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Schrift gibt Sprache ein Gewand, ist wort­gewandt, verwandelt Eindrücke in Infor­ma­tionen, formt Wissen und ist »Lebens­mittel«. Ergo: Typo­grafie geht uns alle an.
Boris Kochan

Typographische
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Buchbesprechung

Buch oder Objekt? Die Schönsten Deutschen Bücher 2020

Rudolf Paulus Gorbach
23. Dezember 2020
Jährlich werden sie von einer Jury ausgewählt: Wer sind die schönsten im ganzen Land? Schon seit über 60 Jahren werden die Schönsten Bücher des Jahres prämiert. Früher waren es 50 Bücher, inzwischen wurde die Anzahl der prämierten Bücher auf 25 reduziert und deren Wert gesteigert. Für Insider der Buch­branche ist dies jedes Jahr ein bedeu­tendes Ereignis, und man hofft, dass diese Begeis­terung auch bei Buch­käufern und Buch­lieb­habern ankommt.

Der Wett­bewerb begann zum ersten Mal 1951. Es gab wichtige Epochen für das Buch mit den Sekretären und Sekre­tä­rinnen der Jury: Georg Kurt Schauer, Hans Peter Willberg und Ute Schneider. Jedes Jahr wurde ein Katalog heraus­gegeben. Dies begann einst mit einer schmalen Broschüre, die die jeweiligen Tite­lab­bil­dungen und eine umfang­reiche Biblio­grafie der prämierten Bücher enthielt. Inzwischen ist daraus ein ausführ­liches und jedes Jahr ganz anders­artiges Buch­objekt geworden.

Die Ausgabe für die Schönsten Bücher des Jahrgangs 2020 vermittelt zunächst einen Eindruck, der nicht sofort auf Bücher verweist. Es handelt sich um ein Ringbuch mit einer Metall­ring­bindung, verschiedenen Papier­sorten und einer leeren, glänzend weißen Umschlagseite. Oben schauen kräftige Zwischen­blätter aus Grau­karton heraus, was an ein Archiv erinnert.

Beim Aufschlagen des Katalogs erwartet einen eine klare, gut lesbare und funk­tionale Typo­grafie, gesetzt aus den Schriften Suisse BP, Serif und Riposte Medium. Eine Schrift­mi­schung scheint heut­zutage unver­zichtbar zu sein. Es gibt ausführliche Angaben zu den Büchern sowie sorg­fältige, höchst lesenswerte und originelle Beschrei­bungen der Buch­ge­staltung. Die vorzüglich auf 60 g Papier gedruckten Abbil­dungen sind im Stil der japa­nischen Block­bindung gefalzt, wobei die Bilder immer über die äußere Kante laufen. Um das jeweilige Bild voll­ständig zu sehen, muss man zwischen die Papierlagen greifen. Der Infor­ma­ti­onswert dieser über­lau­fenden Bilder ist mögli­cherweise nicht sehr hoch; es ist eher ein gestal­te­risches Merkmal, das allerdings auf Kosten der Funk­ti­o­nalität geht.

Im Anhang finden sich Verzeichnisse und wichtige Register zu Autoren, Gestaltern, Verlagen, Satz, Herstellung, Repro­duktion, Druckereien, Buch­bin­dereien, Grund­schriften, Papier- und Einband­sorten. Diese sind äußerst nützlich. Ein gut durch­dachtes und ausge­führtes Konzept vom Bureau Est aus Leipzig und Paris.

Und was ganz vorzüglich ist: Man kann mit einer App in den einzelnen prämierten Büchern blättern – für ein Jahr.

Die Schönsten deutschen Bücher 2020
Herausgeber: Katharina Hesse, Stiftung Buchkunst, Frankfurt am Main
Konzept/Gestaltung: Bureau Est, Leipzig/Paris
Foto­grafie und Video­grafie / Repro­duk­tionen, Litho­graphie: Choreo, Leipzig (Roman Häbler, Lars-Ole Bastar)
Texte Jury­be­grün­dungen: Elmar Lixenfeld,, Frankfurt am Main
App Provider: visionar GmbH, Innsbruck
Stiftung Buchkunst, Frankfurt am Main 2020
ISBN 978–3–9814291–9–0
20€

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