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Gar mancher hat noch niemals eine gut geformte Schrift wahr­ge­nommen.
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Buchbesprechung

Imprimatur, ein bewährtes Jahrbuch

Rudolf Paulus Gorbach
5. August 2021
Einige Jahr­bücher des Buch­wesens bereichern uns weiterhin mit sehr guten und span­nenden wissen­schaft­lichen Beiträgen zur Geschichte und aktuellen Buch­ge­staltung. »Imprimatur«, seit 1930 von der Gesell­schaft der Biblio­philen publiziert, zeichnet sich durch Beiträge namhafter Persön­lich­keiten wie Herausgeber Siegfried Buchenau, Heinz Sarkowski, Georg Ramsegger, Eva Hanebutt-Benz und aktuell Ute Schneider aus.

Das Oberthema des aktuellen Bandes »Das gebrauchte Buch« führt tief in die Geschichte des Buches, wobei der Schwerpunkt vor allem auf den letzten Jahr­hun­derten liegt. Das Thema ist auch aktuell, wenn man die Diskussion um das heutige Anti­quariat oder auch Medimops mit einbezieht. 12 reich bebilderte wissen­schaftliche Beiträge decken ein breites Themen­spektrum aus der Welt der Buch­kultur ab.

So berichtet Albrecht Götz von Olenhusen über das Sammeln von Raub­drucken, die um 1960 zunächst unbemerkt aufkamen, über Schwarz- und Raub­drucke der Neuen Linken, die damals in der Verlagswelt heftig umstritten waren. Zunächst handelte es sich um wichtige, schwer oder gar nicht zu beschaffende, wild gestaltete Ausgaben aus der Geschichte des Klas­sen­be­wußtseins, Dialektik der Aufklärung, Zeit­schrift für Sozi­a­l­for­schung. Für die Sammlung der Raub­drucke nennt Olenhusen vor allem die damaligen Initi­atoren: die Biblio­thekarin Christa Gnirß und den Antiquar und SWF-Redakteur Bernhard W. Wette. Die subversiven Produkte wurden vor allem in den neuen linken Buch­hand­lungen angeboten.

Julia Bangert schreibt über den Ankauf und die Vermittlung gebrauchter Bücher durch die Agenten Herzog Augusts des Jüngeren (1579 bis 1666). Dank seiner Macht und seines Vermögens hatte Herzog August Kontakt zu insgesamt 28 Agenten, die für ihn wertvolle gelehrte Bücher besorgten. Diese recher­chierten bei Buch­händlern, Druckern und anderen Quellen, erstatteten dem Auftraggeber Bericht und machten Angebote. Wie das alles ablief, Erwerb, Bezahlung, Transport und Rück­ga­be­rechte, wird hier anhand von Quellen beschrieben.

Mona Garloff befasst sich mit der Entstehung des Anti­qua­ri­ats­buch­handels zu Beginn des 18. Jahr­hunderts, zeigt hier auch die ersten Buch­ka­taloge (was typo­grafisch besonders inter­essant ist).

Und ein besonders reich­haltiger Beitrag von Sabine Knopf präsentiert Ansich­tenwerke aus fünf Jahr­hun­derten, von der Sche­delschen Welt­chronik bis zu Meyers Universum, vor allem Bildwerke, wobei der Kupferstich und der Stahlstich eine domi­nierende Rolle spielen.

Bild Doppelseite 140, 141

Die Gestaltung und der Satz des Buches sind sehr sorg­fältig (Michael Hempel, München), gut lesbar in der Schrift TheAntiqua gesetzt (der Schrift­mi­schung hätte es nicht bedurft). Das Bild­layout wirkt klar und dennoch lebendig, alles hervor­ragend gedruckt und gebunden. Allerdings frage ich mich, ob die Ziel­gruppe der Biblio­philen mit dem allzu glatt gestri­chenen Inhalts­papier richtig gewürdigt wird und ob die Tonflächen in der ansonsten sehr guten Typo­grafie nicht über­f­lüssig sind? Trotzdem ein sehr erfreu­liches Buch.

Imprimatur 27
Heraus­gegeben von Ute Schneider / Gesell­schaft der Biblio­philen
320 Seiten
Halb­le­derband
Harras­sowitz Verlag, Wiesbaden 2021
ISBN: 978–3–447–11638–1
110 EURO
https://biblio­philie.de/imprimatur/

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