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Buchbesprechung

Macht durch Schrift oder ein Ansatz zur Designforschung?

Rudolf Paulus Gorbach
17. Juni 2013
Eigentlich sind es ganz unter­schiedliche Texte, die hier in einem Buch versammelt sind: Desi­gnfor­schung, analy­tische, histo­rische Betrach­tungen zu Schrift und Typo­grafie und einzelne histo­rische Betrach­tungen.

Die Betrach­tungen beziehen sich auf Höhe­punkte der Buch- und Typo­gra­fie­ge­schichte. Über den Teil Faschismus gibt es ein eigenes Buch (NSCI, siehe »vier Seiten« Nr. 39 März 2009) und über Schrift und Macht hat Koop letztes Jahr in Mainz gesprochen (Beitrag im tgm-Blog »Schrift und Macht in der Welt«).

Der Zusam­menhang zwischen Herrscher und Schrift bzw. deren Ausfüh­renden wird bei Koop schlüssig dargelegt. Ich halte diese Quer­verweise zur Schrift­ge­schichte für sehr wichtig und für ein Stück Kultur­be­wusstsein. Karl der Große, Maxi­milian I., König Ludwig XIV., Napoleon I. und im 20. Jahr­hundert Kemal Atatürk, Adolf Hitler, Benito Mussolini und die Bundes­re­publik Deut­schland sowie die Gegen­po­si­tionen in poli­tischen Alter­nativen werden behandelt.

Der erste Teil befasst sich allgemein mit der Problematik der Desi­gnfor­schung. Ruedi Baur schreibt in seinem infor­mativen Vorwort über den Kontext, in dem wir uns als Leser befinden und der unsere Wahr­nehmung stark beein­flusst. Der Gestalter bestimmt diesen Einfluss durch die Wahl der Schrift, durch die Form, die er dem Text gibt. Da der Gestalter mitver­ant­wortlich ist für eine »Macht«, die ein Text mittrans­portiert, ist auch die Verant­wortung entsprechend groß. Fraglich ist auch die Kompetenz des Designers, wenn er nur das schafft, was der Wirt­schaft dient und ihre Kunden bindet, aber nicht das, was die Gesell­schaft braucht (Peter Kümmel hat gerade in der Zeit" vom 6. Juni 2013 der Werbung und den Agenturen einen schreck­lichen Spiegel vorge­halten).

Andreas Koop plädiert für eine Desi­gnfor­schung als Disziplin und welche Möglich­keiten es dafür gibt. In der Forschungs­land­schaft hat es Design immer noch schwer, weil eben auch der Desi­gnbegriff nicht klar abge­grenzt ist. Zwar sprechen größere Agenturen auf ihren Websites von »Labs« oder »Research«. Aber ob es sich dabei schon um Forschung handelt oder eher um die Aufwertung der Agentur, ist zumindest nicht klar. Die Verän­der­barkeit der Welt hat ihren Reiz, und viel­leicht gelingt das besser, wenn man die Wissen­schaft mit einbezieht.

Für die Ursprünge der Desi­gnfor­schung nennt Koop lediglich Otto Neurath und Otl Aicher. Wobei Aichers Beitrag im Rahmen der hfg Ulm zu sehen ist, die zwei­fellos den wich­tigsten Ansatz zur Desi­gnfor­schung innerhalb der eigenen Szene initiiert hat. Bei den Forschungs­an­sätzen folgt Koop den Theorien, dass es Forschung über Design, Forschung für Design und Forschung durch Design gibt. Forschung über Design findet sich in der Desi­gnge­schichte oder in einer immer stärker werdenden Desi­gnkritik. Die Methoden stammen meist aus anderen Diszi­plinen. Wenn für Design geforscht wird, steht oft ein konkreter Auftrag dahinter. Die Ergebnisse sind in der Regel nicht öffentlich und werden erst publik, wenn sich das eigentlich zu erfor­schende Projekt gut verkauft hat. Forschung durch Design könnte inter­dis­zi­plinär sein und mit der Entwicklung eines neuen Designs die Reak­tionen unter­suchen.

Wo also beginnt Desi­gnfor­schung? Sicherlich gibt es bereits vieles, was im Vorfeld darauf hindeutet. So entstehen immer häufiger Diplom- oder Magis­ter­a­r­beiten, für die sich der Autor recht intensiv mit einem Teil­bereich ausein­an­der­gesetzt hat. Aber auch Semes­ter­a­r­beiten oder Studi­e­n­a­r­beiten bieten sich an.

Das Buch ist vom Autor sehr sorg­fältig gestaltet. Es ist eigentlich ein Textbuch mit gele­gent­lichen Abbil­dungen und da frage ich mich schon, warum das Buch­format so groß sein muss. Natürlich kann man mit einem größeren Format mehr machen, aber die Bilder recht­fertigen kaum das Format von 195 × 250 mm. Man muss also am Tisch lesen (was die Rezension dieses Buches verzögert hat). Und noch eine Frage zur Lesbarkeit: Die Absätze sind über­betont (oder ist das »desi­gnspe­zifisch«?), weil danach immer eine Leerzeile kommt und dazu noch ein tiefer Absatz­einzug von gut einer Drit­telszeile, das »hämmert«. Die Bild­un­ter­schriften in hellem Goldgelb sind nur bei Tageslicht lesbar. Trotzdem fasziniert mich das Buch sehr, und schon deshalb wäre ein Register eine tolle Sache gewesen.

Andreas Koop
Die Macht der Schrift
Eine ange­wandte Desi­gnfor­schung

304 Seiten
Niggli Verlag Sulgen, 2012
46 Euro
ISBN 978–3–7212–0780–4

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