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Die Forderung des Inhaltes an die Typo­grafie ist, dass der Zweck betont wird, zu dem der Inhalt gedruckt werden soll.
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Buchbesprechung

Das nachhaltige Design

Rudolf Paulus Gorbach
3. Januar 2017
Nach­haltiges Design hat längst Geschichte gemacht. Die AGD schlägt ihren Mitgliedern eine Charta für nach­haltiges Design vor, Lily Green heißt ein Online-Magazin zum Thema, Agenturen spezi­a­li­sieren sich darauf (Merz Punkt) und für die Heinrich-Böll-Stiftung ist Nach­hal­tigkeit ein wichtiges Thema. Dort wurde auch dieses Projekt, die »Geschichte des nach­haltigen Designs« als umfang­reicher Aufsatzband mit vielen Abbil­dungen gefördert und ist im Verlag für Akade­mische Schriften erschienen.

Das Buch richtet sich in erster Linie an Produkt­de­signer, aber auch an Kommu­ni­ka­ti­ons­de­signer. Dieser Aspekt hat mich beim Lesen und Durch­a­r­beiten besonders inter­essiert. Natürlich wird auch nicht mit Kritik an der Werbung gespart, die oft zu unnötigem Ressour­cen­ver­brauch anregt.

Das Buch gliedert sich in fünf Haupt­kapitel: Im ersten Teil wird nach­haltiges Design aus zwei unter­schied­lichen Perspektiven definiert. Im zweiten Teil geht es um die westliche Geschichte des nach­haltigen Designs, um Vordenker und Entwick­lungen. Im dritten Teil wird die Gegenwart untersucht und darge­stellt. Im vierten Teil wird der Blick von außen gewagt. Im fünften Teil schließlich geht es um die Zukunft.

Ulrich Grobers Beitrag »Bild­welten der Nach­hal­tigkeit …« beginnt mit einem Zitat von Heinrich Campe aus dem Jahr 1809: »Nachlass … ist das, woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält«. Und letztlich liegt es in uns selbst, wenn wir nach­haltig im Einklang mit der Natur leben wollen, »sustamento«, alles, was zum Fort­bestand notwendig ist.

Michael F. Jischa beschreibt die Folge­n­ab­schätzung anhand einer Ener­gie­ge­schichte der Menschheit und weist auf die längst bekannten Tatsachen der Grenzen des Fort­s­chritts hin. Technik wird längst in ihren wahr­schein­lichen Zukunfts­folgen bewertet und offen­sichtlich oft genug ignoriert. Wir brauchen mehr Weitsicht.

Über nicht nach­haltiges Design schreibt Davide Brocchi. Nach­hal­tig­keits­ex­perten konzen­trieren sich auf den Inhalt, Designer entwerfen aufwendige Verpa­ckungen, die eigentlich für den Müll bestimmt sind. Hippes Design ist das Gegenteil von Nach­hal­tigkeit. Viel­leicht über­schätzen Designer auch ihre Macht, Nach­hal­tigkeit zu beein­flussen. Brocchi geht der Frage nach, was Design eigentlich ist und woher es kommt. Das unter­schiedliche Bild von Natur und Design, kann der Designer Alter­nativen finden, wo die Politik sie nicht sehen will? Es geht aber auch um einen neuen Desi­gnbegriff, weg von nur Funktion oder gar Marketing, wobei Vielfalt und Verschie­denheit wichtig bleiben sollten.

Besonders spannend finde ich den Teil des Buches, der die westliche Geschichte des nach­haltigen Designs beschreibt. René Spitz beschäftigt sich mit den Vordenkern zwischen 1850 und 1919. In England und Deut­schland gab es bereits im 19. Jahr­hundert Bestre­bungen, der Indus­tri­a­li­sierung durch Reformen und Geschmacks­bildung entge­gen­zu­wirken. Gleich­zeitig richteten sich die gestalteten Gegen­stände vor allem an eine wohl­habende und zum Teil gebildete Schicht. Zunächst domi­nierte die Ausein­an­der­setzung mit der Industrie. Der mora­lische Anspruch an das Design war unüber­hörbar.

Ab dem Bauhaus kam die Forderung nach Funktion hinzu. Und nun begann, wie Siegfried Gronert beschreibt, die Ausein­an­der­setzung mit der Technik und nicht gegen sie. Es wurde zwar immer noch viel von Kunst geredet (und das tut es bis heute), aber Schönheit und Daue­r­haf­tigkeit rückten in den Vordergrund der Wahr­nehmung.

Anders in den Diktaturen des 20. Jahr­hunderts, wo Macht ästhe­tisiert wurde, Nach­hal­tigkeit aber keine Rolle spielte.Die HFG Ulm war wohl die erste Hoch­schule, für die das Thema Nach­hal­tigkeit entscheidend war, so René Spitz. Das war zwar nur eine kurze Epoche, aber ähnlich wie beim Bauhaus gab es Fort­s­et­zungen wie in Braun­schweig oder eben Desi­g­ner­per­sön­lich­keiten, die das in ihrer Arbeit lebten.

