Drei große Typografen des 20. Jahrhunderts
Morison schreibt 1929 über die „Grundregeln der Buchtypographie“. Wie Ästhetik und Lesefunktion zusammenhängen und was nicht damit gemeint ist, gibt vielleicht schon wider: »… daß der Druck von Büchern, die zum Lesen bestimmt sind, blendender Typographie wenig Spielraum bietet«. Insgesamt geht es Morison um die Gesetze, die für die Buchgestaltung maßgebend sind und das wird sehr detailliert behandelt. Das üppige Nachwort des Verfassers der Ausgabe von 1966, aus der diese Aufsätze stammen, geht intensiv auf das Zeitgeschehen in Politik, Kunst und Gesellschaft ein.
Eric Gills Beitrag von 1931 mit dem Titel »Typographie« befasst sich vor allem mit der Schrift, im Detail mit unserer drei Alphabete (Majuskeln, Minuskeln, Ziffern), wie sie zusammengefügt die Grundlage unserer Schrift bilden. Die Qualität von (Buchdruck)Typen und ihre diffizile Anwendung folgen in seiner Betrachtung. Industrielle Buchproduktion findet Gill abstoßend und für ihn gilt vor allem die künstlerische und handgemachte Arbeit.
Paul Renners Rede von 1947, in Lindau vor Verlegern und Buchhändlern gehalten, geht dagegen ganz pragmatisch und gut gegliedert auf die Möglichkeiten der Buchgestaltung ein.
Das beginnt mit der Frage, was heute (1947) modern in der Buchgestaltung sei. Was das für ein modernes Buch samt seiner Lesbarkeit bedeutet kann man im Wesentlichen auch heute noch bestätigen. Gerade in der Nachkriegszeit war die Diskussion ob man in der Schriftwahl Antiqua oder Fraktur benützt, aus schmerzlichen Gründen wichtig geworden. Und genau so war in dieser Zeit erneut die Diskussion aufgekommen, ob man nicht alle Texte klein schreiben solle. Oder was Schreibweisen wie ph oder f beinhalten, wobei er eine vorsichtige Reform vorschlägt. Und schließlich geht er auf die Art, wie Bücher gestaltet werden sollten, besonders intensiv ein, spricht über moderne und unmoderne Textschriften, was die Typografie selbst für Bücher möglich machen kann, die Handlichkeit und das Format von Büchern (selbst die Laufrichtung des Papiers im Buch findet er im Vortrag erwähnenswert). Schließlich kommt auch noch das illustrierte Buch und sogar das Luxusbuch zur Sprache. Und werkbündlerisch folgt der Lohn der Arbeit, die dem Buchgestalter viel Freude und Befriedigung bringen kann; besser als der Lohn »den ihm das Finanzamt doch wieder abnimmt«, wenigstens zum Teil.
Alle drei Beiträge sind entnommen aus: »Typographie und Bibliophilie. Aufsätze und Vorträge über die Kunst des Buchdrucks aus zwei Jahrhunderten«. Ausgewählt und erläutert von Richard von Sichowsky und Hermann Tiemann. Maximilian-Gesellschaft Hamburg, 1971. Kleiner Tipp: Wer sich auch für die anderen Beiträge dieser Ausgabe interessiert, der kann den Band im Antiquariat noch immer recht günstig erwerben.
Typografen der Moderne
Herausgegeben von Klaus Detjen
in der Reihe Ästhetik des Buches
Band 12
80 Seiten
Englische Broschur
Wallstein Verlag Göttingen 2020
14,90 €
ISBN 978–3–8353–3660–5
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