Designer der Zukunft. Eine These von Michael Hardt
Vorprogramm Schrift: Moritz Essers Slab-Schrift »Nautinger« ist eine Abschlussarbeit aus dem Jahr 2009. In seinem Entwurfsprozess hat Esser die Ziehfeder als Geschichte des Schreibens erwähnt. Er hat gezeichnet, die Zeichnungen in Illustrator übertragen, gescannt und erst dann digital bearbeitet. Er legt Wert auf ein sorgfältiges Kerning, in seiner schrägen Serifenbetonten gibt es schöne Bogeneinläufe und als Textschrift ist sie gut lesbar. Sollte man mal ausprobieren.
Michael Hardt beginnt seinen Vortrag mit einem schönen Papaneck-Zitat: »Es gibt Berufe die schädlicher sind als Industrial Design, aber nur sehr wenige. Nur ein Beruf ist möglicherweise noch verlogener. Das vielleicht verlogenste Feld das es heute gibt ist Werbedesign: Indem es Leute dazu verführt sich mit Geld, das sie nicht haben, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, um andere zu beeindrucken, denen dies egal ist«.
Worum geht es im Design? Es geht um Bevölkerungswachstum, Ressourcen, Klimawandel, Ressourcenschonung, Konsum und Lebensqualität. Intelligentere Designer seien gefragt und Hardt sieht einen ganz anderen Designer als zentralen Beruf des 21. Das heutige Designverständnis befeuere den sinnlosen Massenkonsum. Und alles wird geplant kaputt gemacht, indem die Lebensdauer der Produkte künstlich verkürzt wird. Die Hässlichkeit wird geplant und
Designer gestalten den schönsten Müll der Welt. Und ethisch blind ist das Marketing sowieso. Dabei sollte und muss Design Teil der Lösung sein; nicht Verschönerung, sondern Prozess.
Design ist Navigation, und das meint Hardt wörtlich. Wo man steht, woher man kommt, wohin man will, wie man dorthin kommt, wann man dort sein wird und was einen davon abhalten könnte.
Er beschreibt die Trendwende der 70er Jahre und prognostiziert eine Trendwende heute. Kondratschew lässt freundlich grüßen. Einen Beweis für diese Trendwende, die vor allem den Designer betreffen soll, kann Hardt allerdings nicht liefern. Aber sein Plan Gebrauch statt Ver-brauch klingt plausibel. Nachhaltigkeit soll an die Stelle von Verschwendung treten. Und das Künstliche soll sich am Natürlichen orientieren.
In Hardts Idealvorstellung entwirft der Designer in Zukunft Dinge, die der ehemalige Kunde, jetzt sozusagen der Designnehmer, annimmt. Der Designer weiß dann, was, wo und wie gebraucht wird.
Nachspiel: Michael Hardt hielt am nächsten Tag ein Seminar für die tgm zu diesem Thema. Ich kann darüber nicht berichten. Aber ein paar Wochen später war ich zu einer Besprechung der Gestalter bei Kochan & Partner eingeladen, in dem sowohl der Vortrag als auch das Seminar sehr eindrücklich wiedergegeben wurde. Die Diskussion verlief – wie schon nach dem tgm-Vortrag – äußerst konträr. Die neue Rolle des Designers konnte sich in der Praxis kaum einer der Designer oder eine der Designerinnen vorstellen.
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