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Buchbesprechung

Bibliotheken, die großen Gehäuse der Bücher

Rudolf Paulus Gorbach
1. Januar 2022
Wenn Typo­grafie-Begeisterte reisen, sind oft auch Besuche in Biblio­theken Teil des Programms. Ich denke da an Exkur­sionen der tgm. Da ist zunächst das Interesse an der Dichte des Gedruckten, aber auch die Freude und der Respekt an Kultur­bauten speziell für das Buch.

Das zeigt sich auch in der Faszi­nation an schönen Buch­hand­lungen (tgm-Blog vom 26. August 2020).

Über inter­na­tionale Biblio­theken von der Antike bis heute hat die wbg (Wissen­schaftliche Buch­ge­sell­schaft) eine erweiterte Ausgabe heraus­ge­bracht. Erweitert, weil es eine Vorläu­fer­ausgabe von 2013 beim Verlag Knesebeck gab. Die Origi­na­l­ausgabe erschien übrigens bei Thames and Hudson in London. Dieser Verlag steht schon seit Jahr­zehnten für gut gemachte, meistens größere Text-Bild-Bücher (oder sind es Bild-Text-Bücher?), die übli­cherweise als Lizenz­ausgaben in anderen Ländern übersetzt und veröf­fentlicht werden.

Philosophischer Saal, Kloster Strahov, 1797, Prag (Tschechische Republik).

Die Gestaltung dieses Buches bemüht sich um einen Lesefluss und eine Einheit von Text und Bild, was manchmal nicht ganz gelingt. Denn die Dominanz der hervor­ra­genden Foto­grafien drängt den Text etwas zurück in beste­henden Lücken. Das stimmt natürlich so nicht. Denn die »Lücken« sind sorg­fältig geplante Bereiche für den Text in diesem Buchtyp. Die Typo­grafie ist zurück­haltend gestaltet und dem Leser zugewandt (2 ½ Spalten, Flat­tersatz, angenehm mattes Papier).

Die Haupt­kapitel des Buches sind historisch eingeteilt. Es beginnt bei Biblio­theken der antiken Welt und endet mit Biblio­theken im elek­tro­nischen Zeitalter. Der Autor James Campbell, Architekt und Archi­tek­tur­his­toriker, hat mit dem Foto­grafen Will Pryce 82 Biblio­theken weltweit besucht. In allen Epochen führt der Autor indi­viduell ein und beschreibt die einzelnen Biblio­theken höchst diffe­renziert.

Im Kapitel über die Biblio­theken des 19. Jahr­hunderts mit dem Titel »Eiserne Magazine, Gaslampen, Zettel­kasten« werden beispielsweise zunächst die zeit­be­dingten Umstände gespiegelt. Wer leistet sich eine Bibliothek, welche Archi­tekten werden beauftragt, was sind die Kapa­zitäten einer Bibliothek, wie wird die Ausstattung und Finan­zierung geregelt oder wie funk­tio­nieren Beleuchtung und Heizung? Äußerlich gleichen die Bauten im 19. Jahr­hundert noch denen der früheren Jahr­hunderte mit der großen Saal­bi­bliothek. Aber es ändern sich Nutzer und Ansprüche. Private Sammler waren wie früher oft entscheidend für Samm­lungen, die später öffentlich wurden. Der aufkommende Klas­si­zismus in der Archi­tektur prägte den Gebäudetyp. Anhand der Biblio­theken von Pannonhalma in Ungarn, der Assemblée Nationale in Paris und der Finnischen Nati­o­nal­bi­bliothek werden diese Biblio­theken proto­typisch beschrieben, wobei auch andere Biblio­theken der Zeit wie die Sainte Geneviève in Paris, die Library of Congress in Washington oder die Fisher Fine Arts Library in Penn­sylvania vorge­stellt werden. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Archi­tek­tur­ge­schichte, sondern auch um eine Sozi­al­ge­schichte der Epoche. Und die Lektüre ist vergnüglich, da man so viel über die Biblio­theken und ihr inhalt­liches Ambiente erfährt, auch wenn man selbst schon einige Biblio­theken gesehen hat. Die hervor­ragende Foto­grafie ergänzt das natürlich.

James W. P. Campbell
Biblio­theken – von der Antike bis heute
328 Seiten
300 Farb­ab­bil­dungen
Halb­lei­nenband
Wissen­schaftliche Buch­ge­sell­schaft (wbg), Darmstadt 2021
ISBN 978–3–534–27383–6
60 Euro

Bibliothek Stift Admont (Österreich), 1776.
Codrington Library, Oxfort (Großbritannien), 1751.
Tripitaka Koreana, 1251. Haeinsa-Tempel (Südkorea).
Chinesische Nationalbibliothek, Peking (China), 2008.

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