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Buchbesprechung

Drei große Typografen des 20. Jahrhunderts

Rudolf Paulus Gorbach
6. Mai 2020
Die großen Typo­grafen des 20. Jahr­hunderts sind für die heutige Typo­grafie immer noch größ­tenteils maßgebend und sie werden vielfach zitiert. Drei solcher Beiträge hat Klaus Detjen in seiner Reihe »Ästhetik des Buches« zusam­men­ge­stellt und heraus­gegeben. Und es sind tatsächlich ganz wesentliche Aufsätze von Stanley Morison, Eric Gill und Paul Renner.

Morison schreibt 1929 über die „Grund­regeln der Buch­ty­po­graphie“. Wie Ästhetik und Lese­funktion zusam­men­hängen und was nicht damit gemeint ist, gibt viel­leicht schon wider:  »… daß der Druck von Büchern, die zum Lesen bestimmt sind, blen­dender Typo­graphie wenig Spielraum bietet«. Insgesamt geht es Morison um die Gesetze, die für die Buch­ge­staltung maßgebend sind und das wird sehr detailliert behandelt. Das üppige Nachwort des Verfassers der Ausgabe von 1966, aus der diese Aufsätze stammen, geht intensiv auf das Zeit­ge­schehen in Politik, Kunst und Gesell­schaft ein.

Eric Gills Beitrag von 1931 mit dem Titel »Typo­graphie« befasst sich vor allem mit der Schrift, im Detail mit unserer drei Alphabete (Majuskeln, Minuskeln, Ziffern), wie sie zusam­men­gefügt die Grundlage unserer Schrift bilden. Die Qualität von (Buchdruck)Typen und ihre diffizile Anwendung folgen in seiner Betrachtung. Indus­trielle Buch­pro­duktion findet Gill abstoßend und für ihn gilt vor allem die künst­le­rische und hand­ge­machte Arbeit.

Paul Renners Rede von 1947, in Lindau vor Verlegern und Buch­händlern gehalten, geht dagegen ganz prag­matisch und gut gegliedert auf die Möglich­keiten der Buch­ge­staltung ein. 

Das beginnt mit der Frage, was heute (1947) modern in der Buch­ge­staltung sei. Was das für ein modernes Buch samt seiner Lesbarkeit bedeutet kann man im Wesent­lichen auch heute noch bestätigen. Gerade in der Nach­kriegszeit war die Diskussion ob man in der Schriftwahl Antiqua oder Fraktur benützt, aus schmerz­lichen Gründen wichtig geworden. Und genau so war in dieser Zeit erneut die Diskussion aufge­kommen, ob man nicht alle Texte klein schreiben solle. Oder was Schreib­weisen wie ph oder f bein­halten, wobei er eine vorsichtige Reform vorschlägt. Und schließlich geht er auf die Art, wie Bücher gestaltet werden sollten, besonders intensiv ein, spricht über moderne und unmoderne Text­schriften, was die Typo­grafie selbst für Bücher möglich machen kann, die Hand­lichkeit und das Format von Büchern (selbst die Lauf­richtung des Papiers im Buch findet er im Vortrag erwäh­nenswert). Schließlich kommt auch noch das illus­trierte Buch und sogar das Luxusbuch zur Sprache. Und werk­bünd­lerisch folgt der Lohn der Arbeit, die dem Buch­ge­stalter viel Freude und Befrie­digung bringen kann; besser als der Lohn »den ihm das Finanzamt doch wieder abnimmt«, wenigstens zum Teil.

Alle drei Beiträge sind entnommen aus: »Typo­graphie und Biblio­philie. Aufsätze und Vorträge über die Kunst des Buch­drucks aus zwei Jahr­hun­derten«. Ausgewählt und erläutert von Richard von Sichowsky und Hermann Tiemann. Maxi­milian-Gesell­schaft Hamburg, 1971. Kleiner Tipp: Wer sich auch für die anderen Beiträge dieser Ausgabe inter­essiert, der kann den Band im Anti­quariat noch immer recht günstig erwerben.

Typo­grafen der Moderne 
Heraus­gegeben von Klaus Detjen
in der Reihe Ästhetik des Buches
Band 12
80 Seiten
Englische Broschur
Wallstein Verlag Göttingen 2020
14,90 €
ISBN 978–3–8353–3660–5

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