1971 kriti­sierte der Designer Victor Papaneck die Zunft: »Es gibt Berufe, die mehr Schaden anrichten als der des Indus­trie­de­signers, aber viele sind es nicht. Wahr­scheinlich ist nur ein Beruf verlogener: Werbung zu machen, Menschen zu überreden, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, für Geld, das sie nicht haben, um andere zu beein­drucken, denen das egal ist – das ist wahr­scheinlich der schlimmste Beruf, den es heute gibt«.

Über Wider­sprüche und Zukunfts­ver­sprechen zwischen 1980 und 2010 berichtet Thomas Edelmann. Während die Selbst­zer­störung der Menschheit immer wahr­schein­licher wurde, gab es Hoffnung auf eine neue Ära der Nach­hal­tigkeit, gleich­zeitig wurde die Konsum­ge­sell­schaft zum globalen Phänomen. Designer haben zu wenig »Macht«, sind an die Vorgaben von Managern gebunden. Aber es entstehen Desi­gngruppen, die sich des Themas annehmen, wie Des-In, LOHAS oder LOVOS. Der Desi­gnbegriff wird neu diskutiert und es wird auch die Frage gestellt, ob »nach­haltiges Design« konkret genug ist, um anwendbar zu sein. Wenn Design unsichtbar sein soll (Lucius Burckhardt 2010), so macht das heutige Marketing oft das Gegenteil, in dem Design plötzlich einen enormen Wert bekommt.

Im Haupt­kapitel »Posi­tionen der Gegenwart« setzen sich die Autoren mit aktuellen Problemen und Aspekten auseinander. Das »dema­te­ri­a­li­sierte Design« (Christa Liedtke und Johannes Buhl) versucht, Konzepte für Designer zu schaffen, um sich im Umweltraum zu orien­tieren. Uwe Boden informiert über ökoef­fektives Design und nimmt sich die Natur zum Vorbild.

Gren­zenloses Wachstum ist nicht möglich. Was reicht für ein gutes Leben, kann Suffizienz gegen mate­rielles Wachstum durch­gesetzt werden (Niko Paech). Schließlich geht es um die soziale und kulturelle Dimension von Design.Ist das Markt­gängige die Grenze des sozialen Designs? Design nicht als Welt­ver­bes­se­rungstraum, sondern auch als Prozess des Machens und Entwi­ckelns und leider manchmal auch des Vergessens von Problemen.

Im Teil »Außenblick« des Buches geht es um die Probleme, um die manche Designer lieber einen großen Bogen machen: Armuts­be­kämpfung, Entwick­lungshilfe, Verwest­lichung. Und das sind sehr spannende Aspekte und Projekte (wie sie zum Teil auch Florian Pfeffer in seinem Buch "To do: Die neue Rolle des Designs in einer verän­derten Welt“ beschreibt. Besprochen im tgm-Blog Juli 2014).

Und der Blick in die Zukunft? Die Frage ist nicht mehr, ob wir einen radikalen Wandel wollen, sondern ob wir ihn nach­haltig gestalten. Und was bedeutet es, wenn Martin Herrndorf nach­haltiges Design in einer nicht nach­haltigen Welt fordert? Wieder einmal mehr Fragen als Antworten. Aber die Lektüre dieses Buches könnte das Denken von Designern »nach­haltig« verändern. Und dabei geht es nicht nur um Produkt­design, sondern auch um all das Schöne rund um die Kommu­ni­kation, was im Buch auch in vielen abge­bildeten Beispielen doku­mentiert wird.

Zur Gestaltung des Buches: Das Buch ist sehr sorg­fältig und mit einigem Aufwand gestaltet. Die einzelnen Textteile sind in der Breite des Buch­formates zurück­gesetzt, also etwas schmaler als der Buchblock. Dies kommt der guten Lesbarkeit im einspaltigen Bereich zugute. Allerdings ist die Schrift der Bild­un­ter­schriften zu klein und zu mager. Die eigentlich lobenswerte Sekun­dä­rfarbe beginnt in den fetten Über­schriften leicht zu flackern, als Farbe der Bild­un­ter­schriften ist sie lese­be­hindernd. Unnötig erscheinen mir die Unter­strei­chungen bei Über­schriften dritten Grades. Die zwar konse­quente Diffe­ren­zierung in den Texten zu den Bildern wirkt leider etwas zerstreut. Schade bei einer ansonsten sehr guten und typo­grafisch stimmigen Gestaltung. Die verwendeten Papier­sorten sind nicht nur passend, sondern auch sehr schön.

Karin-Simone Fuhs, Davide Brocchi, Michael Maxeiner und Bernd Drasse (Hrsg.)
Die Geschichte des nach­haltigen Designs
Welche Haltung braucht Gestaltung?
382 Seiten mit vielen Abbil­dungen
210 × 297 mm
Ganz­pappband
VAS Bad Homburg, 2013
ISBN 978–3–88864–521–1
59 Euro

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