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zitate
Text ist Typo­grafie und Typo­grafie ist Text.
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Typographische
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Branche

Hoch im Kurs

Michi Bundscherer
3. September 2025
Ein histo­rischer Moment in der helve­tischen Geld­ge­schichte: Erstmals überlässt die Schwei­ze­rische Nati­o­nalbank nicht nur Experten die Entscheidung über das Design ihrer Banknoten. Seit dem 13. August 2025 können die Eidge­nossen online über zwölf Gestal­tungs­vor­schläge für die neue Bank­no­tenserie abstimmen. Es geht um mehr als ein Zahlungs­mittel – es geht darum, welches Bild die Schweiz von sich selbst in Umlauf bringt.
Schweizer Banknoten

Banknoten sind die Visi­ten­karten einer Nation – Symbole, die weit über ihren mate­riellen Wert hinaus­reichen. Doch Sicher­heits­s­tandards und Material müssen regelmäßig erneuert werden. Deshalb arbeitet die SNB nun an der bereits zehnten Serie, die voraus­sichtlich ab 2030 in Umlauf kommt.

Die neue Serie mit dem Thema »Die Schweiz und ihre Höhenlagen« soll die sechs Höhen­stufen des Landes in Bild­motive über­setzen – von den Tieflagen der Städte (10 Franken) bis ins Hoch­gebirge (1000 Franken): Alpen­steinbock, Disteln, Gletscher, dazu kuli­na­rische Ikonen wie Nusstorte oder Tête de Moine.

Mehr als 300 Gestalter:innen bewarben sich, zwölf Teams schafften es in die Endauswahl – eine Mischung aus etablierten Agenturen und Nach­wuchs­ta­lenten aus allen Landes­teilen.

Bemer­kenswert ist das Verfahren selbst: Während früher Kommis­sionen hinter verschlossenen Türen entschieden, wird nun öffentlich debattiert. Die Bevöl­kerung stimmt parallel zum Fach­beirat ab, alle Entwürfe bleiben zunächst anonym. Geld­ge­staltung wird damit erstmals demo­kratisch verhandelt – ein seltenes Expe­riment an der Schnitt­stelle von Identität, Alltags­kultur und ange­wandter Grafik.

Dass Banknoten im Span­nungsfeld von Kunst und Handwerk stehen, zeigte die tgm bereits 2008 im Vortrag »Das Ritual der Alchemie« mit Roger Pfund. Heute zeigt sich dieses Span­nungsfeld neu: als Dialog zwischen profes­si­o­neller Expertise und demo­kra­tischer Teilhabe, zwischen ästhe­tischem Anspruch und volks­tüm­licher Verständ­lichkeit.

Manuela Pfrunder, die die aktuelle Bank­no­tenserie der Schweiz entworfen hat, brachte es in einem interview auf den Punkt: »Eine Banknote muss neutral sein und gleich­zeitig eine klare Aussage haben.«

Die Umfrage läuft noch bis zum 7. September 2025. Ein Blick lohnt sich. Inte­resan­terweise können nicht nur Eidge­nossen abstimmen.

Selten lässt sich so direkt erleben, wie sich nationale Identität und Gestaltung gegen­seitig prägen. Wer Teil dieses Expe­riments sein möchte, findet alle Entwürfe und die Möglichkeit zur Teilnahme unter: www.neue­bank­no­tenserie.ch

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