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Buchbesprechung

Corporate-…

Rudolf Paulus Gorbach
10. Januar 2019
Identity, Design, Costumize Design, Inter­action, Behaviour, Story­telling, Sound, Szeno­graphy, Events, Archi­tecture, Signage, Typo­graphy, Reporting, Thinking, Industrial Design, Packaging, Fashion

Ganz schön viele Begriffe, die hier auftauchen. Das besprochene Buch ist laut Verlag die vierte Auflage. Die erste Auflage erschien bereits 1980 und die Neuauflage soll vor allem einen »aktuellen Überblick über Stra­tegien und Instrumente der CI- / CD-Gestaltung heute» geben. Dies versprechen die 25 Beiträge, die von namhaften Autoren verfasst wurden, und die Themen selbst. 4.0 im Titel weist auf die aktuelle Zukunft des Themas hin.

Der Untertitel lautet »Das Kompendium«. Kompendium bedeutet eigentlich »kurz­ge­fasstes Handbuch«. Davon kann aber keine Rede sein. Es ist weder ein Lehrbuch noch kurz und bündig. Einzelne Aufsätze zu bestimmten Themen beziehen sich fast nie auf andere Themen. Hinzu kommt das riesige Buch­format, das eher der Reprä­sen­tation als der Lektüre dient. Die Bilder können hier weder von der Größe noch vom Inhalt her ein Argument sein, da sie bei vielen Beiträgen für das Verständnis des Textes uner­heblich sind.

Dabei beginnt das Buch inhaltlich sehr anregend. Matthias Beyrow beschreibt zunächst Begriffe, Erkenntnisse und Methoden aus den Bereichen Marketing, Design und Marke. Das geht von Agonie bis Ziel­gruppe und ist sehr informativ und durchaus kritisch.

Florian Pfeffer beginnt mit einer Korrektur der Identität und beschreibt den Fall einer Korrektur nach dem Chemi­e­unfall in Bhopal 1984. Es geht auch um die Glaub­wür­digkeit einer Marke und darum, dass »Marken nicht mehr als exklusives Eigentum von Unter­nehmen …, sondern als gesell­schaftlich-kultu­relles Gut angesehen werden. Und der Beitrag endet mit der Forderung nach neuen Wachs­tums­mo­dellen. Nur welche?

Jochen Rädeker ist schon allein durch seine »gewichtigen Bücher« bekannt. Er plädiert dafür, »die Dinge nicht schön, sondern richtig zu machen«. Weil so viele Bauchent­schei­dungen getroffen werden, sollten Designer »die Wirkung genau analy­sieren und anhand klarer Parameter logisch, messbar und nach­voll­ziehbar kommu­ni­zieren…«. An anderer Stelle heißt es, Scheitern sei der sicherste Weg zum Erfolg. Wie das funk­tio­nieren soll, geht aus dem Text nicht hervor.

In diesem Buch geht es vor allem um große Marken. Knut Maierhofer stellt grund­sätzliche Fragen (was, wer, warum, wozu, wie viel, mit wem, wann, wie, worauf?), denn der Ruf nach Orien­tierung und Einfachheit wird immer lauter. Zum Beispiel: Was kostet es heute, eine Marke zu entwickeln? Als Antwort gibt es eine Reihe von Argu­menten oder Fest­stel­lungen (dass Logos heute wieder wie Logos aussehen dürfen) oder den Hinweis, dass täglich neue Fragen und Aufgaben auftauchen, für die ein Jahres­budget für die Marke­n­arbeit benötigt wird.

Manchmal wird Schlichtheit mit endlosen seri­fenlosen Versalien verwechselt. Eine seltsame Verkürzung, unter der wir schon lange leiden. »Die ewige Wiederkehr des Immergleichen» nennt Laurent Lacour das zu Recht. Er spricht von »Corporate Costumized Design«, das ein hoch­kom­plexes Marken­ma­na­gement erfordere. An anderer Stelle schreibt er von der Demo­kra­ti­sierung der Corporate Identity, bei der sich der User künftig innerhalb eines Marken­auf­tritts seine indi­vi­duelle Website zusam­men­stellen kann. Wie das gehen soll und vor allem warum, bleibt auch hier offen.

