Bibliotheken, die großen Gehäuse der Bücher
Das zeigt sich auch in der Faszination an schönen Buchhandlungen (tgm-Blog vom 26. August 2020).
Über internationale Bibliotheken von der Antike bis heute hat die wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) eine erweiterte Ausgabe herausgebracht. Erweitert, weil es eine Vorläuferausgabe von 2013 beim Verlag Knesebeck gab. Die Originalausgabe erschien übrigens bei Thames and Hudson in London. Dieser Verlag steht schon seit Jahrzehnten für gut gemachte, meistens größere Text-Bild-Bücher (oder sind es Bild-Text-Bücher?), die üblicherweise als Lizenzausgaben in anderen Ländern übersetzt und veröffentlicht werden.
Die Gestaltung dieses Buches bemüht sich um einen Lesefluss und eine Einheit von Text und Bild, was manchmal nicht ganz gelingt. Denn die Dominanz der hervorragenden Fotografien drängt den Text etwas zurück in bestehenden Lücken. Das stimmt natürlich so nicht. Denn die »Lücken« sind sorgfältig geplante Bereiche für den Text in diesem Buchtyp. Die Typografie ist zurückhaltend gestaltet und dem Leser zugewandt (2 ½ Spalten, Flattersatz, angenehm mattes Papier).
Die Hauptkapitel des Buches sind historisch eingeteilt. Es beginnt bei Bibliotheken der antiken Welt und endet mit Bibliotheken im elektronischen Zeitalter. Der Autor James Campbell, Architekt und Architekturhistoriker, hat mit dem Fotografen Will Pryce 82 Bibliotheken weltweit besucht. In allen Epochen führt der Autor individuell ein und beschreibt die einzelnen Bibliotheken höchst differenziert.
Im Kapitel über die Bibliotheken des 19. Jahrhunderts mit dem Titel »Eiserne Magazine, Gaslampen, Zettelkasten« werden beispielsweise zunächst die zeitbedingten Umstände gespiegelt. Wer leistet sich eine Bibliothek, welche Architekten werden beauftragt, was sind die Kapazitäten einer Bibliothek, wie wird die Ausstattung und Finanzierung geregelt oder wie funktionieren Beleuchtung und Heizung? Äußerlich gleichen die Bauten im 19. Jahrhundert noch denen der früheren Jahrhunderte mit der großen Saalbibliothek. Aber es ändern sich Nutzer und Ansprüche. Private Sammler waren wie früher oft entscheidend für Sammlungen, die später öffentlich wurden. Der aufkommende Klassizismus in der Architektur prägte den Gebäudetyp. Anhand der Bibliotheken von Pannonhalma in Ungarn, der Assemblée Nationale in Paris und der Finnischen Nationalbibliothek werden diese Bibliotheken prototypisch beschrieben, wobei auch andere Bibliotheken der Zeit wie die Sainte Geneviève in Paris, die Library of Congress in Washington oder die Fisher Fine Arts Library in Pennsylvania vorgestellt werden. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Architekturgeschichte, sondern auch um eine Sozialgeschichte der Epoche. Und die Lektüre ist vergnüglich, da man so viel über die Bibliotheken und ihr inhaltliches Ambiente erfährt, auch wenn man selbst schon einige Bibliotheken gesehen hat. Die hervorragende Fotografie ergänzt das natürlich.
James W. P. Campbell
Bibliotheken – von der Antike bis heute
328 Seiten
300 Farbabbildungen
Halbleinenband
Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg), Darmstadt 2021
ISBN 978–3–534–27383–6
60 Euro
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