typographische
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In Systemen zu denken und zu arbeiten, schafft neue Perspektiven.
Dr. Martin Lorenz bei seinem tgm-Vortrag

Typographische
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Menschen

In Freundschaft. Dein Klaus.

Olaf Leu
19. Mai 2025
Klaus F. Schmidt, Ehren­mitglied der tgm seit 2015, ist am 12. Mai 2025 – kurz vor seinem 97. Geburtstag – in seinem Haus in Philips Manor am Hudson River gestorben. Sein Freund und Wegge­fährte Olaf Leu erinnert sich in einem persön­lichen Nachruf – an einen Brückenbauer zwischen Konti­nenten, Gene­ra­tionen und typo­gra­fischen Kulturen.

Seine Lebensdaten: geboren am 25. Mai 1928 in Dessau. 1943, im Alter von 15 Jahren, wurde er – wie viele seiner Klas­sen­ka­meraden – zum Dienst als »Flak­helfer« verpflichtet. Er bediente eine 8,8-cm-Flak im damaligen Ruhr­kessel.

Seine Gefan­gen­schaft im US-POW-Camp in Halb­erstadt führte später zu der Idee, nach Amerika auszu­wandern. Davor aber begann er eine Schrift­set­zerlehre in Essen, in der Druckerei von F. Krupp. 1951 war es so weit: Er reiste mit der legendären »HMS Queen Elizabeth I« – die im Zweiten Weltkrieg auch als Trup­pen­trans­porter diente – in das Land seiner Träume: Amerika. Als Schrift­setzer setzte er seinen Beruf in der Autostadt Detroit fort, nebenbei besuchte er die dortige Universität und erwarb das BA-Diplom im Segment »Business Admi­nis­tration«.

1954 die Heirat mit der aus Braun­schweig gebürtigen Auswanderin Gisela. 1956 mit Frau und Tochter Umzug in die Metropole der Ostküste – New York. Seine erste Stelle war als Type Director bei der legendären Newcomer-Agentur »Doyle, Dane, Bernbach«. Er wechselte dann – zuerst als Type Director, später als Leiter der Produktion – zu »Young & Rubicam«. Die große Agentur an der Madison Avenue. Hier blieb er, bis er 1991 in Pension ging.

Seine Spuren: Ein mit der Schreib­ma­schine geschriebener Brief vom 27. 8. 96, ein hand­ge­schriebener vom 19. 3. 07, drei Mails im August 2022. In einer der drei – der letzten – endet er mit: »In Freund­schaft. Dein Klaus.«

Origi­na­l­zitate aus diesen schrift­lichen Hinter­las­sen­schaften

1996

»… vielen Dank für deine drei Briefe (22.7., 13.8. und 20.8.), die nun schon wieder auf Antwort warten. (Gott, bist du ein schreib­freudiges Menschenkind …) Dank auch für den überaus inter­es­santen Schu­macher-Gebler-Artikel … Mit den Schicksalen und Arbeiten der deutschen Emigranten in die USA hast du dich eigentlich nie sonderlich befasst. Die Älteren, wie Gropius, Bayer und Burtin, haben überaus viel zum Design in den USA beige­tragen, während die Jüngeren, die nach dem Krieg kamen, meist zur Schweizer-Ulmer-Schule gehörten und schnell in der Corporate-Design-Welt verschwanden …

Heute vor einem Jahr fuhren wir beide von Stamford nach Washington ab. Da warst du noch sehr opti­mistisch und hattest keine Ahnung von dem nicht-schwä­bischen Fraß auf den Amtrak-Zügen. Nun – dafür waren aber die Szenerie, der Dampf und – nicht zuletzt – die Gesell­schaft umso besser! …«

2007

»… meine liebe Frau hat mir manchmal zu viel Zurück­haltung und ein über­großes Maß an Beschei­denheit zuge­schrieben. Deshalb bin ich selbst über mich erstaunt, dass mir so über­schnell die Hutschnur geplatzt war im Laufe unserer kürz­lichen Korre­spondenz. Und dafür möchte ich um Vergebung bitten – zumal der Anlass ein recht nichtiger war, nämlich deine Bitte um eine Über­setzung. Du hast recht – wir sollten unsere nun über 40-jährige Freund­schaft nicht abbrechen.

