte, würde ich behaupten, daß dies Design diskreditiert. Wenn ich von innovativen Produkten spreche, denke ich nicht an Science-fiction-Produkte mit einer vollkommen neuen Technologie, sondern an Produkte, mit denen wir alle vertraut sind. Es gibt immer noch viel Raum für innovative Produktideen. Wir haben noch längst nicht alle technischen und damit Design-Möglichkeiten ausgeschöpft. Es gibt heute nach wie vor reichlich Gelegenheit für bestimmte Weiterentwicklungen auf vielen Gebieten.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, Qualitätskriterien oder andere Gebote für gute Typografie aufzustellen, zuletzt vom Forum Typografie. Die tgm wird in den nächsten Monaten versuchen, die Thesen von Dieter Rams auf ihre Übertragbarkeit auf gute Typografie zu überprüfen – für die erste These hat dies Rudolf Paulus Gorbach getan:
- Gutes Design ist innovativ. In der Typografie ist das nicht so einfach zu bestätigen. Druckschriften können innovativ sein, gleichzeitig ist ihr Zweck, nämlich die Lesbarkeit, oft fragwürdig. Innovativ kann auch das visuelle Erscheinungsbild sein. Aber alles war schon mal so ähnlich da, also oft »me too«. Was gegen das Innovative spricht, ist die Lesbarkeit, die Voraussetzung für die Rezeption von Typografie ist. Und die hat sich wohl auch beim eBook nicht so sehr verändert. Das betrifft die Schrift, den Satzspiegel (zumindest im Buch) und die Mikrotypografie. Da damit oft so nachlässig umgegangen wird, wäre eine Innovation z. B. eine typografische Gestaltung, die all das berücksichtigt und damit eine neue Sprache der Aufmerksamkeit erzeugen könnte. Man müsste also nur die Qualitätsprinzipien der Typografie nicht nur ernst nehmen, sondern auch anwenden. Aber das gibt es, wenn auch nicht so häufig.
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Die zehn Prinzipien guten Designs von Dieter Rams dienen der tgm im aktuellen Programm 2011/2012 zur Strukturierung der Vortragsreihe »Respekt und Übermut« zum Thema Verantwortung im Design. Diese »Ramsifikationen« lesen sich wie ein Leitfaden für verantwortungsbewusstes Design.
Braucht Design neue »Formate«?
Der Vortrag von Claudia Fischer-Appelt stand unter dem Titel »Vom Mut zum Experiment – Design braucht neue Formate«. Sie stellte ihre Thesen anhand von Arbeiten aus ihrer Agentur vor und betonte die Wichtigkeit von Kreativität, Know-how und Mut, von Machen und Durchhalten.