Imprimatur, ein bewährtes Jahrbuch
Das Oberthema des aktuellen Bandes »Das gebrauchte Buch« führt tief in die Geschichte des Buches, wobei der Schwerpunkt vor allem auf den letzten Jahrhunderten liegt. Das Thema ist auch aktuell, wenn man die Diskussion um das heutige Antiquariat oder auch Medimops mit einbezieht. 12 reich bebilderte wissenschaftliche Beiträge decken ein breites Themenspektrum aus der Welt der Buchkultur ab.
So berichtet Albrecht Götz von Olenhusen über das Sammeln von Raubdrucken, die um 1960 zunächst unbemerkt aufkamen, über Schwarz- und Raubdrucke der Neuen Linken, die damals in der Verlagswelt heftig umstritten waren. Zunächst handelte es sich um wichtige, schwer oder gar nicht zu beschaffende, wild gestaltete Ausgaben aus der Geschichte des Klassenbewußtseins, Dialektik der Aufklärung, Zeitschrift für Sozialforschung. Für die Sammlung der Raubdrucke nennt Olenhusen vor allem die damaligen Initiatoren: die Bibliothekarin Christa Gnirß und den Antiquar und SWF-Redakteur Bernhard W. Wette. Die subversiven Produkte wurden vor allem in den neuen linken Buchhandlungen angeboten.
Julia Bangert schreibt über den Ankauf und die Vermittlung gebrauchter Bücher durch die Agenten Herzog Augusts des Jüngeren (1579 bis 1666). Dank seiner Macht und seines Vermögens hatte Herzog August Kontakt zu insgesamt 28 Agenten, die für ihn wertvolle gelehrte Bücher besorgten. Diese recherchierten bei Buchhändlern, Druckern und anderen Quellen, erstatteten dem Auftraggeber Bericht und machten Angebote. Wie das alles ablief, Erwerb, Bezahlung, Transport und Rückgaberechte, wird hier anhand von Quellen beschrieben.
Mona Garloff befasst sich mit der Entstehung des Antiquariatsbuchhandels zu Beginn des 18. Jahrhunderts, zeigt hier auch die ersten Buchkataloge (was typografisch besonders interessant ist).
Und ein besonders reichhaltiger Beitrag von Sabine Knopf präsentiert Ansichtenwerke aus fünf Jahrhunderten, von der Schedelschen Weltchronik bis zu Meyers Universum, vor allem Bildwerke, wobei der Kupferstich und der Stahlstich eine dominierende Rolle spielen.
Die Gestaltung und der Satz des Buches sind sehr sorgfältig (Michael Hempel, München), gut lesbar in der Schrift TheAntiqua gesetzt (der Schriftmischung hätte es nicht bedurft). Das Bildlayout wirkt klar und dennoch lebendig, alles hervorragend gedruckt und gebunden. Allerdings frage ich mich, ob die Zielgruppe der Bibliophilen mit dem allzu glatt gestrichenen Inhaltspapier richtig gewürdigt wird und ob die Tonflächen in der ansonsten sehr guten Typografie nicht überflüssig sind? Trotzdem ein sehr erfreuliches Buch.
Imprimatur 27
Herausgegeben von Ute Schneider / Gesellschaft der Bibliophilen
320 Seiten
Halblederband
Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2021
ISBN: 978–3–447–11638–1
110 EURO
https://bibliophilie.de/imprimatur/
Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten
Imprimatur 2023
Das aktuelle Jahrbuch beschäftigt sich mit Bücherinstitutionen, Künstlerbüchern, den Themen Typografie und Schrift sowie für Lesen und Leseverhalten. Für Typografen ganz besonders wichtig und auch aktuell sind vor allem die Beiträge zu Typografie und Schrift.
Neueste Forschung zu Gutenbergs Erbe
Wer sich für die Inkunabel- und Frühdruckforschung interessiert, findet im Gutenberg-Jahrbuch, das bereits seit 1926 jährlich erscheint, ausführliche Berichte und Informationen. Ich verfolge die Ausgaben seit 2006 mit großem Interesse, hier stelle ich die 96. Ausgabe für das Jahr 2021 vor.
Die Faszination von Buchhandlungen
Gestalter und besonders Typografen mit Hang zur Buchgestaltung findet man oft recht glücklich stöbernd in Buchhandlungen vor. Und wenn die Buchhandlung dann noch besonders »schön« ist, kann das Glück sehr groß sein. Zwei Bild-Text-Bücher stelle ich hier gegenüber, zum gleichen Thema, aber in der Art sind sie sehr unterschiedlich.
Aus der Zeit der Erfindung des Buchs
Mit zwölf inhaltlichen Themen zur Inkunabelzeit wird hier eine Mischung aus Schaubuch und Aufsatzband vorgelegt. Schaubuch wegen des größeren Buchformats und Aufsatzband wegen der klaren thematischen Trennung. Typographie und Satzspiegel folgen den Bedingungen einer angenehmen Lesbarkeit.
Renaissance als wunderbare Erinnerung
Für Typografen und Gestalter ist der Begriff »Renaissance« besetzt mit Erinnerungen oder Wissen an die Renaissance-Antiqua, an den Beginn des Buchdrucks und der Medien, an Proportionsgeschichte oder Taschenbuch. Vor allem aber war es ein Aufbruch, der ein neues Epochenbild hervorbrachte. Mit freiem Denken entstanden neue Horizonte – eine einzigartige Epoche.
Bibliotheken, die großen Gehäuse der Bücher
Wenn Typografie-Begeisterte reisen, sind oft auch Besuche in Bibliotheken Teil des Programms. Ich denke da an Exkursionen der tgm. Da ist zunächst das Interesse an der Dichte des Gedruckten, aber auch die Freude und der Respekt an Kulturbauten speziell für das Buch.