Ein Leben für die Schriftgestaltung – Lisa Beck zum Gedenken
Am 17. Oktober 2024 ist in Augsburg Frau Professor Lisa Beck im Alter von 96 Jahren gestorben. Wenn man in einem so gesegnet hohen Alter verstirbt, ist es so, dass die großen Leistungen, die man erbracht hat, beginnen im Dunst der Zeit zu verblassen, kaum noch Weggefährten übrig bleiben und selbst Schüler inzwischen alt werden und sich aus dem aktiven Leben zurückgezogen haben. Das mindert jedoch nicht die Bedeutung dieser Leistungen für die Gegenwart und deshalb sei an sie hiermit erinnert.
Lisa Beck war Gestalterin, Schriftschreiberin, Fachautorin, Lehrperson und Hochschulmanagerin. Ihre Lebensstationen sind rasch aufgezählt: Am 15. Dezember 1927 in Augsburg geboren, wuchs sie – auch über die Kriegsjahre – behütet auf, machte 1947 an der Maria-Theresia-Schule ihr Abitur und begann aufgrund ihrer künstlerischen Begabung und ihrem Interesse am Schriftschreiben eine Ausbildung an der Kunstschule der Stadt Augsburg. Hier lernte sie mit Eugen Nerdinger einen Lehrer kennen, mit dem sie eine lebenslange, fruchtbare Arbeitsbeziehung verband. Sie war in den 1950er- und 1960er-Jahren freiberuflich und bereits lehrend tätig und wurde zu einer engen Mitarbeiterin Nerdingers. In diesen Jahren entstanden viele repräsentative schriftgestalterische Arbeiten wie Urkunden, Inschriftentafeln, aber auch Außenwerbung, Buch- und Zeitschriftenreihen sowie visuelle Erscheinungsbilder.
1964 erschien das Schriftlehrbuch »Schriftschreiben, Schriftzeichnen«, das die Basis für ihre spätere Lehrtätigkeit bildete. Hierin wird grundlegend dargelegt, wie unsere Schriftformen zu schreiben sind: Ausgehend von historischen Vorbildern, zusammengeführt auf das Wesentliche und unter Verzicht auf individuelle Schnörkel. Das ist in dieser Qualität bis heute ohne Vergleich! Gleichsam – um eines ihrer Lieblingswörter zu benutzen – als Schlusspunkt hat sie diese Grundlagenforschung im Mappenwerk und Buch »Erfahrnis der Gestalt« 1981 final zusammengefasst.
Sie war maßgeblich daran beteiligt, als 1971 in Bayern die Fachhochschulen gegründet wurden, dass in Augsburg mit seiner fast 300-jährigen Tradition einer Reichsstädtischen Kunstakademie deren Nachfolgeorganisation zu einem Fachbereich für Gestaltung wurde. An dieser Schule lehrte sie bis zu ihrer Pensionierung 1990 das Fach Schrift. Ein glücklich zusammengestelltes Professorenkollegium ermöglichte der Schule, den wohl ersten Rang unter Bayerns Gestaltungshochschulen zu erreichen – mit einem deutlich erkennbaren Schwerpunkt auf Schriftgestaltung und Typografie. Generationen von Grafik-Design-Studierenden hat sie ein profundes Wissen und Verstehen der organischen Formen der europäischen Schriften ermöglicht. Ihre Korrekturen, oft mit leiser Ironie gewürzt, waren sehr fordernd. Unvergessen aber auch, wenn man eine »Reinausführung« noch zum dritten Mal vorgelegt hatte und mit einem bewundernden Pfiff geehrt wurde.
Geehrt wurde sie auch: Zu ihrem 60. Geburtstag gab es 1988 von der Stadt Augsburg im Holbeinhaus eine Ausstellung »Meisterin der Schriftkunst« über sie und zu ihrem 65. Geburtstag eine große Ausstellung über »Das gemeinsame Werk von Eugen Nerdinger und Lisa Beck«. 1998 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Sie war in vielen Ausschüssen und Gremien aktiv und hat viel, vor allem schriftdidaktisches, veröffentlicht. Nie verheiratet und ohne Kinder geblieben, war sie bis in ihre letzten Jahre gestalterisch und publizistisch aktiv. So erschienen 2001 ihre zweibändigen Lebenserinnerungen »So lebten wir … / Wunsch und Ziel«, die sehr anschaulich zu lesen sind und unabhängig von den persönlichen Informationen viel Interessantes über Zeitgeschichte und die Lebenssituation in Deutschland vor und nach dem zweiten Weltkrieg vermitteln.
Der Typographischen Gesellschaft München war sie langjährig als Mitglied verbunden, besuchte Vorträge und nahm an Diskussionen teil. Sie referierte 1994 in den Werkstattgesprächen über »Charaktere von Drucktypen« und ließ die Teilnehmer an der Verona-Studienfahrt 1997 in der Biblioteca Capitolare einen unvergleichlich direkten Einblick in die dort seit Jahrhunderten verwahrten Codices nehmen.
Mit Familie, ehemaligen Kollegen und Zöglingen hielt sie zuverlässig Kontakt. Als das selbständige Leben im eigenen Haus in Augsburg nicht mehr möglich war, zog sie in ein Seniorenheim in Göggingen, wo sie gut versorgt und hellwach ihre Tage verbrachte. Ein Besuch im Frühjahr dort brachte letzte Erinnerungen … Hier ist Lisa Beck dann auch verstorben.
Zum Wikipedia-Eintrag von Lisa Beck.
Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten
Erinnerung an ESG – Meister und Hüter der Druckkunst
Heute erreichte uns die traurige Nachricht, dass Eckehart SchumacherGebler, unser Ehrenmitglied und langjähriger Förderer, von uns gegangen ist. Seine Leidenschaft für Schrift und Druck war ansteckend und hat viele von uns inspiriert.
In Erinnerung an Christa Unsinn
Erst verspätet erreicht uns die Nachricht, dass unsere langjährige Weggefährtin Christa Unsinn verstorben ist. Wie so oft lässt so eine Nachricht eine Lücke entstehen, wo man es gar nicht erwartet hätte. Man glaubt jemanden, den man mag und gerne um sich hatte, noch fest in seinem Kreis zu haben und erschrickt über die große Fehlstelle, die sich auftut.
Prägend für die Typografie: Philipp Luidl
»Wer der Zeit keinen Gedanken schenkt, der darf auch die Schrift vergessen.« So beginnt Philipp Luidl sein Buch »Schrift – die Zerstörung der Nacht«, in dem er immer wieder auf das Matriarchat zu sprechen kommt. Eigentlich geht es jedoch um Aspekte der Schriftgeschichte.
Zum 100. Geburtstag von Günter Gerhard Lange
»Die Schrift als spröde Geliebte«, dieses Zitat wird immer mit Günter Gerhard Lange verknüpft bleiben, der am 12. April 2021 Hundert Jahre alt geworden wäre. Er ist einer der bedeutendsten Schriftgestalter des 20. Jahrhunderts. Sein Name ist dazu unlösbar mit dem Berliner Satzschriftenhersteller Berthold verbunden, dessen langjähriger künstlerischer Leiter er war.