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zitate
Die Typo­grafie ist eine spröde Geliebte, doch wer sich ernsthaft um sie bemüht, dem wird sie ihre ganze Schönheit offenbaren.
Günter Gerhard Lange

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Verein

Typofikation Nr. 9

Matthias Hauer
4. Juni 2012
In den 80er Jahren noch belächelt, hat der Begriff Ökologie heute einen hohen Stel­lenwert in Gesell­schaft und Unter­nehmen. Zunehmend wird er vom Begriff »Nach­hal­tigkeit« über­lagert.

Dieter Rams’ neunter Grundsatz zur guten Gestaltung lautet:
Gutes Design ist ökologisch

  • Ein Designer kann zur Einsparung von Rohma­terial und Energie während des Herstel­lungs­pro­zesses eines Produktes beitragen, zum Beispiel, indem er die Mate­rialien bewusst wählt. Er kann auch seinen Teil dazu beitragen, dass bei der Benutzung des Produktes Energie gespart wird. Er kann ebenfalls dafür sorgen, dass das Produkt benutzt wird. Er kann weiter dafür sorgen, dass das Produkt das Gleich­gewicht unserer Umwelt nicht stört. Und das meine ich im mate­riellen Sinne – zum Beispiel, indem gewähr­leistet wird, dass ein Produkt nicht so leicht verschmutzt und nicht mit Hilfe von vielen Reini­gungs­mitteln gesäubert werden muss.

War das Schlagwort »Ökologie« in den 80er Jahren des letzten Jahr­hunderts noch als »Spinnerei« einiger »Jute statt Plastik«  und »Jesu­lat­schen­trägern« abgetan und belächelt worden, so ist es heut­zutage in aller Munde und besitzt als unter­neh­me­risches Ziel der produ­zie­renden Unter­nehmen, aber auch als (Fast-)Selbst­ver­ständ­lichkeit in der Gesell­schaft – zumindest beim Bildungs­bürger – einen hohen Stel­lenwert. »Nach­hal­tigkeit« hat den Begriff »Ökologie« inzwischen fast verdrängt, um der in zukünftigen Gene­ra­tionen voraus­schauenden Bedeutung gerechter zu werden.

Auch wenn sich Rams‘ Grundsätze haupt­sächlich an die Produkt­de­signer richten, so lassen sie sich selbst­ver­ständlich genauso gut auf Archi­tektur, auf Medi­en­ge­staltung und -produktion anwenden, bis hin zu den Dingen des täglichen Gebrauchs. Hier beispielsweise zählen die Fragen, ob Hygi­e­ne­papiere wirklich aus Frisch­zellstoff herge­stellt werden müssen, wie viel Energie Fernseher, Computer und andere Geräte im Stand-by-Modus verbrauchen dürfen, ob der Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen per SUV zurück­gelegt werden muss und wie viel Energie und seltene Erden für die Herstellung von Mobil­te­lefonen verwendet werden. Tablet-PCs und eBook-Lese­geräte eingesetzt werden, ob der Frischwurst­auf­schnitt statt in Papier gewickelt in einer aufwändigen Vaku­um­fo­li­en­ver­packung erstanden wird, ob es sinnvoll ist, in PET-Flaschen verkauftes fran­zö­sisches oder in langen Lkw-Kolonnen über den Brenner trans­por­tiertes italie­nisches Mine­ral­wasser zu trinken, statt auf das von regi­onalen Produ­zenten in Glas-Mehr­weg­flaschen abge­füllte zurück­zu­greifen?

