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Gar mancher hat noch niemals eine gut geformte Schrift wahr­ge­nommen.
Jan Tschichold

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Buchbesprechung

20+1 Serifenlose im Vergleich

Oliver Linke
21. Januar 2012

Es passiert nicht allzu häufig, dass intensive Studien über die formale Qualität von Schriften erscheinen. Umso erfreu­licher ist es, dass sich Manuel Kreuzer und der August Dreesbach Verlag entschlossen haben, diese detail­lierte Unter­suchung, die im Rahmen des 8. Jahres­kurses Typo­grafie bei Rudolf Paulus Gorbach entstanden ist, in Buchform der Öffent­lichkeit zugänglich zu machen – auch wenn der poten­tielle Leserkreis vermutlich relativ klein sein wird.

20+1 Serifenlose im Vergleich

Kreuzer wählte für seinen Vergleich der Seri­fenlosen jeweils eine Satz­schrift aus den letzten 20 Jahren aus, wobei er bewusst solche mit größeren Strich­stär­ken­un­ter­schieden bevorzugte. Das Ergebnis ist die folgende Liste:

  • 1990 Quay Sans von David Quay

  • 1991 DTL Argo von Gerard Unger

  • 1992 Myriad von Robert Slimbach und Carol Twombly

  • 1993 Scala Sans von Martin Majoor

  • 1994 TheSans von Luc(as) de Groot

  • 1995 FF Din von Albert-Jan Pool

  • 1996 Dax von Hans Reichel

  • 1997 Corpid von Luc(as) de Groot

  • 1998 ITC Officina von Erik Spie­kermann

  • 1999 Linotype Aroma von Tim Ahrens

  • 2000 FF Fago von Ole Schäfer

  • 2001 Compatil Fact von Olaf Leu

  • 2002 PTL Manual Sans von Ole Schäfer

  • 2003 FF Unit von Erik Spie­kermann

  • 2004 FF Nexus Sans von Martin Majoor

  • 2005 Monitor von Fred Smeijers

  • 2006 Phoenica von Ingo Preuß

  • 2007 Candera von Gary Munch

  • 2008 Museo Sans von Jos Buivenga

  • 2009 Secca von Andreas Seidel

  • 2010 Carter Sans von Matthew Carter

Jeder Schrift ist eine »Schauseite« mit einem Kurz­portrait des Designers und einem fort­lau­fenden Tschichold-Text gewidmet. Diese farblich abge­setzten Seiten ziehen sich durch das ganze Buch und geben ihm einen lockeren Rhythmus.

Als Einführung stellt Kreuzer zwei kurze Kapitel zu Klas­si­fi­kation und Geschichte der Seri­fenlosen voran. Erfreulich, dass er bei aller (wohl­tuenden) Knappheit auch die frühen grie­chischen Vorreiter und die Versuche zur Blin­den­schrift erwähnt. Bei der Klas­si­fi­kation entscheidet er sich für eine Unter­teilung in vier Gruppen, über deren Benennung man sich viel­leicht streiten mag. Statt der häufig benutzen formal beschrei­benden Benennung (»statisch«, »dynamisch« etc.) wählt er die histo­ri­sierende: »Klas­si­zis­tische, Huma­nis­tische, Benton- (Ameri­ka­nische), und Geome­trische Linear-Antiqua«. Da man von einem fach­kundigen Leserkreis ausgehen kann, dürfte es aber keinem schwer fallen, die Einteilung zu verstehen.

Der Autor beginnt seine Analyse mit einem Propor­ti­ons­ver­gleich. Die Höhen­ver­hältnisse (Vertical Metrics) von Groß- und Klein­buch­staben sowie Ober- und Unter­längen werden vermessen und gegenüber gestellt. In zwei weiteren Kapiteln untersucht er ausführlich Versalien und Minuskeln und präsentiert die Unter­schiede in über­sicht­lichen Tafeln mit Anmer­kungen. Er macht auf Propor­tionen, Balken­stärken, Achsen, Rundungen, Balke­nenden, Schrägen und viele andere Buch­sta­ben­details aufmerksam und deckt so den enormen Varia­ti­ons­reichtum der Schriften auf. Dass das Buch relativ stark Karen Chengs »Anatomie der Buch­staben« (Hermann Schmidt, Mainz, 2006) folgt, könnte man kriti­sieren; tatsächlich verwendet Kreuzer sogar bis auf kleine Abwei­chungen die selben Buch­sta­ben­ver­gleiche. Allerdings tut er dies um ein Viel­faches umfang­reicher, da er die Vergleiche jedesmal mit allen 21 Schriften ausführt. So entsteht zwar eine vom Prinzip her sehr ähnliche, aber dennoch im Detail deutlich aussa­ge­kräf­tigere Unter­suchung.

In einem kurzen Epilog beschreibt Kreuzer den Nutzen seiner Analysen für sich selbst und damit gleich­zeitig für seine Leser: »Schrift­ge­staltung hat eine eigene Sprache. In die Anatomie der Buch­staben einzu­t­auchen, ist ein großes Erlebnis«. Es schärft den Blick und hilft bei der Beur­teilung von Schrift und Typo­grafie. Dem kann man nur zustimmen. Bleibt zu hoffen, dass sich möglichst viele aufmachen, um es Manuel Kreuzer gleich zu tun und – mithilfe des Buches – in die Welt der Buch­staben einzu­t­auchen.

Manuel Kreuzer:
20+1. Vergleich von ausge­wählten seri­fenlosen Schriften der letzten 20 Jahre
144 Seiten
Format: 21 × 30 cm
Schweizer Broschur
August Dreesbach Verlag, München 2011
ISBN: 978–3–940061–68–3
38 EUR
www.august­drees­bach­verlag.de

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