Slanted besucht die Schweiz
Die Slanted-Redaktion war auf der Suche nach zeitgenössischer Schweizer Grafik und hat zahlreiche Gestalter besucht. Das Ergebnis liegt in der Ausgabe 23 vor, wird aber auch am 5. Juni Thema einer Konferenz (wie man heute die Ansammlung von Vorträgen auch oft nennt) sein.
So reflektiert Brigitte Schuster, Grafikdesignerin aus Deutschland, die Situation des Schweizer Grafikdesigns aus deutscher Sicht. Dabei erinnert sie daran, was man unter Swiss Style versteht und wie dieser entstanden ist. Konstruktivismus, de Stijl, Bauhaus, Neue Typografie als Quellen führten zu serifenlosen Schriften und einer strengen, an Rastern orientierten Typografie. Nach 1945 war diese Richtung führend und vorbildlich, gleichzeitig als »Internationaler Stil« weltweit einflussreich. Aber was passiert heute oder in den letzten zwei Jahrzehnten?
Gestaltung wird oft und zu Recht als Frage der Haltung gesehen. Am Beispiel des Magazins »Reportagen« geht Brigitte Schuster in ihrem Beitrag »Reflexionen über Schweizer Grafikdesign« auf die inhaltliche Rolle des Magazins als reines Textmagazin ohne Bilder ein. Die Visualisierung ist rein typographisch. Sorgfalt, konzeptionelles Vorgehen, durchdachte Gestaltung sind vielleicht ein typisches Erbe des Schweizer Designs. Aber nicht immer scheint sich das auch auf die Typografie im Detail zu beziehen. Jedenfalls findet man oft gestalterische »Freiheiten«, die auf Kosten der Lesbarkeit gehen. Unter dem Strich kommen aus der Schweiz heute Gestaltungstendenzen, die mehr dem Effekt als der gestalterischen Funktion folgen.
Slanted 23 besteht vor allem aus Beispielen, Werkgeschichten und Statements oder Interviews, die die Redaktion in ihrer »Swiss Tour« zusammengetragen und veröffentlicht hat. Und die reicht von so unterschiedlichen Gestaltern wie Jost Hochuli und Wolfgang Weingart bis zu Ludovico Balland, Büro Destruct, Niklaus Troxler oder claudiabasel.
Viel Persönliches erfährt man in den Interviews, wenn etwa Matthias Hoffmann über seinen Vater, den grossen »klassischen« Schweizer Plakatgestalter, spricht oder Angela Thomas von Max Bill erzählt. Und Wolfgang Weingart sieht das aktuelle Grafikdesign problematisch: »… die einen sind gemäßigt, die anderen noch im Reinzustand«. Weingart ist skeptisch gegenüber den »Schnellcomer« (z.B. Carson) und hat selbst in den sechziger Jahren einen typografischen Erdrutsch ausgelöst. Sein Ausbruch aus dem rechtwinkligen Dogma wurde für viele seiner Schüler dominierend. Weingart sagt aber auch, dass sich der Beruf des Grafikers »hoffentlich ins Nichts« entwickeln wird. "Man müsste mindestens 80 Prozent der Schulen schließen.
Slanted 23
swiss issue
312 Seiten
Klappenbroschur
ISSN 1867–6510
Magma-Brand, Karlsruhe 2014
18 Euro
Die Konferenz »il y a le feu au laic« findet am 5. Juni 2014 von 11.30 bis 17 Uhr in der Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe statt. Sie ist kostenlos, aber eine vorherige Registrierung ist erforderlich.
Zur Zeit gibt es im Museum für Gestaltung in Zürich eine Retrospektive des Werkes von Wolfgang Weingart. Noch bis zum 28. September 2014.
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