Petra Eisele beschreibt ein Desi­gnver­ständnis, in dem Designer und Nicht-Designer gemeinsam arbeiten und entwickeln, Co-Creation; denkt auch über Systeme nach, in denen Kunden Produkte indi­vi­du­a­li­sieren. Verwandt damit ist die Open-Source-Bewegung. Ruedi Baur richtet seinen Blick auf die Zeit nach dem »Brand». Seinem eher philo­so­phischen Text ist etwas schwer zu folgen.

Heinrich Pari­vicini kommt in seinem Beitrag zum Schluss, dass seit 1000 Jahren die gleichen Bedürfnisse der Menschen gelten, nämlich Selbst­ver­wirk­lichung, Aner­kennung, Liebe. Und schön formuliert: »Wenn das gelingt, werden ungeahnte Kräfte frei­gesetzt. Dann entsteht die Kraft der Identität». Die Realität scheint mir etwas härter und anders zu sein.

Während es bisher um CI-Stra­tegien ging, folgt nun der seitenmäßig größte Teil unter der Zwischen­über­schrift »Instrumente». Hier berichten Spezi­a­listen auf ihrem jeweiligen Gebiet über den aktuellen Stand ihrer Bemü­hungen oder auch Beob­ach­tungen.

Das beginnt gleich mit Frank Heidmanns »Interface Design: Corporate Inter­action». Die Berüh­rungs­punkte zwischen Marken und Kunden haben sich auf digitale Geräte und Formate verlagert. Algo­rithmen gelten als Vermittler zwischen Kunden und Marken. Trotz aktueller Kritik scheint Heidmann mit diesen (aktuellen) Tendenzen zufrieden zu sein. Zwar weist er in seinem Fazit darauf hin, dass der gesamte Prozess auf die Bedürfnisse der poten­ziellen Nutzer bzw. Kunden ausge­richtet sein müsse. Marken­un­ter­nehmen gewinnen aber immer mehr Daten über ihre Kunden. Für Heidmann ist das kein Grund zur Sorge.

Wenn Orga­ni­sa­tionen sich über ihr Verhalten viel wirkungs­voller darstellen können als über ihre Kommu­ni­ka­ti­ons­bot­schaften, dann wird Corporate Behaviour neben CD und CI noch wichtiger. Christian Vatter versucht hier, Corporate Behaviour und Service Design zu verbinden. Service Design beschäftigt sich mit der Konsequenz aus dem Verhalten. Auch nicht ganz neu, aber viel­leicht besser definiert und für ein Konzept hoffentlich klarer.

Story­telling, also das Erzählen von Geschichten, gab es schon immer. Oliver Rufs Corporate Story­telling beschäftigt sich damit, wie ein solches Erzählen die Identität und Iden­ti­fi­kation einer Marke fördert. Im Lang­zeit­ge­dächtnis gespei­cherte Schemata werden aktiviert und ergänzt. Ruf beschreibt sehr genau, was die Wirkung und das Wie des Erzählens ausmacht. Selbst die visuelle Erzählweise, aber auch die Situation durch Social Media wird beschrieben.

Wie Unter­nehmen »klingen« ist das Thema von Felix Urban und Frank Westermann. Die Wieder­er­kenn­barkeit einer Marke lässt sich nicht nur mit einer Sound-Logo-Melodie-Sequenz sicher­stellen. Und hier wird alles einbezogen, was hörbar ist: die Sprechweise der Mita­r­beiter, Tele­fon­schleifen, Imagefilme, der Klang möglicher Produkte.