Beim Produkt­design wird meist schon aus Gründen der Material- und Herstel­lungs­kosten Wert auf Einspa­rungen gelegt, die nicht nur Rohstoffres­sourcen, sondern auch die Geste­hungs­kosten mini­mieren sollen. Diese sind ausschlag­gebend für eine möglichst attraktive Verkaufs­preis­bildung. Gute Beispiele finden sich hier bei Herstellern von Outdoor-Textilien oder Möbeln. Bei der Medi­en­kon­zeption finden sich leider immer noch Beispiele, die erkennen lassen, dass bei der Gestaltung weder auf Ökonomie noch auf Ökologie Wert gelegt wurde. Es werden Produkte auf Mate­rialien und Papieren konzipiert, die zwar »schick« und »cool« sein mögen, aber ohne jegliche Rücksicht auf wirt­schaftliche Aspekte (Vermeidung von Viertel- und Achtelbogen) oder optimale Formate. Auf nur in Schmalbahn lieferbaren Rohbögen lassen sich im Mittel­format beispielsweise nur zwölf statt der üblichen sechzehn DIN A4-Seiten plat­zieren, was die Druck­for­menzahl um 50% erhöht, aber etwa 40% des Bogens als unge­nutzter Abfall übrig bleibt. Oder es wird Wert auf FSC-Zerti­fi­zierung und Ökofarben gelegt, aber zugleich partiell im UV-Siebdruck veredelt, was die spätere Recy­cling­fä­higkeit des Produktes schier verhindert – so zu sehen bei einer Ausgabe des Kunden­ma­gazins eines italie­nischen Feinst­pa­pier­her­stellers, das auch noch ganz im Thema der »Nach­hal­tigkeit«(!) stand.

Bei der Auswahl von Mate­rialien – hier insbe­sondere bei den Papieren – und des Druckers können für ökologisch bewusste Designer und Produ­zen­tinnen verschiedene Zerti­fi­zie­rungen hilfreich sein: Stichworte wie FSC- und PEFC-Zerti­fi­zierung, CO₂-Kompen­sation, alko­hol­freier Druck mit »Ökofarben«, maku­la­tur­sparende Inline-Messung in der Druck­ma­schine oder EMAS-Zerti­fikate werden hier oft genannt. »Umwelt­papiere« sind längst nicht mehr so grau wie vor einigen Jahren, besonders da immer mehr hochweiße Misch­papiere aus frischen FSC-Fasern und mit einem hohen Anteil an Sekun­dä­r­fasern auf den Markt kommen. Freilich sind auch die genannten Zerti­fi­zie­rungen immer kritisch zu hinter­fragen: Denn sicherlich wäre es sinn­voller, in der Region produ­ziertes Papier mit Faser­ma­terial aus PEFC-zerti­fi­zierten regi­onalen Forsten einzu­setzen (in Deut­schland sind etwa zwei Drittel des Wald­be­stands PEFC-zerti­fiziert!), statt Papier aus FSC-Fasern, die aus Südamerika, Spanien oder Skan­di­navien stammen. Diese müssen nicht nur weiter­trans­portiert werden (höhere CO₂-Emis­sionen), sondern stammen leider auch oft aus reinen Euka­lyptus-Mono­kulturen, durch die einhei­mische Baumarten oder sogar Regen­wald­flächen verdrängt werden.

  • Aber ich meine auch visuellen Umwelt­schutz. Nach meiner Erfahrung verursacht visuelle Umwelt­ver­schmutzung eine ähnliche Belastung unserer Lebens­qualität wie die Verschmutzung der Luft, des Bodens oder des Wassers.

Dieser Teil aus Rams‘ These spricht eigentlich für sich selber. Auf Beispiele muss hier nicht groß einge­gangen werden, wie die aus unsäg­lichen Freefonts und penetrant mit »Deppe­n­apo­strophen« gestalteten Beschrif­tungen im öffent­lichen Raum (Paul’s Pub, Rosi’s Nail­studio), gruselige, weil unlesbare oder über­frachtete Druck­sachen (Pizza­service, Eiskarte) und Produkte, die sich gegen den Gebrauch eher sträuben (Stichwort Sat-Receiver einrichten). Hier hilft meist nur noch ein lachendes Kopf­schütteln, ein beherztes Stoßgebet (»Oh Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!«), oder aber: es besser zu machen. Viel Erfolg dabei!

Die 9. These der Ramsi­fi­ka­tionen in der Fassung aus dem Jahr 1990 ist zitiert aus Rams, Dieter: Die leise Ordnung der Dinge. 1. Auflage. Steidl Verlag.

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