Grafikdesign und historische Forschung
Das Buch ist freundlich, das Papier glatt mit leichtem Chamois-Ton, die Schrift Mengelt Basel Antiqua, die Typografie im Detail lesetauglich – gut, weil die Texte als englischsprachige wissenschaftliche Diskurse den Leser herausfordern. Der Satz ist wissenschaftlich, das Seitenlayout klassisch. Allerdings sind die Einzüge unbeholfen groß und unkoordiniert, die Stege unausgegoren.
Die Artikel sind bebildert, was den Informationsquotienten erhöht. Die Illustrationen nutzen den Raum angemessen – mehr als der Text. Die Ausstattung des Buches ist auf der Informationsseite hervorragend: aussagekräftiges Inhaltsverzeichnis, die Aufsätze enthalten Fußnoten und umfangreiche Quellenverzeichnisse, die Autoren werden beschrieben, Abbildungs- und Literaturverzeichnis runden das Buch ab.
Hier und da tauchen Bildstrecken mit ganzseitigen Abbildungen auf. Sie mögen das Ganze illustrieren, aber ihre Bedeutung erschließt sich mir nicht. Ich mag Adrian Frutiger, der etwas Weltall in den Händen hält. Ich mag das Kind mit den blinden Augen nicht, das eine Tafel Schokolade liebt, die in einen Typometer-Umschlag gehüllt ist.
Auf der Innenseite der Umschlagklappe (flap) befindet sich ein Glossar. Wie man diese Anordnung nutzen kann, habe ich bei slanted entdeckt: Man klappt die Flaps heraus und lässt sie beim Lesen offen. So entsteht eine Art Altar. Dieser zeigt eine kleine »Vokabelsammlung« – eine Aufzählung von Schulen, Museen, Forschungseinrichtungen zum Thema. Etwa 10 Fachbegriffe sind aufgelistet. Also klappe ich die Altarflügel wieder zu.
Das Buch präsentiert eine Landkarte der Schweizer Designgeschichte mit Fragen nach dem Zusammenhang von Landschaftsmalerei und Souvenir. Die Geschichte der Kunstgewerbeschule Zürich und ihrer Nachfolgeinstitutionen, Archive und Sammlungen, das Kuratieren von Designausstellungen, die Ausbildung im Schriftdesign, die schwierigen Jahre der schönsten Bücher – um nur einige Themen zu nennen – werden diskutiert.
Es sind wissenschaftliche Diskussionen, die – nicht selten – akribisch ins Detail gehen. Für den »Alltagsdesigner« sind sie nicht aufbereitet.
Designforschung – als geisteswissenschaftliche Forschung – lehnt sich hier weit zurück und betrachtet mit großem Abstand Themen, die vielleicht gar nicht dem Design, sondern eher den Kulturwissenschaften oder der Kunstgeschichte zuzuordnen sind. Design ist (fast) Kunst, scheint auch hier die Grundannahme zu sein.
Würde sich die Designforschung als Ingenieurwissenschaft verstehen, dann würde vielleicht die Wirkung eine Rolle spielen, der Mehrwert, die Präzisierung des Handelns. Das würde von den Artefakten wegführen, auch vom Designer als Gestalter. Schade? Nein, sicher nicht.
Fornari, D.; Lzicar, R. (Hrsg.):
Mapping Graphic Design History in Switzerland.
ca. 100 Abbildungen und 3 Bildessays, Englisch
Klappenbroschur, 328 Seiten, 160 × 240 mm
39,00 Euro
ISBN 978–3–03863–009–8
Triest Verlag, Bern, 2016
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