Szeno­grafie in Marken­auf­tritten kennt man vor allem seit der Expo Hannover 2000, aber Uwe R. Brückner geht viel weiter zurück und nennt frühe Beispiele wie die Sixti­nische Kapelle oder Friedrich Kieslers »Endless House» um 1930. Natürlich spielen Archi­tekten wie Carlo Scarpa und Le Corbusier hier eine Vorbild­funktion. Die Elek­tronik hat der Szeno­grafie ganz neue Möglich­keiten eröffnet, die auch für Messen oder Ausstel­lungsräume genutzt werden. Der Raum und seine Ausstattung werden dabei analog zu Sprache und Musik verstanden. Brückner vergleicht dies mit der Oper, bei der eine Drama­turgie geschaffen werden muss. Beispiele aus Messen, Ausstel­lungen (Expo), perma­nenten Räumen (Börse) oder Marken­museen werden kurz beschrieben.

Zur Marken­insze­nierung im Raum folgt ein Beitrag von Thomas Hundt und Ingo Zirngibl. Wer schon einmal in einem der Auto­museen der großen Marken war, kennt das ein wenig. Aber auch die »begehbare Auto­fabrik» gehört dazu, ein anderer Trend geht so weit, dass Räume zu Spiel­plätzen werden (Andreas Horbelt), und schließlich spielt die Archi­tektur des Unter­nehmens selbst eine ganz wichtige Rolle. Jons Messedat versteht gebaute Archi­tektur als gebaute Identität.

Bei Themen, die Typo­grafen eher vertraut sind, wie Typo­grafie im CD oder CI, denkt man sofort an Orien­tierung. Andreas Uebe le, dessen groß­flächige Orien­tie­rungs­insze­nie­rungen berühmt geworden sind, arbeitet theo­retisch und ein wenig spie­lerisch mit Begriffen mit O wie Obacht, Objekt, Objek­tivität, Obsession, Offenheit, Ohne­gleichen, Ohnmacht, on the road, Optik, Origi­nalität, Ornament Oxymoron und erzählt damit einiges über Orien­tierung an sich.

Natürlich darf Erik Spie­kermann in einem solchen Buch nicht fehlen. Er schreibt hier über Schrift als sichtbare Sprache, wobei natürlich vor allem seine eigenen Schriften im Vordergrund stehen. Matthias Beyrow und Constanze Vogt behandeln Logos als Quali­täts­bilder. Marken­zeichen domi­nieren natürlich das CI. Sie gelten als Signet des Unter­nehmens, wobei die Reduktion auf das »Richtige» erfolgen muss. Mit Hubert Jocham kommt ein erfahrener Praktiker in der Entwicklung von Wort­marken zu Wort (im Interview).

Corporate Reporting heißt heute Geschäfts­bericht. In keiner Buch­gattung, die wir im Buch­handel finden, wird so viel gestaltet und inszeniert wie in Geschäfts­be­richten. Und wohl nirgendwo sonst so wenig gelesen. Dabei ist der Geschäfts­bericht das Leit­medium der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­kation, so Gisela Grosse.

Was die viel zitierte Globa­li­sierung für das CI bedeutet, beschreibt kurz Christoph Böninger. Und Corporate Industrial Design anhand von Produkt­linien ist das Thema von Jürgen R. Schmid. Fast zu kurz kommt Corporate Packing in einer kurzen Darstellung (Armin Angerer), wenn man an die markt­s­pe­zifisch wichtige Funktion und die Angst der Kunden vor Verän­de­rungen denkt. Schließlich schreibt Regina Henkel über Corporate Fashion und spricht sich sehr für die Erkenn­barkeit und Zuordnung der für ein Unter­nehmen handelnden Personen aus.

Herausgeber Matthias Beyrow, Petra Kiedaisch, Bettina Klett
Corporate Identity & Corporate Design 4.0
Das Kompendium
264 Seiten
390 Abbil­dungen (laut Verlag)
Avedition, Stuttgart 2018
ISBN 978–3–89986–284–3
69 Euro

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