Die Erklärung meiner allzu impulsiven Haltungsweise liegt wohl darin, dass du mir – einmal subjektiv und offen gestanden – während jener 40 Jahre öfter ›auf den Fuß getreten‹ hast …

Wir beide haben einiges gemein, vor allem, dass wir in unseren jungen Jahren Blei­buch­staben gesetzt haben und demnach eine Liebe für Schrift entwi­ckelten. (Mein Winkelhaken – allerdings ein ameri­ka­nischer – hängt noch immer neben meinem Schreibtisch) …«

2022–1

»Ja, du hast recht: Der TDC ist nicht mehr das, was er zu unseren ›guten‹ Zeiten war, da er sich nun mit einigen anderen Art Directors und grafischen Clubs verbunden hat.

Carol (Wahler), die ich in den Acht­zigern ange­heuert hatte, ist immer noch am Steuer, und ich habe auch ständige Verbindung mit ihr. Ich war aber schon lange nicht mehr in New York City und kenne ja kaum noch jemanden.

Die Zeiten mit Aaron Burns, Craw, Dorfsman, Federico, Lubalin, Rondthaler, Zapf – die im Club vorherrschten, als ich in den späten Fünf­zigern in den TDC aufge­nommen wurde – sind lange vorbei.

Die beiden Kurts – Kurt Kohl­hammer und Kurt Weidemann – hatten wohl damals entdeckt, dass ich einer der wenigen (viel­leicht der einzige) ›Druck­spiegel‹-Leser in Amerika war, und man ernannte mich zum USA-Korre­spon­denten.

1961 wurden Gisela und ich zu einer Vortragsreise nach Deut­schland eingeladen – mein erster Flug nach Deut­schland nach zehn Jahren USA. Und das führte auch zu unserer Verbindung, zu deinen vier großen Reisen durch die USA und zu deinen vielen Aufent­halten im Haus der Schmidts, das du so liebevoll das ›Bre­zelhaus‹ nanntest. Lang ist’s her …«

2022–2

»Immer wieder kommt mir zum Bewusstsein, wie viel Aaron Burns in jenen 60er- bis 80er-Jahren zur Typo­grafie-Bewegung beige­tragen hatte – weniger als Grafik­de­signer, sondern einfach als ›Macher‹. Wir alle haben ihm viel zu verdanken.

Mit Aaron starben ICTA, ICAS, Typo­mundus und auf der kommer­ziellen Seite das ITC …

Ich kann mich nicht des Gefühls erwehren, dass Kurt Weidemann seine ›Beför­derung‹ zum ICTA-Chef Deut­schland mehr oder minder als einen Titel ›honoris causa‹ ansah …«

2022–3

»Als Aaron (Burns) in den Acht­zigern von uns ging, starben seine Pläne leider mit ihm. Der TDC übernahm allerdings mit seiner inter­na­tional werdenden Ausstellung des jährlich statt­fin­denden Wett­bewerbs einiges – aber das reichte nicht an Aarons Denken heran. Jedoch: Die TDC-Idee der auslän­dischen Verbin­dungs­personen war natürlich hilfreich. Nun – lassen wir die Vergan­genheit.

In Freund­schaft. Dein Klaus.«

PS: Klaus F. war der »verlängerte« Arm von Aaron Burns. Klaus war ein glän­zender Orga­nisator, zuver­lässig und pünktlich – in Wort und Tat. Die tgm verdankt ihm nicht nur die Ausstel­lungen des TDC, ADC, IBM und CBS (Galerie Inter­graphis im BMW-Pavillon); er war ein Fürsprecher und Wegbe­gleiter für Gäste aus Deut­schland.

Klaus wirkte wie ein gut geöltes »Scharnier« zwischen den Wünschen und Interessen seiner deutschen Landsleute. Er war mit vollem Herzen Amerikaner – aber er liebte auch seine ehemalige Heimat: Sachsen-Anhalt.

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